Simon Darscheid ist sicher, dass der Wolf weiß, wo seine Schafe grasen. Sein Hof in Hennef ist im Wolfsgebiet, schon mehrfach hat er Spuren gefunden. Rundherum gab es Risse. Täglich kontrolliert er die Schutzzäune. Der Schäfer hat Angst um seine 200 Muttertiere – und zwar auch, weil er sich von der schwarz-grünen Landesregierung kaum unterstützt fühlt.
"Man hat das Gefühl, dass es da ein Kompetenzgerangel gibt", sagt er. Ein Ministerium ist inzwischen für Landwirtschaft zuständig, ein anderes für Umweltschutz. Vorher lag in NRW beides 40 Jahre lang in einer Ministerinnen- oder Minister-Hand. Ein Sonderweg, aber nach Darscheids Wahrnehmung ein guter.
Jetzt, seit der Aufteilung 2022, seien Wege länger geworden, würden Anträge zögerlicher bearbeitet, gehe es nur schleppend voran, beklagt er. Der Schäfer versteht nicht, warum die Aufteilung verändert wurde. Und warum deshalb jetzt sogar Landesämter neu zugeschnitten werden sollen.
"Super-Ministerium" für Oliver Krischer
Wie es zu der Änderung kam – dazu gibt es verschiedene Erzählungen, die eher flüsternd verbreitet werden. Die CDU habe auf der Zuständigkeit für die Landwirtschaft bestanden – ist eine Variante. Eine andere: Die grüne Verhandlungsführerin Mona Neubaur wollte so ein "Super-Ministerium" für Oliver Krischer möglich machen, Umwelt plus Verkehr. Einiges spricht dafür, dass beides stimmt. Am Ende standen jedenfalls zwei Ministerien – aber nur ein Landesamt. Das LANUV, Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz Nordrhein-Westfalen.
Ämterteilung "unter den Hosenträgern durch"?
Dieses soll nun aufgespalten und die Teilung so zementiert werden. Den Gesetzentwurf dazu wollte die Landesregierung Ende 2024 durch den Landtag bringen – doch die SPD hat ihn vorerst gestoppt. "Das sollte uns unter den Hosenträgern durchgeschoben werden", beklagt René Schneider, umwelt- und landwirtschaftspolitischer Sprecher der SPD-Fraktion. Die Trennung jetzt, nach mehr als der Hälfte der Legislaturperiode, sei "absurd". Die SPD sagte "Stopp" – und forderte, erstmal Fachleute im Landtagsausschuss dazu anzuhören.
Die sparen nicht mit Kritik. Fred Josef Hansen erklärte am Montag für den Bund Deutscher Forstleute NRW: Die Waldbauern würden davon profitieren, wenn Schutz- und Nutzwälder aus einer Hand betreut werden. Das bringe wichtige Erkenntnisse. Rik Steinheuer vom Bund der Steuerzahler wird grundsätzlich: Es brauche Verwaltungsreformen – aber doch keine, mit der "funktionierende Behörden aufgespalten und mehr Personal nötig wird". 1,4 Millionen Euro seien dafür in den Haushalt eingestellt, künftig könnte mehr dazukommen.
CDU für die Aufteilung, Grüne skeptisch
Für die Ämter-Trennung argumentieren die Vertreter der Landnutzungsverbände – Landesjagdverband und Rheinischer Landwirtschaftsverband. Sie fühlen sich von Umweltminister Krischer zu wenig gehört, hoffen mit einem eigens für sie zuständigen Landesamt auf kürzere Abstimmungswege.
Doch müssten die nicht auch in einem Amt, dem LANUV, mit klar festgelegten Fachaufsichten zu erreichen sein? Die Fraktion der Grünen will das nach der Experten-Anhörung nochmal prüfen. Deutlich hörbar ist ihre Skepsis den Plänen der eigenen schwarz-grünen Regierung gegenüber. Verteidigt wird das Vorhaben im Ausschuss nur von der CDU. Ihr fachpolitischer Sprecher Ralf Nolten betont, wie wichtig für ein Ministerium ein eigenes Amt "im direkten Zugriff" ist, um schnell reagieren zu können – etwa beim Seuchenschutz.
Es ist in der Anhörung genau die Spaltung herauszuhören, die Schäfer Simon Darscheid und Forstmann Fred Josef Hansen so fürchten: Die in Umweltschützer und Landnutzer.
Landwirtschaftsministerin Gorißen sagt Interview ab
Verbraucherschutz- und Landwirtschaftsministerin Silke Gorißen (CDU) möchte kein Interview zum neuen Amt geben. Schriftlich teilt ihr Haus mit: Der "fachlich klare Fokus" auf Verbraucherschutz, Tierseuchenbekämpfung und Tierwohl stärke die Kompetenz und erhöhe die Reaktionsfähigkeit in Krisen.
Verkehrs- und Umwelt-Minister Oliver Krischer (B'90/Die Grünen) verteidigt die Aufspaltung im Interview. Er freut sich, dass er die Verwaltung des Nationalparks im verbliebenen Teil seines Amtes dazubekommt. Und überhaupt – auch dass er Umweltschutz in Reinkultur vertreten kann, ohne schon Kompromisse mit der Landwirtschaft mitdenken zu müssen: "So kann ich konsequenter Umweltschutzpolitik machen".
Nur: Genau dadurch entstehen die Gräben, die Schäfer Simon Darscheid beklagt. Er sieht sich und seine Schafe zugleich als Nutzer und Schützer der Umwelt. "Es wird doch immer gesagt, Landwirtschaft und Naturschutz sollen in Einklang gebracht werden", sagt er. Dass NRW sich auf Ministeriumsebene und bald vielleicht auch auf Ämterebene davon verabschiedet – für ihn ist das ein Rückschritt.
Und es kostet ihn Zeit. Um seine Schafe zu schützen, von denen der Wolf längst weiß, wo sie stehen.
Unsere Quellen:
- Ausschuss-Sitzung im Landtag
- Stellungnahmen der Sachverständigen
- Interviews und Hintergrundgespräche
- Ministerien und Landesamt
Über dieses Thema berichtet das WDR-Fernsehen auch am 19.01.2025 um 19.30 Uhr im Magazin "Westpol" und am 17.01.2025 im WDR-Hörfunk: WDR 5 "Westblick", 17:04 Uhr.