Er klingt, als würde es ihm etwas ausmachen, wenn die Parlamentarier anderer Parteien auf den Fluren des Landtags grußlos an ihm vorbeilaufen, so als wäre er ein Fremder. Dabei kennen sie ihn natürlich.
Daniel Zerbin ist seit der Wahl 2022 Mitglied des nordrhein-westfälischen Landtags und Vorsitzender des Wissenschaftsausschusses. Es ist der einzige Ausschuss, dem ein AfD-Mitglied vorsteht. "Da wird darauf geachtet, dass sie sich von uns abtrennen. Sie glauben sicherlich, dass sie etwas Gutes tun".
"Früher gar kein Problem"
Politiker bei der AfD zu sein, jener Partei also, die vom Verfassungsschutz als rechtsextremistischer Verdachtsfall beobachtet wird, hat einen Preis. Ein Verlag habe ihm den Autorenvertrag für zwei kriminalwissenschaftliche Fachbücher gekündigt, sein Lehrauftrag bei der Polizei sei nicht verlängert worden, der Bund Deutscher Kriminalbeamter versuche ihn hinauszuwerfen, seit er im Landtag sitzt. Und er habe viele Freunde verloren. Eine Erfahrung, die er mit vielen seiner Parteikollegen teilt.
Dabei glaubt Zerbin, dass sich der konservative Flügel der AfD, dem er sich selbst zurechnet, nicht sehr von dem unterscheidet, was die CDU in den Achtzigern und Neunzigern vertreten hat. Er fühlt sich stigmatisiert. "Was heute als rechts gilt, als rechtsradikal oder rechtsextrem, war vor ein paar Jahren noch gar kein Problem, sondern Mainstream“, sagt er. Björn Höcke kenne er, aber er habe nicht viel mit ihm zu tun. Björn Höcke gut zu kennen, ist nicht immer von Vorteil.
Die bessere Alternative
In jungen Jahren war der heute 50-Jährige kurz FDP-Mitglied. Die CDU sei seine politische Heimat gewesen, sagt Zerbin. Ihr gehörte er dann 18 lange Jahre an, passiv und als zahlendes Mitglied, bevor er 2016 in die AfD eintrat. "Die Flüchtlingskrise war für mich ein Schlüsselerlebnis", sagt er im WDR-Interview.
Mit dem Islam hat Zerbin sich in seiner Doktorarbeit beschäftigt. Sie trägt den Titel "Analyse religiös motivierter Selbstmordattentate am Beispiel der Anschläge der Hamburger Zelle vom 11. September 2001". Man müsse den Islam kritisch hinterfragen, sagt er. Die CDU habe es aus dem Blick verloren, das Christentum als bessere Alternative herauszustellen. "Das finde ich schade."
Freiheit der Anderen
Zerbin reibt sich am Thema Freiheit. Er findet, unter der Fahne der Geschlechtergerechtigkeit würden an den Hochschulen Andersdenkende gecancelt. Man könne nicht mehr frei seine Meinung sagen. "Wenn man nicht bestimmte Thesen und Theorien vertritt, kann man keine Karriere mehr machen".
Zerbin selbst zählt sich wohl zu den Andersdenkenden. Im Landtag würden die AfD-Mitglieder von den anderen Parteien ausgegrenzt und herabgestuft. "Diese Diktaturen, Drittes Reich und so, in diese Ecke werden wir reingedrängt. Das habe ich denen auch schon mal vorgeworfen, dass sie die gleichen Mittel und Methoden benutzen, nämlich Abgrenzung und Herunterstufung". Der Pressesprecher der Landtagsfraktion, der im Studio wartet, atmet schwer bei diesem Vergleich.
Der Sound erklingt bei vielen in der AfD, wenn sie auf den "Mainstream" schimpfen. Politisch dort zu stehen, wo Daniel Zerbin steht, in einer Art informellem Alfred-Dregger-Gedächtnis-Verein und in schwer definierbarer Nähe zu jenen, die sich mit der Freiheit anders schwertun und sie lieber abschaffen würden, hat seinen Preis.