"Der Andrang auf die Impfungen ist enorm", fasst es Infektiologe Daniel Gillor trocken zusammen. Er arbeitet in einer Praxis in Köln die schwerpunktmäßig Infektions- und Geschlechtskrankheiten behandelt und einige Impfdosen gegen die Affenpocken vom Land Nordrhein-Westfalen erhalten hat. "Unsere Warteliste ist lang, und es gibt insgesamt schätzungsweise 800 bis 1.000 Leute die wir in Behandlung haben, für die eine Impfung sinnvoll ist."
Auch eine zweite Schwerpunktpraxis in Köln teilt auf WDR-Anfrage mit: „Der Andrang ist sehr groß“. Ebenso berichtet die Universitätsklinik Düsseldorf von vielen Anfragen an ihre Infektiologen zur Affenpocken-Impfung.
Große Nachfrage, wenig Impfstoff
Nun hat das Land eine erste Bilanz vorgelegt: Knapp 1.800 Menschen wurden in NRW bis Ende Juli gegen die Affenpocken geimpft. Die Zahlen würden zeigen, dass die Impfungen „schnell und gut angelaufen“ seien, sagte ein Sprecher des NRW-Gesundheitsministeriums. Allerdings ist damit immer noch ein beträchtlicher Teil der Risikogruppe im Land ohne Impfschutz.
Denn aktuell können Gillor und andere Mediziner der großen Nachfrage nur mit einem kleinem Kontingent Dosen begegnen - in NRW steht schlichtweg wenig Impfstoff zur Verfügung. Rund 8.600 Dosen hat das Land bislang über den Bund erhalten. Etwa 5.800 davon, so teilt das NRW-Gesundheitsministerium auf WDR-Anfrage mit, hat es bislang an die fünf Regierungsbezirke in NRW verteilt. Der Großteil davon ging an den Regierungsbezirk Köln. Damit stehen dem Land derzeit noch rund 2.800 Dosen zur Verfügung.
Warten auf die Lieferung vom Bund
Nach Angaben des Gesundheitsministeriums gibt es schätzungsweise aber etwa 28.000 Menschen in NRW, die ein besonderes Risiko mit Bezug zu den Affenpocken haben und daher möglichst zeitnah eine Impfung erhalten sollten. Das Robert-Koch-Institut (RKI) schätzt gegenüber dem WDR die Risikogruppe in NRW ähnlich groß ein. Für die Impfung ist in der Regel nach der ersten Spritze noch eine zweite – zeitlich versetzte – Dosis notwendig. Also werden etwa 56.000 Impfdosen benötigt, wenn alle diese Menschen vollständig immunisiert werden sollen.
Der derzeitige Bestand des Landes deckt diese Menge nicht ansatzweise ab – und aktuell sieht es so aus, als ob auch die nächste Lieferung des Bundes das Problem nicht lösen können wird. Das Land, so teilt es das NRW-Gesundheitsministerium auf WDR-Anfrage mit, soll etwa 40.000 weitere Impfdosen gegen die Affenpocken erhalten – bis spätestens Ende September. Ein konkreterer Termin stehe noch nicht fest, sagte ein Sprecher.
Doch auch mit den vorherigen rund 8.600 Impfdosen zusammengerechnet erreicht dieses Kontingent nicht die Schwelle von 56.000. Zumindest ein Teil der Risikogruppe wird also wohl bis mindestens in den Oktober hinein nicht oder unvollständig immunisiert bleiben.
Wer zählt zur Risikogruppe?
Die Ständige Impfkommission (STIKO) sieht in der Affenpocken-Risikogruppe insbesondere „Männer, die Sex mit Männern haben und dabei häufig die Partner wechseln“. Eine RKI-Sprecherin wird in einer Antwort an den WDR detaillierter: „Männer mit HIV-Prognose“, „Männer mit PrEP-Nutzung“ (vereinfacht gesagt: Männer, die Medikamente einnehmen, um einer HIV-Infektion vorzubeugen), sowie Männer die in den letzten zwölf Monaten „kondomlosen Analverkehr“ mit mehr als zwei Partnern hatten.
Tatsächlich ereignet sich der Großteil der Affenpocken-Infektionen derzeit in der schwulen Community – allerdings weisen Experten daraufhin, dass sexuelle Kontakte bzw. enger Körperkontakt auch bei Frauen und Heterosexuellen zu einer Infektion führen können. Tendenziell ist eine Übertragung des Affenpocken-Virus auch über kontaminierte Gegenstände und große Tröpfchen in der Luft möglich.
Bislang rund 650 Infizierte in NRW
In Nordrhein-Westfalen haben sich bislang rund 650 Menschen mit den Affenpocken infiziert. Symptome der Affenpocken sind typischerweise bläschenartiger Ausschlag sowie Fieber, Kopfschmerzen und allgemeine Erschöpfung. Allerdings kann die Infektion auch so milde verlaufen, dass sie unentdeckt bleibt. Am anderen Ende des Spektrums sind, in seltenen Fällen, auch tödliche Verläufe möglich.
Das NRW-Gesundheitsministerium weist darauf hin, dass das RKI die Gefährdung für die breite Bevölkerung durch Affenpocken als gering einschätze.