Manuela Kirchmeyer ist vor wenigen Tagen ausgestiegen und hat zum Ende des Halbjahres eine erste Klasse abgegeben. Nach 14 Jahren als Grundschullehrerin fiel ihr das nicht leicht, weil sie "mit dem Herzen" in diesem Beruf gearbeitet habe. Doch genau das habe sie zermürbt – immer das Gefühl, den Kindern nicht gerecht werden zu können, beschreibt Manuela Kirchmeyer den Grundschulalltag. Sie hatte mehr als 10 Jahre an einer Schule im Duisburger Norden gearbeitet, in einem sozial benachteiligten Stadtteil.
Zu große Klassen - zu wenig Personal
An den Grundschulen sind oft mehr als 27 Kinder in einer Klasse. Manche mit Fluchtgeschichte, die kein Deutsch sprechen, manche mit Förderbedarf, der noch gar nicht festgestellt wurde. Manuela Kirchmeyer hat auch Gewalterfahrungen machen müssen, zum Beispiel als ein Kind plötzlich um sich geschlagen habe.
"Die Gewissheit, dass ich in dieser Riesenmenge von Kindern, für die ich ja allein verantwortlich bin, diesem Kind gerade gar nicht so helfen kann. Das ist schon sehr kräftezehrend", sagt Manuela Kirchmeyer rückblickend. Oft ist die Lehrkraft allein in der Klasse, Unterstützung durch Sonderpädagogen gibt es nur ab und an.
Kündigungen in zehn Jahren mehr als verdreifacht
Manuela Kirchmeyer ist längst kein Einzelfall mehr. Waren es 2013 noch nur 299 so genannte Dienstaustritte von verbeamteten Lehrkräften und angestelltem Schulpersonal, so sind diese 2023 auf 930 gestiegen. Im Jahr davor waren es 798. Schulministerin Dorothee Feller (CDU) sieht darin eine leichte Steigerung, findet die Zahlen aber nicht auffällig. Es sei heute so, dass junge Menschen nicht mehr auf Dauer bei einem Arbeitgeber bleiben würden. Das sehe man auch in der Privatwirtschaft, so Feller.
Aussteiger wie Esther Rieping aus dem Münsterland verstehen nicht, warum die Ministerin oder die Bezirksregierungen nicht nach den Gründen für die Kündigungen gefragt hätten. Das interessiere offenbar keinen, so die Lehrerin.
Die meisten Kündigungen im Regierungsbezirk Düsseldorf
Dem WDR liegen erstmals auch Zahlen für die einzelnen Regierungsbezirke vor: Danach haben im letzten Jahr im Regierungsbezirk Düsseldorf mit 278 die meisten den Schuldienst quittiert. Das überrascht nicht, denn dazu zählt das Ruhrgebiet mit vielen benachteiligten Stadtteilen. Gerade dort sind viele Lehrerstellen unbesetzt, was die Belastung für die anderen erhöht. Im Regierungsbezirk Detmold gab es mit 105 die wenigsten Kündigungen.
Ausstiegscoaching für Lehrkräfte boomt
Viele Lehrkräfte scheuen sich davor die Sicherheit des Beamtenstatus aufzugeben. Auch Ester Rieping hatte lange gezögert. Für sie sei ein Anschlussjob wichtig gewesen, weil sie Sicherheit gerne habe, so Esther Rieping, die sich jetzt als Beraterin um Kinder mit Lernschwächen kümmert.
Bevor sie im September nach 20 Jahren als verbeamtete Grundschullehrerin ausgestiegen ist, hatte sie sich Hilfe geholt beim "Schulfrei Campus" in Königswinter. Betreiberin Isabell Probst, selbst ehemalige Gymnasiallehrerin, bekommt immer mehr Anfragen. "Die Kundenzahlen gehen kontinuierlich nach oben", so Probst. Im letzten Jahr waren bei ihr 700 Personen im Coaching, hatte es 1500 Erstgespräche gegeben.
Versprochene Entlastungen an Grundschulen wirken noch nicht
Schulministerin Dorothee Feller hatte Entlastung versprochen. 1200 Alltagshelfer gibt es inzwischen. Aber damit hat noch nicht mal jede zweite Grundschule eine solche Unterstützung. Und, die müssten auch erst eingearbeitet werden, sagt der Leiter der Regenbogenschule in Duisburg-Marxloh, Haris Kondza. Das bedeute zunächst Mehrarbeit, Entlastung käme dann erst mittelfristig.
Opposition wirft Schulministerin Untätigkeit vor
"Wie viele Lehrkräfte müssen noch ihren einstigen Traumberuf an den Nagel hängen, damit die NRW-Landesregierung reagiert", fragt Franziska Müller-Rech, schulpolitische Sprecherin der FDP-Landtagsfraktion. Ministerin Feller sei mit ihrem Handlungskonzept zur Unterrichtsversorgung gescheitert. Die FDP fordert deshalb eine Personaloffensive.
Auch die SPD sieht keine Verbesserungen. Das was den Schulen angeboten werde, sei eher noch eine weitere Belastung, kritisiert die schulpolitische Sprecherin Dilek Engin (SPD). Studien würden zeigen, dass viele Lehrkräfte überfordert seien, aber ein vernünftiges Gesundheitsmanagement finde nicht statt.
Darüber berichtet der WDR auch im Fernsehmagazin Westpol am 11.2.2024 ab 19:30 Uhr und im Hörfunk, in der WDR 5-Sendung Westblick, am 12.2.2024, ab 17:05 Uhr.