Wäre alles nach Plan gelaufen, dann hätte Bundeskanzler Olaf Scholz den versammelten Unternehmern von NRW die frohe Botschaft überbringen können - quasi frisch vom Kabinettstisch auf direktem Weg zum Unternehmertag in Düsseldorf. Dort sprach Scholz am frühen Abend.
Doch es lief anders als geplant. Ganz anders. Die Grüne Bundesfamilienministerin Lisa Paus verweigerte ihre Zustimmung zu einem milliardenschweren Steuersenkungspaket zugunsten der Wirtschaft.
Das sogenannte Wachstumschancengesetz von Finanzminister Christian Lindner (FDP) wurde am Mittwoch von der Tagesordnung des Bundeskabinetts genommen. Paus will mehr Geld für die von ihr geplante Kindergrundsicherung, bevor sie dem Konjunkturprogramm zustimmt.
Scholz will Gesetz noch im August beschließen
Beim NRW-Unternehmertag gab sich der Bundeskanzler allerdings betont optimistisch, den erneuten Streit in der Ampelkoalition zügig zu beenden: "Wir beschließen noch in diesem Monat das Wachstumsschancengesetz", sagte er in seiner Rede. "Damit bauen wir Bürokratie ab und fördern Investitionen, ganz besonders in Forschung und Entwicklung und in klimafreundliche Produktion", so Scholz weiter. Vor allem würden Unternehmen auf breiter Front steuerlich entlastet, insbesondere durch bessere Abschreibungsbedingungen. Das sorge für höhere Liquidität. "Die richtige Zeit zu investieren ist jetzt", sagte der Bundeskanzler.
Zuvor hatte Verbandspräsident Arndt Kirchhoff von Scholz "ein Machtwort" zum Wachstumschancengesetz gefordert, sein Verband "Unternehmen NRW" vertritt 80.000 Betriebe in Nordrhein-Westfalen. "Gerade jetzt können wir es uns nicht leisten, dass die Bundesregierung noch Zeit verliert".
Die leidigen Energiepreise
Bei den Wirtschaftsunternehmen in NRW hat sich die Stimmung deutlich eingetrübt. "Die Lage ist sehr ernst", sagte Kirchhoff. Im Juni hatte er der schwarz-grünen NRW-Landesregierung noch ein "insgesamt sehr ordentliches erstes Jahr" bescheinigt.
Seine Ansagen in Richtung Berlin formulierte Verbandspräsident Kirchhoff sehr klar. "Wir erwarten vom Bundeskanzler und der Bundesregierung, dass sie zwei Dinge vordringlich machen: als erstes einen wettbewerbsfähigen Industriestrompreis einführen, der muss irgendwo bei vier bis sechs Cent liegen; und gleichzeitig den Ausbau der Erneuerbaren beschleunigen. Allerdings gleichzeitig muss das passieren."
Scholz: "Kein schuldenfinanziertes Strohfeuer"
Scholz machte der versammelten Unternehmerschaft allerdings wenig Hoffnung auf staatliche Zuschüsse für Industrien mit hohen Stromkosten. "Ein schuldenfinanziertes Strohfeuer, das die Inflation wieder anheizt oder eine Dauersubvention von Strompreisen mit der Gießkanne können wir uns nicht leisten", sagte der Kanzler. Und deshalb werde es das auch nicht geben. Stattdessen werde in den Ausbau der Erneuerbaren Energien und in die Netze für Strom und Wasserstoff investiert. "Mit diesen strukturellen Verbesserungen werden wir die Strompreise Schritt für Schritt drücken können."
Kirchhoff: "Extrem besorgniserregender Zustand"
Deutschland gerate international zunehmend ins Hintertreffen, das Land sei derzeit nicht gut aufgestellt, sagte Kirchhoff in seiner Rede vor den NRW-Unternehmern. Die Wirtschaftsleistung gehe zurück, Steuern und Abgaben gefährdeten die internationale Wettbewerbsfähigkeit. Hinzu kämen der Fachkräftemangel, der inzwischen alle Wirtschaftsbereiche erfasst habe und der "extrem besorgniserregende Zustand" der Infrastruktur.
Scholz hielt dem entgegen, allein in diesem Jahr investiere der Bund 54 Milliarden Euro in die Erneuerung der Bahn, in Straßen und Brücken, in ein flächendeckendes Ladesäulennetz und in den Wasserstoffhochlauf. Für das nächste Jahr stünden weitere 58 Milliarden zur Verfügung.
Lob für Bau von LNG-Terminals
Lob sprach Kirchhoff dem Kanzler für den schnellen Bau des LNG-Terminals Ende 2022 in Wilhemshaven aus - für deutsche Verhältnisse in "geradezu unerhörter Geschwindigkeit". In diesem Tempo müsse es jetzt weiter gehen, fordert Kirchhoff - beim Verkehr, bei Windrädern, Speichern, Stromtrassen. "Herr Bundeskanzler, machen Sie das Deutschland-Tempo zu einem weltweit sichtbaren Markenzeichen deutscher Wirtschaftspolitik", sagte Kirchhoff an den anwesenden Olaf Scholz gerichtet.
Dieser hatte vor seinem Auftritt bei den Unternehmern ein "Büdchen" in Düsseldorf-Unterbilk besucht. Hier sollte es zu Gesprächen mit "normalen" Menschen kommen.