Am Freitag haben in Hamburg etwa 2.000 Menschen vor der AfD-Parteizentrale demonstriert. Am Samstag gingen in Duisburg rund 2.400 und in Düsseldorf rund 650 gegen die Partei auf die Straße. "Wir sind der Meinung: Runter vom Sofa. Die Zeit ist reif, dass alle Demokraten aufstehen", sagte ein Demo-Teilnehmer in Duisburg dem WDR.
Am Sonntag wurde dann in Augsburg und Saarbrücken demonstriert. In Berlin und Potsdam setzten insgesamt mehrere zehntausend Menschen ein Zeichen für Demokratie und gegen Rechtsextremismus.
In der brandenburgischen Landeshauptstadt haben auch Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) ein Zeichen gegen Rechtsextremismus gesetzt. Das Motto des Protests: "Potsdam bekennt Farbe".
Auslöser der Proteste war ein Treffen in Potsdam, das vor einigen Tagen bekannt geworden war. Das Netzwerk Correctiv hatte berichtet, dass sich unter anderem Politiker der AfD mit Vertretern der Identitären Bewegung darüber ausgetauscht hatten, wie man möglichst viele Menschen mit Migrationsgeschichte aus Deutschland vertreiben könnte.
Beim Protest gegen diese Pläne in Berlin war auch Philosoph und Autor Jan Skudlarek dabei - obwohl er von sich selbst sagt: "Ich bin eigentlich kein großer Demo-Gänger". Er ist überzeugt, man müsse jetzt auch jenseits von Online-Aktivismus oder Küchentisch-Gesprächen gegen Rechts, Rassisten und "alles, was unserer Demokratie entgegensteht" mobilisieren.
Aufgerufen zur Demokratie-Demonstration hatten die Klima-Aktivisten von Fridays for Future. "Wir appellieren an alle anderen, mitzumachen, aufzustehen, auch etwas eigenes auf die Beine zu stellen", sagt Aktivistin Luisa Neubauer.
Dass in den vergangenen Tagen so viele Menschen "aus ihrer Komfortzone rausgegangen" seien, zeigt laut Naubauer auch, "wie wehrhaft wir sein können, wenn wir wollen". Und genau da müsse es jetzt weitergehen, so die Klima-Aktivistin.
NRW-Ministerpräsident Wüst für "Allianz der Mitte"
Auch aus der Politik mehren sich seitdem klare Ansagen. NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) sagte am Sonntag in Rhede: "Die AfD ist – und das zeigt sich immer klarer - eine Partei, in der stramme Nazis den Takt angeben". Es sei gut, dass viele Menschen das nach und nach merkten.
Alle in der demokratischen Mitte müssten bereit sein, an den Lösungen der Probleme zu arbeiten, sagte Wüst. Er rief mit Blick auf das Umfragehoch der AfD die Bundesregierung zur Zusammenarbeit bei der Begrenzung der Migration auf. Aus seiner Sicht kann eine "Allianz der Mitte" die politischen Ränder schwächen.
SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert hat Wüsts Vorstoß aber schon zurückgewiesen. Die Forderung empfinde er "insbesondere in diesen Tagen als taktlos", sagte Kühnert dem "Tagesspiegel". "Vor dem Hintergrund jüngst aufgedeckter Umsturz- und Deportationspläne in Kreisen von AfD-Funktionären, Unternehmern und rechtsradikalen Aktivisten braucht es keine Zugeständnisse an die immer radikalere AfD."
Neue Debatte über AfD-Verbot
Unter anderem Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) sieht in der Partei eine Gefahr für die Demokratie und plädiert für ein Verbotsverfahren. Und auch auf den Demos in deutschen Städten und in sozialen Netzwerken fordern einige: "AfD-Verbot sofort".
Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier äußerte sich in der "Süddeutschen Zeitung" skeptisch. Er rate "dazu, dass wir uns auf das konzentrieren, was unmittelbar in diesem Jahr möglich und notwendig ist: Wir sollten die besseren Antworten geben, wir sollten demokratische Mehrheiten organisieren und diese stärken."
Viele Politiker sehen ein Verbotsverfahren skeptisch
Die frühere Linken-Spitzenpolitikerin Sahra Wagenknecht sagte, die Verbotsdebatte werde offensichtlich deshalb geführt, weil die AfD stark geworden sei. Man sollte lieber "die schlechte Politik beenden", dann würde sicherlich die AfD weniger Wählerinnen und Wähler erreichen, meinte Wagenknecht im ARD-Fernsehen.
CDU-Chef Merz forderte schon vor einigen Tagen, die Politik "muss vernünftige Lösungen für die Probleme hinbekommen, dann wird auch die AfD wieder kleiner".
Grünen-Chef Omid Nouripour sagte der "Welt": "Wir müssen uns mit der AfD vordringlich politisch auseinandersetzen." Das sieht auch FDP-Chef Christian Lindner so. Er warnte am Sonntag beim Neujahrsempfang der nordrhein-westfälischen FDP in Düsseldorf vor den Folgen eines gescheiterten Verbotsverfahrens.
Die FDP-Spitzenkandidatin zur Europawahl, Marie-Agnes Strack-Zimmermann, erklärte, der Zulauf zu populistischen Parteien mit extremistischen Positionen müsse gesellschaftlich gestoppt werden. "Je größer der Haufen Scheiße, umso mehr Fliegen sitzen drauf", warnte die Liberale, die für diese Wortwahl in den Sozialen Medien auch Kritik einstecken musste.
Strack-Zimmermann appellierte eindringlich, laut gegen die AfD die Stimme zu erheben. Auch, wenn im privaten, geselligen Kreis jemand ankündige, aus Wut auf die Ampel jetzt die AfD zu wählen, gelte: "Stehen Sie auf! Sagen Sie: Bis hierher und nicht weiter."
Im Privaten den Mund aufmachen, auf die Straße gehen: Ob das wirklich der Beginn einer gesamtgesellschaftlichen Initiative gegen die AfD ist, werden die nächsten Wochen und Monate zeigen. Weitere Demos sind bereits geplant: Unter anderem hat das antirassistische und antifaschistische Bündnis "Essen stellt sich quer" für Montagabend zu einer Demo aufgerufen. In Köln soll am Dienstagabend protestiert werden.
Unsere Quellen:
- WDR-Recherchen
- Nachrichtenagentur dpa
Über dieses Thema berichteten wir am 14. Januar 2024 auch in der Aktuellen Stunde im WDR Fernsehen.