Suche nach dem zweiten Nationalpark Aktuelle Stunde 11.08.2023 29:44 Min. UT Verfügbar bis 11.08.2025 WDR Von Michael Hoverath

Bekommt NRW einen zweiten Nationalpark?

Stand: 11.08.2023, 06:00 Uhr

NRW-Umweltminister Oliver Krischer hat zu einer Nationalpark-Konferenz geladen. Er will die Menschen für die Suche nach geeigneten Gebieten begeistern. Doch die Idee hat nicht nur Freunde.

Von Philip Raillon

Die Plätze für Teilnehmer waren seit Tagen alle vergeben. Die Nationalpark-Konferenz des Landesumweltministeriums an diesem Freitag stieß auf großes Interesse. Das Ganze sollte ein Netzwerk- und Werbetreffen werden. Umweltminister Oliver Krischer (Grüne) hatte dazu auch Experten vom Bundesamt für Naturschutz oder vom Nationalpark Bayrischer Wald eingeladen.

Mit dabei waren aber auch Vertreter aus der Eifel. Der dortige Nationalpark ist der bislang einzige in NRW. Er besteht nun seit fast zwanzig Jahren und gilt der Landesregierung als Blaupause. Dort leben rund 12.000 heimische Arten, viele von ihnen sind vom Aussterben bedroht. Jährlich kommen rund eine Millionen Besucher in den Nationalpark.

Mit zweitem Nationalpark für mehr Biodiversität

Oliver Krischer (Grüne) | Bildquelle: xThomasxTrutschel/photothek.dex

"Das macht deutlich, welchen Vorteil ein solches Schutzgebiet für die natürliche Entwicklung und den Schutz der Artenvielfalt hat", heißt es aus dem Umweltministerium. Das Ziel sei der Kampf gegen die Biodiversitätskrise - also das weltweite Artensterben. In den Worten das NRW-Umweltministers klingt das so:

"In Zeiten, wo überall Bäume sterben, sind Nationalparke Labore der Natur." Oliver Krischer (Grüne), NRW-Umweltminister

Das Stichwort ist Biodiversität. Die Artenvielfalt ist aktuell stark bedroht, viele Tiere sind vom Aussterben bedroht. Der Nationalpark Eifel mit seinen fast 12.000 Tierarten, ist bundesweit einer der viefältigsten Parks, erklärt das Bundesamt für Naturschutz auf der Konferenz in Düsseldorf.

Tourismus könnte von neuem Nationalpark profitieren

Neben Tieren und Pflanzen, die ohne größere Eingriffe in einem Nationalpark leben können, profitiert nach bisherigen Erfahrungen der örtliche Tourismus - und damit Gastronomen und Hoteliers.

Nach der Auftaktveranstaltung an diesem Freitag soll bald ein Verfahren beginnen, in dem sich interessierte Regionen bewerben können. Welche das sind? Aus dem Ministerium gibt es dazu keine Vorfestlegung. "Dieser Prozess soll ergebnisoffen und landesweit durchgeführt werden." Auch der zeitliche Horizont sei noch nicht ganz klar.

Nationalpark Senne ist wohl Geschichte

Offenbar hat man aus der Vergangenheit gelernt. Schon 1991 hatte der Landtag einstimmig beschlossen, das Gelände des Truppenübungsplatzes Senne bei Bielefeld nach der militärischen Nutzung zu einem Nationalpark zu machen. Später wurde das von der Politik bestätigt. Über Jahrzehnte blieb sie am Ball, ein aufwändiges und umfangreiches Gutachten wurde geschrieben. Und doch scheiterten die Planungen – zunächst am Widerstand vor Ort, unter anderem aus der Wirtschaft.

Mittlerweile gibt es aber ein neues Problem: Das britische Militär möchte doch nicht mehr aus der Senne abziehen und den Truppenübungsplatz aufgeben. Seit dem Ukraine-Krieg dürfte sich das Vorhaben daher vorerst erledigt haben.

Kommt der Nationalpark Eggegebirge?

Interesse gibt es aber vermehrt etwas weiter östlich in Westfalen. Im Bereich des Eggegebirges, östlich von Paderborn, besteht seit Längerem Interesse am Projekt Nationalpark. Die beiden Landschaftszüge Egge Nord und Egge Süd wären zwar lang gestreckt, aber wohl in der Summe ausreichend groß, um auf über 10.000 Hektar Wald zu kommen – in der Regel die notwendige Fläche für einen international anerkannten Nationalpark.

Auch ein Verein haucht der Idee vor Ort Leben ein. Ablehnung ist hingegen aus der Lokalpolitik zu hören. So hat sich die CDU in Höxter vor wenigen Tagen gegen die Errichtung eines Nationalparks Egge ausgesprochen.

Die Argumentation: Das Eggegebirge sei schon gut geschützt, gleichzeitig sei es von einer ICE-Trasse und mehreren großen Straßen durchschnitten und daher nicht für einen Nationalpark geeignet. Außerdem befürchtet die Kreis-CDU, dass in einem Nationalpark weniger gejagt werden könnte und Wildschäden zunehmen.

Auch die Holzwirtschaft ist gegen den Park. "Für die Region ist der Landesbetrieb Wald & Holz NRW ein wichtiger Holzlieferant", sagt Lukas Freise, Geschäftsführer der Arbeitsgemeinschaft Rohholz vom Branchenverband der Holzindustrie. Ein Großteil der staatlichen Wälder wäre aber dann Nationalpark und könnte nicht mehr bewirtschaftet werden.

Außerdem, so der Branchenverband, würde bewirtschafteter Wald mehr CO2 binden als der alte Waldbestand eines Nationalparks. Ein weiterer Kritikpunkt: in einem Nationalpark dürfen keine Windräder errichtet werden, gerade Wälder seien dafür aber gut geeignet.

Menschen vor Ort mitnehmen

Die Landesregierung hofft für den neuen Anlauf dennoch auf eine Graswurzelbewegung. "Wir wollen die Menschen vor Ort mitnehmen, denn sie profitieren von der Errichtung eines zweiten Nationalparks und sie füllen eine Nationalpark-Idee auch erst mit Leben", so das Umweltministerium auf WDR-Anfrage. Warum dabei keine Ausrichtung auf das potentiell in Frage kommende Egge-Gebiet stattfindet – dazu will das Ministerium nichts sagen. Genau das fordert aber die SPD-Fraktion im Landtag. Der Minister müsse endlich sagen, welche Gebiete die Landesregierung in Betracht zieht.

Genau da setzt aber die Kritik der NRW-Umweltverbände NABU, BUND und LNU an. Sie erhoffen sich zwar von der Nationalpark-Konferenz mehr Klarheit und Informationen zum Prozedere. Sie halten die Egge aber für den geeigneten zweiten Nationalpark in NRW. Das Gebiet sei schon jetzt weitestgehend naturgeschützt und es gäbe dort die beiden größten Wildnisgebiete in NRW, so die Verbände in einem gemeinsamen Statement. Sie hoffen daher, dass bald das Eggegebirge zu einem Nationalpark wird. Dort leben etwa viele Fledermausarten und die Landschaft ist von Höhlen geprägt.

Opposition hält NRW für zu stark zersiedelt

Das Problem generell: Nordrhein-Westfalen ist stark zersiedelt. Es gibt kaum in Frage kommende, schützenswerte Flächen, die groß genug für einen Nationalpark sind. Aus diesem Grund lehnen auch FDP- und AfD-Fraktion im Landtag das Vorhaben der Landesregierung ab.

Ähnliche Töne sind von den Waldbauern zu hören. Ihre Privatwälder würden zwar nicht direkt zum Nationalpark gehören, seien aber womöglich mittelbar durch Schutzvorschriften betroffen. Und in einem Nationalpark könnten sich ungehindert Schädlinge ausbreiten, die dann auch im angrenzenden Privatwald wüten könnten, so die Sorge.

Klar ist vor der Konferenz eigentlich nur eins: Egal, welche Regionen am Ende ihre Landschaften in den Ring werfen – es wird noch viele Diskussionen geben.

Über dieses Thema berichtet der WDR am Freitag, 11.8.23 u.a. im Morgenecho auf und im Westblick WDR 5.