Braunkohle-Tagebau: Anwohner wollen Ende der L12 nicht hinnehmen

Stand: 03.04.2023, 17:00 Uhr

Im Sommer soll die Landesstraße zwischen Holzweiler und Keyenberg abgebaggert werden, damit RWE dort Braunkohle fördern kann. Doch die wird offenbar gar nicht gebraucht.

Von Tobias Zacher

Die Landesstraße L12 zwischen Keyenberg und Holzweiler soll abgebaggert werden, obwohl die Kohle darunter nicht für die Energiesicherheit gebraucht wird. Das geht aus Zahlen des NRW-Wirtschafts- und Energieministeriums hervor, die dem WDR vorliegen.

"Herber Verlust an Lebensqualität"

Auch der Abraum unter der L12 wird nicht zwangsläufig benötigt. Anwohnerinnen und Anwohner fordern deshalb nun den Erhalt der Landesstraße, da ohne sie ein "herber Verlust an Lebensqualität" für die Menschen vor Ort drohe.

Eigene Berechnungen hat das Land nicht angestellt, es beruft sich auf Zahlen von RWE. Der Konzern betriebt den Tagebau Garzweiler II und fördert dort Braunkohle.

Grenze des Abbauplans und Verlauf der L12 | Bildquelle: Google Earth/ WDR

Lediglich 15 bis 20 Millionen Tonnen Braunkohle

Demnach lagern in dem Abbaugebiet, in dem die L12 liegt, nach RWE-Schätzungen gerade einmal 15 bis 20 Millionen Tonnen Braunkohle. Der allergrößte Teil des Materials, nämlich 130 bis 140 Millionen Kubikmeter, ist Abraum - also Bodenschichten ohne nutzbare Rohstoffe. Diese Erdmassen sollen im Zuge von Renaturierungsmaßnahmen dafür verwendet werden, das große Tagebau-Loch von Garzweiler I zu verfüllen.

Nach WDR-Informationen plant RWE, die L12 ab Juni abzubaggern. Die rechtliche Genehmigung dazu hat der Konzern durch den aktuell gültigen Hauptbetriebsplan zum Jahreswechsel erhalten. Der Plan gilt bis 2025.

Letzte verbliebene Verbindung zwischen Holzweiler und Keyenberg

Zugleich ist die L12 die letzte verbliebene Verbindung zwischen den Tagebau-Randdörfern im Norden und im Süden, auf gut drei Kilometern verbindet sie Holzweiler mit Keyenberg. Sollte die Straße abgebaggert werden, müssten die Anwohner nach eigenen Angaben einen 14 Kilometer langen Umweg fahren, um zum Beispiel die nächste Kita, Tankstelle oder den nächsten Blumenladen zu erreichen.

"Es gibt kein haltbares Argument für die Zerstörung in diesem Sommer - weder Erdmassen noch Kohle hinter der L12 werden in den nächsten Jahren benötigt. Nur wenn die Landesregierung nicht wie versprochen 2030 aus der Kohleverstromung aussteigt, könnte ein Bedarf entstehen", sagte David Dresen vom Bündnis "Alle Dörfer bleiben" auf WDR-Anfrage.

Kohlebedarf von 280 Millionen Tonnen

Zum Hintergrund: Die Landesregierung geht auf Basis eines Gutachtens davon aus, dass insgesamt noch 280 Millionen Tonnen aus dem Tagebau Garzweiler benötigt werden. Diese Abbaumenge hatte sie im vergangenen Herbst auch mit RWE in einem Eckpunktepapier vereinbart.

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55 Millionen Tonnen davon sollen aber nicht für Strom verfeuert werden, stattdessen sollen daraus Veredelungsprodukte wie Kohlestaub entstehen. Diesen kauft die Industrie für Produktionsprozesse. Die 55 Millionen Tonnen zur Veredelung dienen also nicht der Energiesicherheit, sondern wirtschaftlichen Interessen von Unternehmen.

An der Größenordnung dieser Veredelungsmenge gibt es zudem immer wieder Kritik, weil sie auf RWE-Angaben beruht. Vor diesem Hintergrund fordert "Alle Dörfer bleiben" eine unabhängige Überprüfung der von RWE veranschlagten Veredelungsmenge. Ohne sie hätte gar der Ort Lützerath erhalten werden können, weil sich dann der Kohlebedarf entsprechend verringert hätte.

50 Millionen Tonnen Kohle für die Reserve nach 2030

Dazu kommt, dass der Braunkohleausstieg für 2030 zwar beschlossen ist, das entsprechende Gesetz aber einen möglichen Reservebetrieb dreier Braunkohle-Kraftwerksblöcke bis Ende 2033 vorsieht, falls die Energiesicherheit ohne die Kohlemeiler nicht gewährleistet sein sollte. Für diesen Reservebetrieb nach 2030 veranschlagt RWE maximal 50 Millionen Tonnen Braunkohle.

Ob es diesen Reservebetrieb überhaupt gibt, will das Bundeswirtschaftsministerium im Jahr 2026 entscheiden.

Gut möglich also, dass die verabredeten 280 Millionen Tonnen Braunkohle aus dem Tagebau Garzweiler in Zukunft gar nicht vollständig gebraucht werden.

Damit könnten auch die 15 bis 20 Millionen Tonnen im Abbaubereich der L12 in der Erde bleiben. "Alle Dörfer bleiben" fordert deshalb nun, dass die L12 mindestens bis zum Überprüfungszeitpunkt der Kohlereserve im Jahr 2026 erhalten bleibt.

Option für weniger Abraumbedarf

Und auch beim Abraumbedarf gäbe es eine Lösung, bei der die L12 erhalten werden könnte: Die "ahu GmbH" hatte sich in einem Gutachten im Auftrag der Landesregierung für die so genannte "Arche Noah"-Lösung im Tagebauloch von Garzweiler I ausgesprochen. Ein derartiges Naturschutzgebiet sei eine "einmalige Chance" zum Erhalt bedrohter Tiere und Pflanzen, hieß es in dem Gutachten.

Die "Arche"-Lösung sieht vor, dass das rund sieben Quadratkilometer große Loch nicht vollständig wieder aufgefüllt wird. Dadurch wären bis zu 200 Millionen Kubikmeter Abraum verzichtbar - die bis zu 140 Millionen Kubikmeter im Gebiet rund um die L12 müssten deshalb nicht in Anspruch genommen werden.

Neue Leitentscheidung nach der Sommerpause

Die Frage, ob die "Arche"-Lösung umgesetzt werden kann, will die Landesregierung im Rahmen ihrer neuen Leitentscheidung zum Rheinischen Revier beantworten. Diese soll allerdings erst nach der politischen Sommerpause fallen.

"Wenn die Landstraße abgebaggert wird, müssen wir Bewohner große Umwege zum Kindergarten, Bäcker, Freunden und Familienmitgliedern fahren", teilte die Anwohnerin Alexandra Brüne aus Holzweiler dem WDR mit. "Der Tagebau hat uns in den letzten Jahrzehnten schon genug Lebensqualität genommen. Wir wollen endlich nach vorne schauen und unsere Zukunft gestalten - dazu gehören auch kurze Wege und lebendige Nachbarschaften", klagte sie.

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