Seit Wochen wird darüber spekuliert, wie es mit dem von Klimaaktivisten besetzten Ort Lützerath am Braunkohletagebau Garzweiler weitergeht. Am Ende wird es wohl auf eine Räumung hinauslaufen, an der dann auch die Polizei beteiligt ist. Und tatsächlich wurde nun das entsprechende Prozedere dafür auf den Weg gebracht.
NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) sagte am Donnerstag im Landtag, dass er gemeinsam mit Wirtschaftsministerin Mona Neubaur (Grüne) einen Brief an den Kölner Regierungspräsidenten verschickt habe. Darin enthalten sei die Bitte, die "Energieversorgungssicherheit mit ordnungsbehördlichen Mitteln zu gewährleisten". Reul erklärte den Sinn dahinter so: "Also zu deutsch: die Räumungsverfügung auf den Weg zu bringen."
Land, Bezirksregierung, Stadt - erst danach kommt die Polizei ins Spiel
In einem nächsten Schritt werde der Regierungspräsident nun auf den Kreis Heinsberg und die Stadt Erkelenz zugehen und die "weiteren notwendigen Maßnahmen veranlassen". Am Ende werde es eine Verfügung der Stadt geben. "Erst danach kommt die Polizei ins Spiel - wenn nämlich die Stadt Erkelenz um Vollzugshilfe durch die Polizei bittet", so Reul.
Landesregierung will laut Reul "deeskalieren"
All das weckt Erinnerungen an den gewaltigen Polizeieinsatz im Hambacher Forst vor vier Jahren, wo es zu Ausschreitungen gekommen war. Der Innenminister hat am Donnerstag an die Besetzer in Lützerath appelliert, dass es nicht so weit kommt. "Lassen Sie sich nicht radikalisieren. Lassen Sie es nicht eskalieren. Sorgen Sie dafür, dass das Bild derjenigen, die sich für das Klima einsetzen, nicht ein Bild von randalierenden Extremisten und Gewalttätern ist", sagte der CDU-Politiker. Die Landesregierung werde "alles tun, um die Situation zu deeskalieren".
Es gebe ein Recht auf friedlichen Protest und niemand werde dadurch kriminalisiert. "Aber es gibt und es gab Versuche von Linksextremisten, diesen friedlichen Protest zu unterwandern. Und gegen diese Extremisten, gewaltbereiten Gruppierungen und diejenigen, die sich mit ihnen solidarisieren, werden wir entschieden vorgehen", so Reul. Es werde nicht geduldet, dass "unter dem Deckmantel von Klimaprotesten mit Gewalt Stimmung gegen den Staat gemacht wird".
Der Minister verwies darauf, dass RWE das Recht habe, die Kohle unter Lützerath abzubaggern. Von Gerichten sei das bestätigt worden. Die Braunkohle werde für die Versorgungssicherheit benötigt. Ein Einsatz vor Ort werde nun "gründlich" vorbereitet.
Räumung in einem Zug mit Großeinsatz
Forderungen aus den Reihen der Opposition, nun schnell zu handeln, erteilte Reul eine Absage. Experten rieten "dringend" davon ab, scheibchenweise mit einzelnen Einsätzen vorzugehen. "Am Ende muss Lützerath leer sein und das geht nur mit einem Gesamteinsatz." Ansonsten werde sofort wieder besetzt und "wir fangen von vorne an".
Aachens Polizeipräsident hat einen Einsatz noch in diesem Jahr ausgeschlossen. In den Häusern von Lützerath, deren einstige Bewohner bereits weggezogen sind, halten sich Besetzer auf, die um den Ort "kämpfen" wollen.
FDP fordert schnelles Handeln
Die FDP im Landtag forderte am Donnerstag in einem Antrag: "Die Landesregierung muss alles unternehmen, damit in Lützerath kein Hambacher Forst 2.0 entsteht". Der innenpolitische Sprecher Marc Lürbke sagte: "Ich habe die große Sorge, dass der friedliche und bürgerliche Protest momentan ganz gezielt in Lützerath als Einfallstor für die radikale und linksterroristische Szene missbraucht wird." Die Behörden ließen sich mit einer Räumung zu viel Zeit.
Der SPD-Abgeordnete und Polizist Andreas Bialas mahnte eine gründliche Vorbereitung der erwartbaren Auseinandersetzung zwischen Polizei und Besetzern an. An Reul richtete er den Appell: "Stehen Sie zu dem möglichen Räumungsbefehl und stehen Sie zu den Personen, die dann in ihrem Auftrag diese Drecksarbeit machen müssen." Der AfD-Abgeordnete Christian Loose warnte vor Zugeständnissen an "Erpresser" der Klimaschützer-Szene.
Über dieses Thema berichtete der WDR Hörfunk am 24.11.2022 um 16:00 in "WDR aktuell".