"Das Ganze ist nur ein Sondierungspapier" - diese Formulierung, sie war in den Reden allgegenwärtig. Aber diese Formulierung sollte keine Rechtfertigung für offene Fragen sein.
Im Gegenteil: Es sollte der Ausdruck dafür werden, dass man der CDU noch viel abringen könne und damit das Sondierungspapier schon eine gute Geschäftsgrundlage für eine mögliche schwarz-grüne Koalition sei.
Grüne Jugend stört (ein wenig) die Feier
Nur selten schleichen sich in dem beengten Raum in der Essener Philharmonie mahnende Worte ein. Katja Dörner, die Bonner Oberbürgemeisterin warnt zum Beispiel vor noch harten Verhandlungen mit der CDU. Vertreter und Vertreterinnen der Grünen Jugend sprechen fehlende Ideen zur Armutsbekämpfung an.
Die Chefin der Grünen Jugend, Nicola Dichant, stört sich außerdem an dem fehlenden Datum, wann NRW klimaneutral werden soll. Ihr bereiten die Antworten zum Wohnen Sorgen - womit sie unter anderem die fehlende Mietpreisbremse anspricht. Man erwarte, dass in einigen Feldern noch einmal "deutlich" nachverhandelt werde. Entsprechend empfiehlt die Jugendorganisation, sich zu enthalten.
Der umjubelte Wahlalter-Kompromiss
Aber die meiste Kritik geht im Applaus unter. Die Landeschefin Mona Neubaur sagt, man könne nun politische Brücken bauen. Ein Beispiel für sie: Das im Sondierungspapier festgehaltene Wahlalter ab 16. Das hätte man jederzeit mit SPD und Grünen auf ein Papier schreiben können. Aber das sollten sich die Delegierten "auf der Zunge zergehen lassen", sagt Neubauer, "das ist eine echte Chance".
Womit sie natürlich inhaltlich recht hat. Nur mit der CDU ist eine Zwei-Drittel-Mehrheit möglich, das Wahlalter zu senken. Und die Union war bisher stets gegen das Wahlalter mit 16. Entsprechend groß der Jubel, als Neubaur diesen Sondierungserfolg der Grünen nennt.
Aber auch in den anderen Feldern herrscht große Zufriedenheit auf dem ersten großen Präsenztreffen, das die Grünen seit dem Ausbruch der Corona-Pandemie abhalten. Fraktionschefin und Innenpolitikerin Verena Schäffer fasst die Stimmungslage im Raum zusammen: "Ich freue mich seit zwei Wochen ununterbrochen."
Bemerkenswerte Wenden der Innenpolitik
Um im nächsten Schritt vor allem die festgehaltenen Inhalte zur Innenpolitik zu erwähnen. Schäffer spricht den unabhängigen Polizeibeauftragten an, den die Grünen der CDU abverhandelt hätten, und von der gemeinsamen Erkenntnis, dass die größte Gefahr für die Demokratie von Rechts ausgeht.
"Ich hätte nie, nie gedacht, dass ich mal sage: Ich bitte Euch um Zustimmung, mit der CDU in Koalitionsverhandlungen zu gehen", spricht die bisher härteste Gegnerin von Innenminister Herbert Reul (CDU).
Es sind bemerkenswerte Wenden wie diese, die zeigen, dass hier ein historisches, bisher widerstrebendes Bündnis geschmiedet werden soll. In NRW haben CDU und Grüne noch nie auf Landesebene eine Koalition gebildet. Auch weil, so fasst es eine Rednerin zusammen, die "kulturellen Unterschiede" groß seien.
Die schwarz-grüne Brücke
Aber auch das kann man positiv auslegen, findet Co-Landeschef Felix Banaszak. Es bringe Menschen zusammen, die bisher nur "gegeneinander demonstriert hätten". Dass die CDU auch Machtmaschine ist, die für den Erhalt des Regierungsgeschäftes auch gerne mal Inhalte flexibler betrachtet - es spielt kaum eine Rolle.
Die Freude über den versprochenen Kohleausstieg 2030, die Altschuldenfonds für Kommunen, die vereinbarten Regelungen für Flüchtlinge und das Versprechen, klimaneutral zu werden, sie überwiegt.
"Beide müssen sich wiederfinden"
Wie lange? Das müssen die anstehenden Koalitionsverhandlungen mit der CDU zeigen. Die Christdemokraten werden registriert haben, wie sich der mögliche Koalitionspartner über die Sondierungserfolge freut.
Die Gefahr, die darin liegt, hat zumindest Felix Banaszak erkannt. Auch die Union brauche ihre Erfolge. "Eine Partei, die sich in einem Bündnis nicht wiederfindet", so der Grüne Landeschef, könne nicht Teil eines erfolgreichen Bündnisses sein.