Als gestern der fertige Koalitionsvertrag für eine schwarz-grüne Regierung in NRW vorgestellt wurde, war die Freude in den Reihen von CDU und Grünen groß. In nur wenigen Wochen und in völliger Diskretion war es gelungen, ein neues Bündnis für NRW zu schmieden. Von "Vertrauen" war die Rede, das entstanden sei.
Grüner Nachwuchs lehnt Vertrag ab
Doch wie nach jeder Party herrscht nur einen Tag später bei manchen Katerstimmung. In den eigenen Reihen ist nicht jeder so von dem Koalitionsvertrag überzeugt, wie es das Spitzenpersonal gehofft hat. Konkret steigt der Parteinachwuchs der Grünen auf die Barrikaden - zumindest verbal. In einer Pressemitteilung kündigte die Grüne Jugend am Freitagmorgen an, den Koalitionsvertrag abzulehnen.
"Koalition der Zumutung"
Um das zu erklären, wählten die beiden Landessprecher deutliche Worte, die auch aus den Reihen der Opposition kommen könnten. So sagte Nicola Dichant: "Schwarz-Grün entpuppt sich in dem vorgelegten Vertrag als Koalition der Zumutung." Es seien "massive Investitionen" erwartet worden, doch stattdessen bleibe unklar, wie Klimakrise und soziale Ungerechtigkeit ernsthaft angegangen würden. Der Vertrag werde den derzeitigen Krisen "nicht gerecht" und biete keine gute Grundlage für eine Zusammenarbeit mit der CDU.
Genauso deutlich äußerte sich Co-Sprecher Rênas Sahin:
Abstimmung über Koalitionsvertrag am Samstag
Am Samstag wird auf einem Parteitag der NRW-Grünen über den Koalitionsvertrag abgestimmt. Die Jugendorganisation empfiehlt ihren Delegierten, das Vertragswerk abzulehnen. Das bedeutet nicht, dass die schwarz-grüne Koalition nun in Gefahr ist. Die Grüne Jugend stellt etwa zehn Prozent der Delegierten. Von einer Mehrheit sind die jungen Parteimitglieder also weit entfernt. Doch es ist ein deutliches Signal an die Verhandlungsführer rund um Mona Neubaur, wenn sich der eigene Nachwuchs so deutlich gegen den Koalitionsvertrag stellt.
Die Parteispitze reagiert betont gelassen. Landeschef Felix Banaszak sagte dem WDR: "Die Haltung der Grünen Jugend ist insofern konsequent, als sie nie einen Hehl daraus gemacht hat, ein solches Bündnis mindestens kritisch zu sehen. Alles andere hätte mich auch überrascht." Die inhaltliche Bewertung teile er aber "explizit nicht". Deshalb werde er mit "voller Überzeugung" für den Koalitionsvertrag werben.
Kritik auch aus anderen Ecken
Doch ist es wirklich nur die Parteijugend? Laut Sahin gibt es in "vielen Teilen der Partei" gerade Kritik. Die Stimmung unter den Parteimitgliedern sei "zwiegespalten" und "ambivalent". "Man sieht schon einige Verhandlungserfolge. Gleichzeitig wird aber bemängelt, dass ganz, ganz viel unkonkret bleibt." Die Zahl der Nein-Stimmen könnte beim Parteitag also über die der Jugend hinausgehen.
In der Partei heißt es, dass die Unzufriedenheit vor allem aus dem linken Lager kommt. Dort würden zu viele Prüfaufträge und zu wenige konkrete Festlegungen bemängelt. Hinter vorgehaltener Hand wird auch der straffe Zeitplan der Parteiführung kritisiert. Denn den Delegierten bleiben nur zwei Tage Zeit, um den fast 150 Seiten starken Koalitionsvertrag durchzuarbeiten, bis am Samstag darüber abgestimmt werden soll.
BUND: "Auf dem grünen Auge blind"
Auch von Verbänden, die den Grünen traditionell nahe stehen, wird Kritik laut. So erklärte der BUND-Landesvorsitzende Holger Sticht am Freitag: "Der Koalitionsvertrag ist ein Vertrag zwischen CDU und Grünen, nicht aber für die Zukunft unseres Landes." Die künftige Koalition scheine "auf dem grünen Auge blind zu sein". Die Naturschutzorganisation NABU zeigte sich "maßlos enttäuscht". Die Bewertung des Koalitionspapiers falle "insgesamt deutlich negativ aus" und es handele sich um ein "enttäuschendes Verhandlungsergebnis einer grünen Partei".
Die harsche Kritik könnte ein Vorgeschmack darauf sein, was die Grünen in den kommenden Jahren in Regierungsverantwortung erwartet. In der Opposition haben sie die Nähe zu den Umwelt- und Naturschutzorganisationen gesucht. Doch als Regierungspartei dürfte das nun schwieriger werden, wenn es mit der Umsetzung nicht so läuft, wie es die Verbände gerne hätten.