Rückblick: Reuls Argumente für die Waldräumung

Stand: 06.09.2019, 06:00 Uhr

  • Debatte über Räumung des Hambacher Forstes schwelt weiter
  • Innenminister Reul unter Druck im Landtag
  • Schon 2018 hegte Opposition einen Verdacht

Von Wolfgang Otto

Als vor fast genau einem Jahr die Hundertschaften der Polizei in den Hambacher Forst einrückten, ging es nicht darum, die geplante Rodung des Waldes durch den Braunkohlekonzern RWE vorzubereiten – so beteuerte es damals jedenfalls die Landesregierung.

Auf der Seite des Rechts

NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) im Herbst 2018: "Die Frage, ob da Braunkohle abgebaggert wird, oder ob nicht, ist nicht meine Frage. Die interessiert mich auch nicht. Und ob und wann das passiert, ist auch nicht die Frage der Polizei. Da sind wir weder auf der Seite der Seite der Gegner oder Befürworter, sondern wir stehen schlicht und einfach auf der Seite des Rechts."

Und zwar des Baurechts und der Verordnungen zum Brandschutz.

Gefahr für Leib und Leben

"Es gibt 50 richtige Häuser im Baum, aber keine Baugenehmigung" so Reul damals. "Insofern ist der Fall klar. Und sie sind darüber hinaus auch eine Gefahr für Leib und Leben – für die, die dort wohnen, aber auch für die, die da spazieren gehen oder die dort arbeiten. Und die Polizei ist dafür da, dort Hilfe zu leisten."

Zum Handeln gezwungen

Die Landesregierung habe gar keine andere Wahl gehabt, als die Baumhäuser im September 2018 zu räumen. Minister Reul: "Wir haben bei einer Begehung vor wenigen Tagen präzise diese Sachverhalte gesehen und uns deshalb zum Handeln gezwungen gesehen."

Gezwungen zum Handeln, wie bei jedem anderen Wohnhaus auch, das gefährlich ist, sagte Reul damals. Ermessensspielraum gebe es da nicht: "Ich kann nicht weggucken, weil es ein Offizialdelikt ist."

Reul: "Wenn es um unmittelbare Gefahr für Leib und Leben geht, dann darf man nicht abwägen. Jeder, der das machen würde, der zuständig ist, also jetzt die ganzen Baubehörden, die würden ein besonders inniges Verhältnis zum Staatsanwalt bekommen können."

Grüne: Vorgeschobene Begründung

Doch trotz aller Beteuerungen: Grüne und Sozialdemokraten im NRW-Landtag trauten von Anfang an nicht dem Braten, den die Landesregierung damals der Öffentlichkeit präsentierte.

Grünen-Fraktionschef Arndt Klocke sagte wenige Tage nach Räumungsbeginn: "Wir wissen, dass in verschiedenen Häusern der Landesregierung, in verschiedenen Ministerien überlegt worden ist, wo mögliche Stellschrauben sind, um hier intervenieren zu können. Und dann ist man eben auf die Idee des Baurechts gekommen. Und das halten wir für vorgeschoben."

SPD: Absurde Aktion

Thomas Kutschaty, Chef der SPD-Fraktion, nannte es "eine absurde Aktion, aus Brandschutz-Gründen nach dem Wohnungsaufsichtsgesetz die Baumhäuser roden zu lassen".

Heute Keine Gefahr mehr?

Ein Jahr später sind wieder mindestens 60 neue Baumhäuser im Hambacher Forst entstanden. Doch diesmal offenbar niemand eine Gefahr für Leib und Leben. Von einer Räumung ist derzeit keine Rede. Vielleicht weil auch niemand über eine Rodung spricht.

Räumung im Hambacher Forst war "ein Eigentor" WDR 5 Morgenecho - Interview 29.08.2019 04:49 Min. Verfügbar bis 30.12.2099 WDR 5

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