Nach der Flut: So wird der Katastrophenschutz in NRW verändert

Stand: 10.07.2022, 06:00 Uhr

Die verheerende Flut im Sommer 2021 hat auch den Katastrophenschutz in NRW ins Blickfeld gerückt. Vieles muss sich noch ändern. Der Umbau hat gerade erst begonnen.

Von Bettina Altenkamp

Dem ersten Schock nach der verheerenden Flutkatastrophe im vergangenen Sommer folgten schnell zwei Fragen: Wie konnte das passieren und was kann in Zukunft besser gemacht werden? Bei der Beantwortung landet man schnell beim Katastrophenschutz. Der soll, wie es der Name schon sagt, die Bürgerinnen und Bürger vor gefährlichen Dingen warnen. Eine tödliche Flut gehört dazu.

Wenn aber 49 Menschen in NRW bei einem Hochwasser sterben, dann scheint auch beim Katastrophenschutz nicht alles funktioniert zu haben. Das sieht auch Innenminister Herbert Reul so: "Wenn es so viele Tote gibt, kann ja nicht alles glatt gelaufen sein." Dann seien auch "Fehler" gemacht worden.

Keine Sirenen, keine Informationen

Inzwischen zeigt sich, was im Juli 2021 nicht geklappt hat: Es fehlten Sirenen oder sie waren kaputt, die Gefahreninformationen waren nicht klar und Warnketten funktionierten nicht. All diese Mängel hat die Flutkatastrophe offenbart.

Dabei sei der Katastrophenschutz in NRW im Vergleich zu vielen anderen Bundesländern schon "gut aufgestellt", sagt Uwe Krischer vom Deutschen Roten Kreuz. "Da müssen wir uns nicht verstecken." Trotzdem gebe es Optimierungspotenzial.

Vorschläge für Verbesserungen

Krischer ist beim DRK Landesbeauftragter für Bevölkerungsschutz und war auch Mitglied im "Kompetenzteam Katastrophenschutz". Dieses Gremium hat Innenminister Reul nach der Flut eingerichtet und beauftragt, nach Verbesserungsmöglichkeiten zu suchen. Herausgekommen sind 15 zentrale Punkte. Darunter sind auch die Erneuerung und der Ausbau des Sirenennetzes im Land. Seit der Flut vor einem Jahr wurden bereits gut 400 zusätzliche Anlagen installiert.

Ein weiterer Punkt: Der Alarm soll künftig nur noch für die Bevölkerung im Katastrophenfall aktiviert werden. Denn in etlichen Städten und Gemeinden werden bislang auch die Freiwilligen Feuerwehren über die Sirenen alarmiert. Das führt bei den Einwohnern aber zu Gewöhnung an den Alarm. Im Ernstfall herrscht Verwirrung oder es gibt gar keiner Reaktion mehr.

Doch mit dem Aufheulen der Sirenen ist es nicht getan. Danach müssen die Menschen auch wissen, was sie zu tun haben. Auch da gibt es Verbesserungsbedarf. "Was erwarte ich von den Menschen, wenn die Sirene heult? Also beispielsweise schalten sie bitte ihr Radio ein oder gucken sie, ob sie Push-Nachrichten auf dem Handy haben. All das wird gerade parallel erarbeitet", sagt Krischer. Auch in den Schulen solle wieder darüber gesprochen werden, wie man auf Sirenen reagiert.

Automatische Warnungen aufs Handy

Insgesamt lautet das Ziel, in NRW einen Warnmix aufzubauen. Also mehr Sirenen, aber auch Warnungen über sogenanntes Cell Broadcasting. Dabei erhalten Handynutzer innerhalb einer Funkzelle automatisch eine Mitteilung auf das Handy, wenn Gefahr droht. Bislang wird diese Technik hierzulande noch nicht genutzt. Spätestens Ende des Jahres soll das System nun einsatzbereit sein und getestet werden.

Land will mehr Aufgaben übernehmen

Ein Vorwurf nach der Flutkatastrophe lautete auch, dass das Land und vor allem das zuständige Innenministerium nicht schnell und nicht ausreichend genug reagiert haben. So wurde Kritik daran laut, dass auf einen Krisenstab verzichtet wurde. Zwar hält Reul daran fest, dass die Entscheidungsträger vor Ort verantwortlich sein sollen. Aber:

"Wir werden sicherlich mehr Aufgaben übernehmen als bisher."

Wenn es zum Beispiel nicht mehr nur um ein punktuelles Ereignis gehe, sondern eine "Flächenlage" bestehe, brauche es Hilfe. "Das heißt Ausgleich von Personal, von Material, von Einsatzplänen", so Reul.

Kommt es tatsächlich zu großflächigen Katastrophen wie im letzten Sommer, müssen natürlich auch die Systeme der einzelnen Städte und Kreise miteinander kompatibel sein. Nur so kann sichergestellt werden, dass alle Betroffenen auch alle relevanten Informationen erhalten. Außerdem müssen dann auch alle die richtigen Schlüsse daraus ziehen.

Darauf weist Sven Wolf hin, Innenexperte der SPD und Vorsitzender des Untersuchungsausschusses des Landtags zur Flutkatastrophe: "Man muss sicherstellen, dass sie sich auch verstehen. Meteorologen und Hydrologen arbeiten ganz unterschiedlich. Zwar mit den Thema Wasser, aber unterschiedlich." Diese "Übersetzungsleistung" müsse auf Landesebene erfolgen, damit jede Kommune wisse, was auf sie zukomme.

Zeit für Änderungen nötig

Ein Jahr nach der Flutkatastrophe zeigt sich also: Es wird sich an vielen Stellen des Katastrophenschutzes etwas ändern. Klar ist aber auch, dass das lange dauern wird. Zum Beispiel, wenn im Innenministerium ganz neue Abteilungen geschaffen werden. Oder wenn die Ausstattung für den Katastrophenfall verbessert und erneuert wird.