Der erlösende Anruf kam mitten in der Nacht. Als Kerstin Ronnenberg um 01:17 Uhr den Hörer abnahm, war für sie nicht nur die Nacht, sondern auch eine lange Leidenszeit zu Ende. Die Stimme am anderen Ende der Leitung teilte ihr mit, dass eine neue Lunge für sie bereitliege. Ein Jahr lang hatte Kerstin Ronnenberg sehnsüchtig und am Ende mehr und mehr verzweifelt auf diesen einen Anruf gewartet.
Neue Lunge nach zehn Jahren
Dabei begann ihre Leidenszeit schon viel früher. 2007 wurde bei ihr eine Lungenembolie festgestellt, anschließend eine Lungenfibrose. Neun Jahre später verschlechterte sich ihr Zustand so sehr, dass ihr regelmäßig Sauerstoff zugeführt werden musste.
Anfang 2017 kam sie schließlich auf die Eurotransplant-Warteliste für eine neue Lunge, die sie dann schließlich 2018 - nach dem erlösenden Anruf in der Nacht - erhielt. "Seitdem kann ich wunderbar damit leben", berichtet sie. Heute, fünf Jahre nach der rettenden Lungentransplantation, sitzt sie im Pressezentrum des Düsseldorfer Landtags neben Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU), um für das Thema Organspende zu werben.
Zahl der Organspender in NRW deutlich zurückgegangen
Und das scheint dringend nötig, die Zahl der Organspender ist weiter rückläufig. In NRW sank die Zahl der Organspender im letzten Jahr um rund 18 Prozent von 206 auf 169, während aber 1.800 Menschen in NRW auf eine lebensrettende Transplantation warten. Bundesweit warten rund 8.500 Menschen auf ein neues Organ.
"Die Entscheidung für eine Organspende kann Leben retten. Daher appelliere ich an alle Bürgerinnen und Bürger, sich mit dem Thema Organspende zu befassen und eine selbstbestimmte Entscheidung zu treffen", erklärte NRW-Gesundheitsminister Laumann. Dies könne im Fall der Fälle auch die Angehörigen entlasten, die bei einer fehlenden Willensbekundung für die Verstorbenen entscheiden müssten, so Laumann weiter.
Jeder ab 16 kann sich bereit erklären
Tatsächlich kann jeder und jede ab 16 Jahre bis ins hohe Alter Organe spenden, auch Menschen, die 70, 80 oder noch älter sind. Bei der Organspende gibt es keine Altersbegrenzung. Auch muss sich niemand zu Lebzeiten vom Arzt durchchecken lassen. Das geschieht tatsächlich erst im Falle des Todes, wenn die Hirnfunktionen erloschen sind.
Das ist in Deutschland die Voraussetzung für eine Organspende: Hier kommen nur Menschen als Spender infrage, die ursächlich an schweren Hirnschädigungen zum Beispiel nach einem Schlaganfall oder nach einem Verkehrsunfall sterben. Wer einem Herzinfarkt erliegt, was viel häufiger vorkommt, kann nicht Organspender werden.
Organspende selbst im Krankheitsfall denkbar
Wird also der Hirntod zweifelsfrei festgestellt, untersuchen Ärzte den Körper des oder der Verstorbenen. Sie checken, welche Organe entnommen werden können und ob diese gesund und funktionsfähig sind. Bei akuten Krebserkrankungen oder einer nicht behandelbaren Infektionskrankheit wie Tollwut oder auch bei einer Blutvergiftung ist eine Organspende ausgeschlossen. Bei anderen Krankheiten entscheiden Ärzte jeweils im Einzelfall.
Laumann fordert Widerspruchslösung
Um die Zahl der Organspender zu erhöhen, will sich NRW-Gesundheitsminister im Bundesrat für die Einführung einer Widerspruchslösung in Deutschland einsetzen. Bei dieser wird davon ausgegangenen, dass alle Menschen zunächst bereit sind, ihre Organe zu spenden - es sei denn, sie widersprechen dem ausdrücklich.
"Ich habe das auch mit dem Koalitionspartner besprochen, die sehen das ähnlich", erklärte Laumann. Er erwarte nun, dass sich andere Länder anschließen, damit sich der Bundesrat noch einmal der Sache annimmt. "Aber auch der inzwischen neu gewählte Bundestag muss sich erneut mit dieser Frage beschäftigen", fordert Laumann. Über die Widerspruchslösung war in der Vergangenheit schon einmal im Bundestag debattiert worden, im Januar 2020 scheiterte die Reform dort aber.
Tag der Organspende in Düsseldorf
Auf eine Million Einwohner kommen in Deutschland nur rund zehn Organspender. Die Zustimmungsrate liegt hier nur bei 15 Prozent. In anderen Ländern ist sie deutlich höher. In Spanien etwa liegt sie bei 87 Prozent. "Dort ist es gelungen, das Thema zu enttabuisieren", erklärt Oliver Grebe von der Deutschen Stiftung Organtransplantation (DSO). In Deutschland wäre es immer noch ein Tabuthema.
Um das zu ändern, laden Betroffene und Interessierte einmal im Jahr zum "Tag der Organspende". Seit 2008 findet er immer am ersten Samstag im Juni in verschiedenen Städten statt, dieses Jahr am 03. Juni in Düsseldorf. Mit dabei auf dem Düsseldorfer Schadowplatz sind unter anderem NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU), Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) sowie der Düsseldorfer Oberbürgermeister Stephan Keller (CDU).
Über das Thema berichten wir auch in den WDR Radionachrichten.