Flutung der Braunkohle-Tagebaue: Erlässt das Land RWE Millionen Euro?

Stand: 22.08.2024, 06:00 Uhr

Im Rheinischen Kohlerevier sollen riesige Seen entstehen. Das benötigte Rheinwasser kostet eigentlich Geld - doch das Land verzichtet womöglich darauf.

Von Tobias Zacher

Wasser ist ein wertvolles Gut - das haben zuletzt die Dürrejahre in NRW von 2018 bis 2020 und 2022 gezeigt. Deshalb erhebt das Land seit 2004 grundsätzlich eine Gebühr für den Fall, dass sich jemand am Grundwasser oder an oberirdischen Gewässern bedient: Fünf Cent pro Kubikmeter. So steht es im Wasserentnahmeentgeltgesetz (WasEG).

WDR-Recherchen zeigen, dass ausgerechnet das größte Wasserprojekt der kommenden Jahrzehnte von der Abgabe befreit werden könnte: das Auffüllen der Braunkohletagebaulöcher im Rheinischen Revier. Die Landesregierung ist in der Frage zögerlich, Opposition und Umweltschützer sind empört. Profitieren würde der Braunkohlekonzern RWE Power.

Gigantisches Vorhaben

Ende Mai hatte die Landesregierung den Weg frei gemacht für die rund 45 Kilometer langen Transportleitungen, die in Zukunft Wasser vom Rhein in die Restlöcher der Braunkohletagebaue Hambach und Garzweiler bringen sollen. Es ist ein beispielloses Vorhaben: Schätzungen zufolge dauert es rund 40 Jahre, bis die gigantischen Löcher mit Wasser gefüllt sind. Dafür kann die Entnahmestelle bei Dormagen bis zu 18 Kubikmeter Wasser pro Sekunde aus dem Rhein pumpen und Richtung Tagebaue leiten. Am Ende sollen 4,3 Milliarden Kubikmeter Wasser den Tagebau Hambach in einen See verwandelt haben, weitere 1,5 Milliarden Kubikmeter den Tagebau Garzweiler II. Sie würden dann beide zu den größten Seen Deutschlands zählen.

Zuständig für das Pipeline-Projekt ist RWE Power - der Konzern, der die Braunkohle-Tagebaue seit Langem betreibt und damit viel Geld verdient. Soll er das Wasser aus dem Rhein jahrzehntelang gratis bekommen? Offenbar geht RWE genau davon aus. Auf WDR-Anfrage schreibt ein Sprecher, das Entnehmen des Wassers aus dem Rhein sei "nach den landesplanerischen Vorgaben konkret darauf ausgelegt, dem Anliegen einer frühzeitigen und schnellstmöglichen Befüllung der Tagebauseen nachzukommen. Insofern würde eine Kostenbelegung dieser Wasserentnahme nicht der Lenkungsintention des WasEG entsprechen, eine Reduzierung von Wasserentnahmen herbeizuführen."

Doch eine "Lenkungsintention", mit der eine "Reduzierung von Wasserentnahmen" angestrebt wird, findet sich im Gesetz nicht. Stattdessen begründete die Politik seinerzeit die Einführung des Wasserentnahmeentgelts schlicht mit der schlechten öffentlichen Haushaltslage, die durch das Entgelt verbessert werden soll.

Es gibt Ausnahmen von der Gebührenpflicht

Dabei sieht das Wasserentnahmeentgeltgesetz durchaus Ausnahmen vor, in denen die Gebühr nicht bezahlt werden muss. Zum Beispiel dann, wenn Landwirte das abgezapfte Wasser auf ihre Felder sprühen. Auch für Löschwasser oder für den Betrieb von Wasserkraftwerken entfällt die Gebühr. Für "behördlich angeordnete Benutzungen" muss die Gebühr ebenfalls nicht gezahlt werden, heißt es im Gesetz. Darauf zielt RWE mit dem Verweis auf die "landesplanerischen Vorgaben" womöglich ab.

Der Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND NRW) schlägt deshalb Alarm. Sprecher Dirk Jansen verweist auf die erheblichen Eingriffe in Natur und Landschaft, die der Braunkohleabbau in Rheinischen Revier schon zur Folge hatte. Er fordert von der Landesregierung, "dass der Verursacher ohne Wenn und Aber die Folgekosten dauerhaft übernimmt". Damit könnten jährlich etwa 17 Millionen Euro für Maßnahmen des Gewässerschutzes gemäß EU-Wasserrahmenrichtlinie gewonnen werden, rechnet er vor. "Wir befürchten, dass der Kohlekonzern RWE versuchen könnte, sich vor der Entrichtung des Wasserentnahmeentgelts zu drücken", so Umweltschützer Jansen.

Landesregierung verweist auf Zulassungsbehörde

Doch die Landesregierung gibt sich in der Frage unverbindlich: "Ob die von der RWE Power AG geplanten Rheinwasserentnahmen zur Befüllung der Tagebaurestseen unter diese Ausnahmen fallen, kann erst nach Abschluss des wasserrechtlichen Zulassungsverfahrens entschieden werden", teilt ein Sprecher des zuständigen Umweltministeriums mit. Gern würde man erfahren, wie es Umweltminister Oliver Krischer (Grüne) fände, wenn RWE in den kommenden Dekaden jährlich bis zu 340 Millionen Kubikmeter gebührenfrei bekäme. Oder ob er eine Gesetzesanpassung befürwortet, um genau das zu verhindern. Auf diese und andere Fragen des WDR antwortete das Ministerium jedoch nicht.

Die oppositionelle SPD zeigt für dieses Vorgehen kein Verständnis. "RWE hat am Braunkohle-Abbau jahrelang kräftig verdient. Dass der Konzern sich nun vor den Folgekosten drücken möchte, darf man nicht durchgehen lassen", findet René Schneider, der umweltpolitische Sprecher der Fraktion. Dass die Landesregierung nur auf das Zulassungsverfahren in den Behörden verweist, nennt Schneider "bemerkenswert", die Regierung wolle sich wohl "in diesem Punkt einen schlanken Fuß machen", so Schneider.