Die Landesregierung hatte vergangene Woche eine Liste von sechs potenziellen Gebieten für einen neuen Nationalpark veröffentlicht. Fast alle betroffenen Kreise reagierten überrascht, teilweise zeigten sie sich auch skeptisch. In den politischen Gremien könnten manche Bewerbungen in den kommenden Wochen bereits beerdigt werden.
Der Hintergrund: Vergangene Woche hatten das Umwelt-, Wirtschafts- und Landwirtschaftsministerium bei einer gemeinsamen Pressekonferenz den Startschuss für das Bewerbungsverfahren gegeben. Zunächst kann man unverbindlich sein Interesse bekunden. Als Input veröffentlichte das Land aber schon mal eine Karte mit sechs Regionen, die es für besonders geeignet hält.
Reichswald fürchtet schwierigen Prozess
Der Landrat im Kreis Kleve, Christoph Gerwers, zeigte sich direkt nach der Pressekonferenz der Landesregierung "überrascht". Man werde vor einer möglichen Bewerbung "sorgsam abwägen müssen, welche Vorteile und welche Nachteile mit der Ausweisung des Reichswalds als Nationalpark verbunden" wären. Es könne ein schwieriger und emotionaler Prozess werden, fürchtet der Landrat.
Fürsprecher und Gegner in Egge
Um einen möglichen "Nationalpark Egge" wird vor Ort schon lange debattiert. Es gibt bereits einen Förderverein, Naturschutzvereine sprechen sich für einen Nationalpark aus. Es existiert aber auch massiver Gegenwind - unter anderem lehnen die CDU und die FDP im Kreis Höxter einen Nationalpark ab. Die Liberalen haben das Thema auf die Tagesordnung der nächsten Sitzung des Kreistags am 5. Oktober gehievt. Der Kreistag Paderborn - der ebenfalls betroffen ist - reist am 22. September in den nordhessischen Nationalpark Kellerwald-Edersee, um sich ein Bild zu machen.
Arnsberger Wald will Vorteile und Nachteile abwägen
Gemeinsam mit dem Hochsauerlandkreis, den Kommunen und den am Naturpark Arnsberger Wald beteiligten Interessensgemeinschaften will der Kreis Soest laut einer Sprecherin "sorgsam abwägen", welche Vorteile und Nachteile ein Nationalpark hätte. Noch könne man daher nicht sagen, ob und wie sich der Kreis Soest im weiteren Verfahren einbringe.
Ebbegebirge will Bürger einbeziehen
Der Märkische Kreis, in dem in Teilen das Ebbegebirge liegt, war nach eigenen Angaben ebenfalls überrascht vom Vorstoß der Landesregierung. "Eine Meinungsbildung steht erst am Anfang", so ein Sprecher. Der benachbarte Kreis Olpe wolle sich laut einer Sprecherin mit den Vorschlägen zeitnah auseinandersetzen. Neben Fachleuten wolle man auch die Bürger einbeziehen, vor allem die, denen die Grundstücke gegebenenfalls gehören.
Rothaarkamm: Lieber Windkraft statt Nationalpark?
Der Rothaarkamm mit seinem Wisent-Projekt, Deutschlands einziger freilebender Wisent-Herde, wäre eigentlich ein idealer Kandidat als Nationalpark. Damit hätte das Land die Verantwortung für die Tiere, um die es mit privaten Waldbesitzern immer wieder Ärger wegen Entschädigungen für verursachte Schäden gibt. Aber: Die Kreisverwaltung ist laut einer Sprecherin offen, aber auch skeptisch. Unter anderem würden damit potenzielle Flächen für Windkraft wegfallen. Der Kreistag soll bereits am 22. September entscheiden, wie es weitergeht.
Hürtgenwald hat keinen Bedarf
Das Gebiet liegt im Kreis Düren, der schon am ersten nordrhein-westfälischen Nationalpark beteiligt ist - und wenig Elan für einen zweiten zeigt: "Derzeit gibt es keine konkreten Überlegungen seitens des Kreises Düren, neben dem schon bestehenden Nationalpark Eifel einen weiteren zu schaffen", so ein Sprecher des Kreises.
Debatte im Landtags-Umweltausschuss
In einer Aktuellen Viertelstunde im Umweltausschuss des Düsseldorfer Landtags waren die Nationalpark-Pläne am Mittwoch Thema. Die Landesregierung sei den Prozess "konfus" angegangen, kritisierte der SPD-Abgeordnete René Schneider. Nötig sei eine fundierte fachliche Führung, damit sich alle in Kenntnis der Spielregeln beteiligen könnten. Auch Dietmar Brockes (FDP) forderte Klarheit über Ablauf und Zeitplan des Verfahrens.
Umweltminister Oliver Krischer (Grüne) verteidigte die Pläne. Via Internet könnten sich Kommunen und alle interessierten Bürgerinnen und Bürger informieren und beteiligen. Man wolle einen "ergebnisoffenen Prozess", betonte Krischer. Der Landtag sei darüber informiert worden. Bis Ende des ersten Quartals 2024 nehme man sich nun Zeit. Dann müssten formale Bewerbungen für den neuen Nationalpark eingereicht werden. Anschließend werde die Landesregierung eine Entscheidung treffen und eine Nationalpark-Verordnung erlassen.
Unsere Quellen:
- Ministerium für Wirtschaft, Industrie, Klimaschutz und Energie des Landes Nordrhein-Westfalen
- dpa
- Krischer, Schneider und Brockes via Livestream Sitzung des Landtags-Umweltausschusses