Staatskanzlei-Sanierung: Wann wusste Optendrenk vom Korruptionsverdacht?

Stand: 23.01.2025, 15:48 Uhr

Der Staatssekretär war frühzeitig informiert. Finanzminister Optendrenk erfuhr aus den Medien davon. SPD und FDP haben Zweifel.

Von Sabine Tenta

Nach einer Sondersitzung zu den Korruptionsvorwürfen befasste sich am Donnerstag der Haushaltsausschuss des NRW-Landtags mit dem Thema. Das Finanzministerium legte zwar einen ausführlichen Bericht vor - aber die Opposition hatte dennoch viele Fragen an Minister Marcus Optendrenk (CDU).

Darum geht es

Die Staatsanwaltschaft und das Landeskriminalamt ermitteln wegen des Verdachts der Untreue, Bestechung und versuchter Erpressung im Zusammenhang mit der Sanierung der NRW-Staatskanzlei in Düsseldorf. Konkret geht es um überhöhte Rechnungen für Leuchten. Im Fokus der Ermittler stehen unter anderem Beschäftigte des landeseigenen Bau- und Liegenschaftsbetriebs NRW (BLB) sowie Mitarbeiter eines Architekturbüros und eines Leuchtenherstellers. Nach aktuellen Ermittlungen entstand dem BLB ein Schaden von 2,34 Millionen Euro. Die Dienstaufsicht des BLB liegt beim Finanzministerium.

Geht vom Finanzminister eine "Verdunklungsgefahr" aus?

Laut Darstellung des Finanzministeriums wurde der Staatssekretär des Hauses bereits Ende Oktober 2023 über die Verdachtsfälle und die staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen informiert. Sein unmittelbarer Vorgesetzter, Finanzminister Optendrenk, gab an, erst durch die Eilmeldungen in den Medien von den Vorgängen erfahren zu haben. Am 14.01.2025 fanden unter anderem in den Geschäftsräumen des BLB Durchsuchungen der Polizei statt. Stefan Zimkeit (SPD) und Ralf Witzel (FDP) wollten wissen, warum der Staatssekretär nicht den Minister informierte.

Marcus Optendrenk schilderte daraufhin den standardisierten Informationsweg im Ministerium: Er reiche von der Innenrevision des BLB über die Innenrevision des Finanzministeriums, über die Abteilungsleitung zum Staatssekretär. "Um Verdunklungsgefahr zu vermeiden, werden andere bewusst nicht informiert." Die Opposition hakte erneut nach.

Optendrenk entgegnete, dass das standardisierte Verfahren eingehalten wurde, "ist etwas, das uns ehrt" und schlussfolgerte: "Ich halte das für ein absolutes Qualitätsmerkmal." Staatssekretär Dirk Günnewig (CDU) konnte zur Informationskette im Ministerium nicht in der Sitzung befragt werden, denn er nahm nicht teil.

Bericht der Innenrevision des BLB: Ausweitung des Skandals?

Im Ausschuss ging es auch immer wieder um Verfahrensfragen, also welche Informationen öffentlich sind und welche vertraulich. So wurde den Ausschuss-Mitgliedern gestern Abend in einer vertraulichen Mail auch der 75-seitige Bericht der Innenrevision des BLB zugeschickt. Finanzminister Optendrenk hatte keine Bedenken, diesen Bericht künftig auch öffentlich zu machen.

Der Kölner Stadt-Anzeiger meldet unter Berufung auf diesen (noch) nicht öffentlichen Bericht, dass das beschuldigte Architekturbüro "noch weitere Aufträge im Zusammenhang mit der Staatskanzlei ohne Ausschreibung überlassen worden sein" sollen. Dazu gehörten die Verantwortung für die Instandhaltung, die Fassadendämmung sowie der Bereich "Nutzerwünsche". Konkurrenzangebote seien nicht eingeholt worden. All das habe eigentlich ausgeschrieben werden müssen. Nicht auszuschließen sei, dass dadurch "weitere finanzielle Unregelmäßigkeiten und politische Verantwortlichkeiten" zutage treten könnten.

Fünf-Punkte-Plan des Finanzministeriums

Im Ausschuss legte Finanzminister Optendrenk den Abgeordneten auch einen "Fünf-Punkte-Plan" vor, der als Reaktion auf die Korruptionsermittlungen umgesetzt werde. Dazu gehört die Beauftragung einer unabhängigen Wirtschaftsprüfungskanzlei. Sie soll "alle internen Kontrollmechanismen und Compliance-Systeme des BLB NRW" überprüfen. Die Jahresabschlüsse des BLB werden zudem einer erneuten Prüfung unterzogen. Die BLB-interne Prüfung wird auf alle Projekte des landeseigenen Betriebs ausgeweitet und die Führungskräfte erhalten eine Sonderschulung.

Und es wurden "personalrechtliche Sofortmaßnahmen" ergriffen: Für alle Beschuldigten des Landesbetriebs wurde der BLB-Systemzugang gesperrt, eine beschuldigte Person wurde freigestellt, die anderen "umgesetzt".

Knapp zwei Stunden dauerte die Befassung mit diesem Tagesordnungspunkt im Haushaltsausschuss. Es wird nicht das letzte Mal gewesen sein. Finanzminister Optendrenk sicherte den Abgeordneten zu, ihnen "so schnell wie möglich" alle relevanten Informationen zur Verfügung zu stellen.

Zum Hintergrund: Die Staatskanzlei, die Sanierung und die Verdachtsfälle

Das Gebäude, in dem die NRW-Staatskanzlei untergebracht ist, das "Landeshaus Düsseldorf" gehört dem landeseigenen Bau- und Liegenschaftsbetrieb NRW (BLB). Die Staatskanzlei ist Mieterin. 2017 entschied der damalige NRW-Ministerpräsident Armin Laschet (CDU), dass die Staatskanzlei ins Landeshaus umzieht.

Die Kosten für die seit 2018 laufende Sanierung sind in den letzten Jahren immer wieder gestiegen. Die ermittelnde Staatsanwaltschaft Wuppertal geht davon aus, dass mit den mutmaßlich kriminellen Vorgängen "voraussichtlich eine erhebliche Steigerung der Sanierungskosten" einherging.

Die Staatsanwaltschaft ermittelt gegen sieben Hauptverdächtige, fünf Männer und zwei Frauen im Alter von 36 bis 69 Jahren. Vier von ihnen arbeiten für den BLB. Involiert sind ferner ein Architekturbüro und der Geschäftsführer eines Leuchtenherstellers. Der Verdacht bezieht sich auf folgende Delikte:

  • Bestechung und Bestechlichkeit (§ 332,334 StGB)
  • wettbewerbsmäßige Absprachen bei Ausschreibungen (§ 298 StGB)
  • Untreue (§ 266 StGB)
  • Betrug (§ 263 StGB)
  • Bestechung und Bestechlichkeit im geschäftlichen Verkehr (§ 299 StGB)
  • versuchte Erpressung (§ 253 StGB)

Die Chronologie der Ermittlungen

Aus einem Bericht des Finanzministeriums für den Haushaltsausschuss und einem Bericht des Leitenden Oberstaatsanwalts ergibt sich folgender Ablauf der Ereignisse: Im Oktober 2023 gehen bei der Staatsanwaltschaft zwei Anzeigen ein: Am 16.10.2023 eine Anzeige von einem Unternehmer, der Leuchten für die Staatskanzlei lieferte, und eine zweite am 24.10.2023 durch den BLB.

Ein externer Whistleblower hatte am 26.09.2023 den externen Antikorruputionsbeauftragten des BLB eingeschaltet. Der Whistleblower sollte am Mehrgewinn durch Betrug beteiligt werden. Konkret sollte ein Mehrkostennachtrag für Leuchten beim BLB gestellt werden, mit der Begründung, dass es mittlerweile einen Designschutz für diese Leuchten gebe.

Die Compliance-Abteilung des BLB NRW wurde informiert und beauftragte am 09.10.2023 die Interne Revision des BLB mit einer Prüfung. Am 23.10.2023 wurde die Innenrevision des Finanzministeriums informiert. Einen Tag später erfolgte dann die Korruptionsverdachtsanzeige seitens des BLB beim Landeskriminalamt.

Am 27.10.2023 informierte die Innenrevision des Finanzministeriums den Staatssekretär über den Vorgang. Am 14.01.2025 wurden von der Staatsanwaltschaft Wuppertal Durchsuchungen in 42 Objekten sowie beim BLB durchgeführt. Finanzminister Marcus Optendrenk (CDU) gab an, erst durch Eilmeldungen in den Medien von den Vorgängen erfahren zu haben.

Betrugsverdacht bei Sanierung Staatskanzlei WDR 5 Westblick - aktuell 14.01.2025 05:10 Min. Verfügbar bis 14.01.2026 WDR 5

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Unsere Quellen:

Über dieses Thema berichten wir am Donnerstag auch im WDR-5-Landesmagazin Westblick ab 17.04 Uhr.