Sachsen statt Mallorca: Wüst will besseren Austausch zwischen Ost und West Aktuelle Stunde 11.06.2024 32:13 Min. UT Verfügbar bis 11.06.2026 WDR Von Anne Bielefeld, Beate Becker

Nach Europawahl: Besser Urlaub in Sachsen anstatt auf Mallorca?

Stand: 11.06.2024, 19:39 Uhr

Der Osten und der Westen in Deutschland ticken unterschiedlich. Das hat die Europawahl erneut offengelegt. NRW-Ministerpräsident Wüst fordert daher einen Neustart der Beziehungen.

Von Dominik Reinle und Lukian Ahrens

Schaut man auf die Ergebnisse der Europawahl, ergibt sich eine Zweiteilung der Bundesrepublik. In den westdeutschen Flächenländern ging die Union klar als stärkste Partei aus der Wahl hervor. Im Osten landet die AfD fünf Mal auf dem ersten Platz. Damit verläuft eine Linie entlang der ehemaligen historischen Grenze von DDR und BRD.

Warnung vor Spaltung zwischen Ost und West

Der thüringische Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) warnte angesichts der starken AfD-Ergebnisse bei der Europawahl in Ostdeutschland vor einer wachsenden Spaltung zwischen Ost- und Westdeutschen. "In sozialen Netzwerken lese ich nach der Europawahl jetzt Sätze wie: 'Wo bleibt die Dankbarkeit der Ostdeutschen?' Das sind Fragen, die wir jetzt gerade nicht brauchen", sagte er dem Redaktionsnetzwerk Deutschland.

Als Reaktion auf die Wahlergebnisse hat auch NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) mehr Austausch zwischen Ost- und Westdeutschland gefordert. Er habe den Eindruck, dass viele Menschen aus NRW noch nie in den – gar nicht mehr so – neuen Ländern gewesen seien.

"Mancher kennt sich auf Mallorca besser aus als in Sachsen oder Thüringen." Hendrik Wüst (CDU), NRW-Ministerpräsident

Umso wichtiger sei der Versuch, die Menschen, vor allem die jüngere Generation wieder stärker zusammenzubringen.

Bayern und Spanien: So reisen die Deutschen

Der persönliche Eindruck des NRW-Ministerpräsidenten bekommt ein statistisches Fundament, wenn man sich die beliebtesten Reiseziele der Deutschen im eigenen Land sowie im europäischen Ausland anschaut. Lediglich Mecklenburg-Vorpommern kann aufgrund der Ostsee punkten und verbucht immerhin drei Prozent der Anteile an allen Urlaubsreisen ab fünf Tagen im Jahr 2023. Damit belegt das Land immerhin Platz drei der zehn beliebtesten Reiseziele im Inland. Brandenburg und Sachsen erreichen beide nicht die Ein-Prozent-Marke, Thüringen und Sachsen-Anhalt schaffen es nicht in die Top 10.

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Bei den beliebtesten Auslandsreisezielen der Deutschen landet Spanien nicht überraschend auf dem ersten Platz. Gefolgt von Italien und der Türkei.

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Deutsche Einheit: Einige Fortschritte, viele Herausforderungen

Dass die Beziehungen zwischen Ost- und Westdeutschland besser sein könnten, hat auch der letzte Jahresbericht "Zum Stand der Deutschen Einheit" gezeigt: Es gibt zwar einige Fortschritte, aber viele Herausforderungen. So zeigen Umfragen, dass die Mehrheit bundesweit der Auffassung ist, Ost und West seien seit 1990 weniger stark oder gar nicht zusammengewachsen.

Zwar konnten einige Unterschiede - etwa beim Rentenniveau - abgebaut werden, bei anderen Themen - etwa beim Einkommen - gibt es jedoch auch 33 Jahre nach der Wiedervereinigung noch große Differenzen zwischen Ost- und Westdeutschland. Der Ostbeauftragte der Bundesregierung, Carsten Schneider, betonte in dem Bericht, die Herstellung der inneren Einheit Deutschlands sei "ein kontinuierlicher Prozess der gegenseitigen Verständigung" und bleibe "deshalb eine dauerhafte Aufgabe".

Mehr Einheit durch Städtepartnerschaften?

Doch welche Maßnahmen könnten dafür sorgen die Menschen in Ost- und Westdeutschland wieder stärker zusammenzuführen? "Es ist Zeit für einen Einigungsvertrag 2.0, der neben der formalen Einheit auch die Menschen besser zusammenbringt – für stärkeres Vertrauen und Zusammenhalt zwischen Ost und West", schlägt Wüst vor.

Ihm gehe es darum, "eine Reihe von Projekten" zu vereinbaren – zum Beispiel, junge Menschen aus Ost und West stärker zusammenzubringen. "Denn Austausch schafft Vertrauen und öffnet Perspektiven für mehr Verständnis untereinander." Beispielsweise durch Städtepartnerschaften, wie man sie auch aus Europa kenne.

Städtepartnerschaften zwischen NRW und ostdeutschen Ländern seit 1987

In Nordrhein-Westfalen gibt es seit langem deutsch-deutsche Städtepartnerschaften. Die erste NRW-Stadt, die eine Partnerschaft mit einer Stadt in der damaligen DDR einging, ist Wuppertal. Sie hatte 1987 mit Schwerin die entsprechenden Verträge unterzeichnet. "Wunsch war damals ein aktiver Beitrag zu gutnachbarschaftlichen Beziehungen zwischen beiden Teilen Deutschlands", heißt des auf der Internetseite der Stadt Wuppertal.

Genau solche Beziehungen will Wüst jetzt wieder aufleben lassen. Wenn er die Gesellschaft heute betrachte - Ost wie West - dann wünsche er sich "dieses offene aufeinander Zugehen im Gespräch zurück; sich an einen Tisch zu setzen, anstatt aus der Ferne anzubrüllen". Denn es sei wichtig, sich auch mit Menschen auseinanderzusetzen, deren Meinung man nicht teile. 

Unsere Quellen:

  • Nachrichtenagentur dpa
  • Nachrichtenagentur epd
  • Reiseanalyse 2024
  • Internetseite der Stadt Wuppertal

Über dieses Thema berichten wir im WDR am 11.06.2024 auch im Fernsehen: Aktuelle Stunde, 18.45 Uhr.