Es war ein langer, zäher Prozess. Jetzt, nach sechs Jahren Planung, steht fest, welche Leistungen künftig in welchen Kliniken NRWs angeboten werden. Viele Krankenhäuser hatten seit Monaten gezittert. NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) stellte am Dienstag den ausgearbeiteten Verteilungsplan vor.
Das Ziel der neuen Krankenhausplanung, die am 1. April 2025 in Kraft treten soll: Nicht mehr jedes Krankenhaus soll alles anbieten und abrechnen können. Medizinische Leistungen - wie etwa Hüft- oder Herz-OPs, Krebsbehandlung oder Geriatrie - werden gezielt aufs Land verteilt. Damit sollen "Doppelstrukturen und schädlicher Wettbewerb" abgebaut werden.
Erstmals, so der Gesundheitsminister, werde die Krankenversorgung nicht mehr über Bettenzahlen, sondern über Bedarfe und Fallzahlen berechnet.
Das sind die wichtigsten Ziele des neuen Krankenhausplans:
- Die Qualität der stationären Versorgung – sowohl in der Grund- als auch in der Spezialversorgung – soll verbessert werden.
- 90 Prozent aller Menschen sollen in höchstens 20 Autominuten ein Krankenhaus der "Grund- und Regelversorgung" mit Innerer Medizin, Notaufnahme, Chirurgie und Intensivstation erreichen können.
- Jedes Krankenhaus soll die sogenannte "Grund- und Regelversorgung" anbieten, darüber hinaus je nach Möglichkeit Fachgebiete.
- Die Verteilung solcher Fachgebiete - zum Beispiel Kardiologie, Onkologie oder Geriatrie - richtet sich danach, wo bereits spezialisierte Abteilungen vorhanden sind, aber auch nach regionalen Aspekten, sodass eine gleichmäßige Versorgung der fünf Regierungsbezirke in NRW gewährleistet ist.
- Krankenhäuser werden nicht mehr anhand ihrer Bettenzahl geplant und finanziert werden, sondern nach Fällen und vorhandenen Stärken.
Der neue Plan stelle sicher, "dass die Patientinnen und Patienten in Nordrhein-Westfalen die bestmögliche Versorgung erhalten und die Grund- und Notfallversorgung überall im Land gut erreichbar ist", sagte Laumann. Rund 2,5 Milliarden Euro stellt das Land für die Umsetzung bereit. Die ersten Zusagen über insgesamt 409 Millionen Euro an acht Krankenhäuser seien bereits erfolgt.
Befragung aller Krankenhäuser
Zuvor hatte das Ministerium nach eigenen Angaben alle Krankenhäuser im Land abgefragt. Im Sommer hatte Laumann berichtet, dass viele Kliniken sich gewünscht hatten, lukrative Knie- und Hüftoperationen anbieten zu können - offenbar weit mehr als der tatsächliche Bedarf erfordert. So hätten beispielsweise 236 Kliniken Hüftoperationen machen wollen, künftig dürfen das aber nur 137.
Entschieden worden sei die Vergabe entlang drei Kriterien: Expertise - gemessen an bisherigen Fallzahlen zu bestimmten Behandlungsgebieten -, technische Ausstattung und vorhandenes Personal. So könnten Patienten "sicher sein, dass sie in einem Krankenhaus versorgt werden, das auf den jeweiligen Eingriff gut vorbereitet ist und über ausreichend Erfahrung und Routine verfügt", sagte Laumann. Insgesamt 308 Krankenhäuser listet der Krankenhausplan NRW jetzt. Einige haben mehrere Standorte, sodass es insgesamt 527 Häuser über NRW verteilt sind.
Keine konkreten Zahlen zu Abteilungs-Schließungen
Mit diesen Zahlen listet das Gesundheitsministerium allerdings nur auf, wie viele Kliniken sich jeweils für einen Fachbereich beworben hatten, wie viele den Zuschlag bekamen und wie hoch die Differenz ist. Bei der Frage nach konkreten Angaben, wie viele Krankenhäuser beispielsweise ihre Hüft-Operationen oder die Gefäßchirurgie dicht machen müssen, antwortete Laumann auf der Pressekonferenz ausweichend. "Das kann man gar nicht sagen", meinte er, es sei eher "ein Geben und Nehmen".
Eine Ministeriumssprecherin erklärte später auf Nachfrage, dass die Ist-Zahlen dazu, welche Behandlungen wo angeboten werden, "Geschäftsgeheimnis der Krankenhäuser" seien.
"Schmerzhaften Veränderungen"
Krankenhäuser in NRW stünden jetzt vielerorts vor "deutlichen und teils auch schmerzhaften Veränderungen", sagte Sascha Klein, Vize-Präsident der Krankenhausgesellschaft Nordrhein-Westfalen (KGNW). Für manche bedeute das Umsatzeinbußen in Millionenhöhe. Aber: "Wir sind zum Wandel bereit." Entscheidend für eine stabile Krankenhausversorgung sei auch, dass für die Transformationskosten, die durch die Schließung von Abteilungen und ganzen Standorten entstehen, eine finanzielle Lösung gefunden werde.
SPD: "20 Minuten-Erreichbarkeit nicht machbar"
Die Reform sei mit den 2,5 Milliarden Euro "hoffnungslos unterfinanziert", sagt Thorsten Klute, gesundheitspolitischer Sprecher der SPD-Fraktion. Sieben Milliarden Euro würden tatsächlich gebraucht - etwa für neue Gebäude, Operationsräume, "medizinische Spitzentechnologie". Auch die von Minister Laumann angepeilte Erreichbarkeit der wichtigsten Behandlungszentren in 20 Minuten sei nicht wirklich machbar, meint Klute. Im Sauerland beispielsweise müssten schwangere Frauen demnächst im Durchschnitt 52 Autominuten fahren, um die nächste Geburtshilfestation zu erreichen.
Auf Anfrage der SPD habe das Gesundheitsministerium sogar eingeräumt, dass das demnächst für "zahlreiche" Orte im Sauerland gelte. Das bedeute, dass die Krankenhausträger oder die Kommunen künftig Geld zuschießen müssten - oder Investitionen einfach nicht umgesetzt werden könnten. Die SPD-Fraktion fordere daher, die jährlichen Zuweisungen an die Krankenhäuser für Investitionen um zwei Millionen Euro zu erhöhen.
52 Kliniken haben nach Auskunft des Ministers 2024 deutschlandweit Insolvenz angemeldet, 13 davon in NRW. Kritiker befürchten, dass diese Serie sich durch den neuen Krankenhausplan fortsetzen könnte. "Insolvenzen wird es immer wieder geben", sagte Laumann dagegen - er gehe aber nicht davon aus, dass die dann auf den Krankenhausplan zurückzuführen seien. KGNW-Vizechef Klein stimmte dem zu. Bezüglich der aktuellen finanziellen Schieflage vieler Kliniken verwies er auf den Bund: Der habe eine besonders durch die Inflation gewachsene Finanzierungslücke zugelassen.
Rheinland Klinikum freut sich
Andere Häuser sind erleichtert. So erfuhr das Rheinland Klinikum in Neuss am Montag schon, dass es die Leistungsgruppe der komplexen Pneumologie zugewiesen bekommen hat. Das sei "sehr erfreulich" und zeige, "dass wir hier nachgewiesenermaßen eine qualitativ hochwertige Versorgung von Patienten mit Erkrankungen wie Asthma, COPD oder einer Lungenfibrose anbieten", sagte Sprecher Georg Schmid. Man habe mit Expertise überzeugen können.
Es sei der erste Krankenhausplan dieser Art bundesweit, betonte Laumann stolz. Schon im Sommer hatte er darauf hingewiesen, dass diese Konzept "als Blaupause" für die Reform auf Bundesebene und auch für andere Bundesländer dienen könne.
Quellen:
- Informationen des NRW-Gesundheitsminsiteriums
- Pressekonferenz des Ministeriums am 17.12.2024
- Interview Thorsten Klute, gesundheitspolitischer Sprecher der SPD-Fraktion
- Statement Rheinland Klinikum