Weniger Geld, mehr Arbeit. Das sind laut einer Studie die Folgen, wenn Unternehmen ohne Tarifvertrag arbeiten. Die Untersuchung wurde von der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung in Kooperation mit dem DGB in NRW durchgeführt. Grundlage sind unter anderem Daten aus dem Bundesarbeitsministerium und vom statistischen Bundesamt.
Bereinigte Lohneinbußen von acht Prozent
Beim einfachen Vergleich von Firmen mit und ohne Tarifvertrag kommt die Studie in NRW auf durchnittliche Lohneinbußen von 18 Prozent. Die Zahl ist aber mit Vorsicht zu genießen. Denn sie unterschlägt andere mögliche Faktoren wie Branchenzugehörigkeit oder Größe des Betriebs.
Die Urheber der Studie haben diese Faktoren deshalb herausgerechnet, übrig bleibt immer noch ein Minus von knapp acht Prozent Gehalt. Außerdem würden Arbeitnehmer ohne Tarifvertrag durchschnittlich eine Stunde länger pro Woche arbeiten.
Besonders wenig Tarifbindung im Einzelhandel
Ohne Tarivertrag zu arbeiten ist also oft weniger attraktiv, gleichzeitig müssen das aber immer mehr Arbeitnehmer tun. Laut der Studie werden in NRW noch 57 Prozent der Beschäftigten nach Tarif bezahlt. Das ist zwar deutschlandweit die höchste Quote, sie sinkt aber beständig: 1996 lag sie noch bei 82 Prozent.
Unterschiedliche Branchen sind dabei unterschiedlich stark betroffen. Die Tarifbindung reicht demnach in NRW von 34 Prozent im Einzelhandel bis zu 97 Prozent in der öffentlichen Verwaltung.
Gewerkschaft für Tarifbindung bei öffentlichen Aufträgen
Der DGB fordert von der neuen Landesregierung deshalb ein wirksameres Tariftreuegesetz. "Öffentliche Aufträge sollten nur an Unternehmen vergeben werden dürfen, die tarifgebunden sind", sagt die Landesvorsitzende der Gewerkschaft, Anja Weber. Auch bei der Vergabe von Fördergeldern müsse Tarifbindung stärker berücksichtigt werden.
Die Urheber der Studie wollen außerdem, dass der Staat bestehende Tarifverträge öfter für ganze Branchen verbindlich macht. Möglich sei das schon heute, doch das Instrument werde zu selten angewandt.
Schulessen ohne Tarivertrag
Mohamed Boudih von der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten nennt als Beispiel für öffentliche Aufträge die Verpflegung von Schulkindern. Es könne nicht sein, dass die Schulspeisung von Firmen ohne Tarifbindung organisiert werde. Der Gewerkschaft seien mehrerer solcher Fälle bekannt.
"Damit wird nicht nur Lohndumping mit Steuermillionen gefördert, sondern auch Tarifflucht gestärkt", so Boudih.
Was will die mögliche neue Landesregierung tun?
Im Sondierungspapier von CDU und Grünen finden sich zu dem Thema übrigens gerade einmal drei Sätze. Man wolle bei der Vergabe von öffentlichen Aufträgen tarifgebundene Firmen bevorzugen, heißt es da unter anderem. Wo nötig werde man neue Regeln schaffen.
"Der Ansatz ist gut", sagt dazu Anja Weber vom DGB. "Aber er darf konkretisiert werden."
Kritik kommt aus der Wirtschaft
Kritik an dem DGB-Vorstoß kommt dagegen aus der Wirtschaft. So warnt die Landesvereinigung der Unternehmensverbände NRW vor einem "Bürokratiemonster". Schon das frühere Tariftreuegesetz unter der rot-grünen Landesregierung hätte überflüssige Kosten und einen erheblichen Mehraufwand für Unternehmen und öffentliche Hand verursacht.
Die schwarz-gelbe Nachfolgeregierung hatte das Gesetz 2018 dann wieder deutlich verschlankt.