Zwar haben sich in der vergangenen Woche Vertreter von Kommunen und Ländern zum Flüchtlingsgipfel mit der Bundesregierung getroffen, doch eine wirkliche Verbesserung gibt es nicht. Es wird weiterhin kritisiert, dass zu wenig getan werde, um vor Ort mit der gestiegenen Zahl an Geflüchteten klar zu kommen.
So fordert NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) nach wie vor mehr Geld vom Bund. "Es wäre das Mindeste, wenn man zu den gleichen Quoten kommt wie 2016. Das hieße eine Verdopplung", sagte Wüst am Sonntagabend in der ARD-Sendung "Bericht aus Berlin".
In den Monaten November, Dezember und Januar kamen laut Wüst weniger Menschen aus der Ukraine, aber von Monat zu Monat dafür mehr Menschen aus anderen Ländern, wie Afghanistan, Syrien, dem Irak, der Türkei oder dem Iran. "Und das drückt die Kommunen - gerade bei der Unterbringung", sagte Wüst.
Beiträge des Bundes sinken
2022 hatte der Bund den Ländern für die Betreuung Geflüchteter insgesamt 3,5 Milliarden Euro zur Verfügung gestellt, 2023 bisher 2,75 Milliarden - zu wenig, so Wüst.
"Wir haben allein in Nordrhein-Westfalen im letzten Jahr drei Milliarden Euro für Menschen ausgegeben, die zu uns geflüchtet sind, in diesem Jahr werden wir wieder drei Milliarden Euro ausgeben. 2016 - das Jahr mit dem bisherigen Höhepunkt - hat der Bund 40 Prozent der Kosten übernommen, in letztem Jahr waren es 23 Prozent, wenn es dabei bleibt sind es nun 19 Prozent", so Wüst. Er kritisierte zudem, dass die Gelder teilweise noch gar nicht ausgezahlt seien.
Unterstützung von Grünen-Ministerin
Das kritisierte am Sonntag auch NRW-Flüchtlingsministerin Josefine Paul im Interview mit dem WDR-Magazin Westpol. "Die bereits zugesagten Mittel für 2023 sind nach wie vor nicht an Länder und Kommen ausgezahlt. Das wäre ein erster, wichtiger Schritt", sagte die Grünen-Politikerin.
Zudem forderte auch sie mehr Klarheit von der Ampel-Regierung in Berlin. "Jetzt ist es an der Zeit, dass man auch klar sagt, in welcher Art und Weise der Bund dauerhaft in die Finanzierung einsteigen möchte."
DIW-Chef Fratzscher: Auch Länder müssen mehr tun
Doch es gibt auch Stimmen, die Länder wie Nordrhein-Westfalen in der Pflicht sehen. So sagte der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), Marcel Fratzscher, dem "Handelsblatt": "Der Bund hat immer wieder die größte Last geschultert." Nun müssten die Länder ihre Blockadehaltung aufgeben und sich finanziell stärker beteiligen. Die Politik müsse "dringend handeln und die Kommunen sowohl logistisch stärker unterstützen als auch finanziell besser ausstatten".
SPD und FDP sehen das Land am Zug
Auch die Opposition in NRW kritisiert den Ministerpräsidenten. So sagte SPD-Fraktionsvize Lisa-Kristin Kapteinat am Montag: "Immer nur nach Berlin zu zeigen, wird seiner Verantwortung für NRW schlicht nicht gerecht. Seit Monaten duckt er sich weg und gibt es kaum nennenswerte Initiativen seiner Landesregierung." So verfüge das Land über eigene Flächen und Gebäude, die genutzt werden könnten.
Auch die FDP verlangt mehr Anstrengungen vom Land. "Ministerpräsident Wüst fordert doppelt so viel Geld aus Berlin. Wir fordern doppelt so viele Flüchtlingsplätze vom NRW-Ministerpräsidenten", sagte FDP-Fraktionschef Henning Höne. Das landeseigene Platzangebot müsse "schnellstmöglich" auf 60.000 Plätze erweitert werden. Die SPD spricht sogar von 80.000. Zum Vergleich: Laut NRW-Flüchtlingsministerium sollen es nach derzeitigem Stand bis März 34.500 Plätze sein.
Warnung vor "sozialem Sprengstoff"
Der Präsident des Landkreistages, Reinhard Sager (CDU), warnte am Wochenende sogar vor sozialen Unruhen. "Die aktuelle Situation birgt enormen sozialen Sprengstoff. Die Menschen fangen an, am Rechtsstaat zu zweifeln", sagte Sager der "Bild". "Wir sehen ja schon, wie einzelne rechte Gruppen die Lage missbrauchen und ausschlachten wollen. Das darf auf keinen Fall passieren."
Laut einer am Freitag veröffentlichten Umfrage hält eine Mehrheit der Menschen in Deutschland die Situation hingegen für beherrschbar. Laut dem ZDF-"Politbarometer" sind 57 Prozent der Meinung, dass Deutschland die Flüchtlingszahlen verkraften kann, 40 Prozent sind der gegenteiligen Auffassung.
Ministerpräsidentenkonferenz soll über Geld beraten
Beim Flüchtlingsgipfel vergangene Woche hatte Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) eine bessere Abstimmung zwischen allen Beteiligten versprochen. Die Frage nach dem Geld wurden allerdings vertagt. Darum soll es bei der nächsten Ministerpräsidentenkonferenz Mitte März gehen.
Viele Asylanträge in 2022 von Syrern
Auf der einen Seite sind seit dem russischen Überfall auf die Ukraine vor rund einem Jahr viele Menschen vor Krieg geflüchtet - auch nach NRW. Anfang Februar sprach Wüst von mehr als 200.000 Flüchtlingen. Auf der anderen Seite kommen inzwischen auch wieder vermehrt Migranten aus anderen Ländern und beantragen hier Asyl. Ein Blick in die Statistik zeigt, wo diese Menschen herkommen:
Insgesamt gab es 2022 nach Angaben des NRW-Flüchtlingsministeriums knapp 43.000 Erstanträge für Asyl. Für 2023 wird mit rund 50.000 gerechnet.