Energieunabhängigkeit: NRW-Landesregierung uneins beim Fracking

Stand: 20.04.2022, 17:04 Uhr

NRW soll schnellstmöglich unabhängig werden von russischer Energie. FDP-Minister Pinkwart belebt darum eine alte Idee neu: Fracking. Der Ministerpräsident ist skeptisch.

Von und Martin Teigeler

Erst forderte er längere Laufzeiten der Atomkraftwerke, nun erwägt NRW-Wirtschaftsminister Andreas Pinkwart die Nutzung des umstrittenen Fracking. Es gelte, Schiefergas-Vorhaben in Nordrhein-Westfalen zu erkunden, sagte der FDP-Politiker am Mittwoch dem WDR. Mit "risikoärmeren Verfahren, als sie andernorts eingesetzt werden", solle man dieses Gas für die Haushalte und für Wirtschaft "verfügbar machen", um schneller unabhängig von russischem Gas zu werden.

NRW-Grünen-Chefin Mona Neubaur warnte dagegen vor dem Verfahren. Fracking sei nicht zukunftsfähig und "keine Alternative", Pinkwart solle vielmehr die Windkraft schneller ausbauen. Zu groß seien die Risiken beim Fracking etwa durch den Einsatz von Chemikalien, so Neubaur. Vom Fracking gehe eine Gesundheitsgefahr für Menschen aus. Zu groß seien auch die Risiken, das Grundwasser zu verunreinigen und Erdrutsche auszulösen.

Wüst skeptisch

Pinkwart sagte, auch aus Umwelt- und Klimagesichtspunkten wäre es besser, eigenes Gas zu nutzen als nur Fracking-Gas aus den USA. Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) äußerte sich eher skeptisch: "99 Prozent der Potential-Flächen für Fracking sind in Niedersachsen, deshalb möchte ich der niedersächsischen Landesregierung nicht in ihr Geschäft reinreden." Da wo Trinkwasser oberflächennah gewonnen werde, müsse man "ganz besonders sensibel sein". Deshalb sei Fracking bis heute kein Thema, "und ich glaub es wird auch keins", so Wüst.

SPD: "Keine schlaue Idee"

SPD-Fraktions- und Landeschef Thomas Kutschaty sieht im Fracking keine Lösung der Energieprobleme. "Bis man soweit ist, dass überhaupt Gas dadurch gewonnen werden kann, dauert es einige Zeit. Damit lösen wir keine kurzfristigen Lieferengpässe", sagte Kutschaty dem WDR. Auch wegen der Umweltrisiken und Klimafolgen sei das "keine schlaue Idee, davon sollte man Abstand nehmen".

AfD-Fraktionschef Markus Wagner sagte, man stehe dem Frackingverfahren "grundsätzlich offen gegenüber". Doch gerade im dicht besiedelten NRW bestünden "Risiken für Grundwasser und Bevölkerung, da die Technologie noch nicht in Gänze ausgereift ist".

Der Energieökonom Manuel Frondel hält die aktuelle Debatte über das Fracking für wichtig. Es gehe ja zunächst einmal nur darum, zu prüfen, ob das eine Option sein kann, sagte der Wissenschaftler dem WDR.

Beim Fracking wird ein Gemisch aus Wasser, Sand und Chemikalien in den Boden gepresst. Mit diesem Verfahren lässt sich Erdgas aus undurchlässigem Gestein lösen | Bildquelle: wdr

Beim sogenannten unkonventionellen Fracking wird Erdgas, das in tiefen Gesteinsformationen eingeschlossen ist, gefördert. Dazu werden Chemikalien, Wasser und Sand mit hohem Druck in die Erde gepumpt, bis im Gestein Risse entstehen. Das Erdgas wird freigesetzt und kann über das Bohrloch nach oben befördert werden. Beim konventionellen Fracking hingegen wird kein Gestein aufgebrochen, sondern eine unterirdische Gasblase angebohrt.

Derzeit gilt ein Verbot

Laut einer Studie des NRW-Umweltministeriums aus dem Jahr 2012 wären vor allem Gas-Vorkommen im nördlichen Teil des Bundeslandes - vor allem im Münsterland, am Niederrhein und im ostwestfälischen Bergland - für Fracking geeignet. Vor zehn Jahren war in NRW bereits schon einmal intensiv über Fracking debattiert worden.

Der Einsatz von Fracking zur kommerziellen Gewinnung von Erdgas aus unkonventionellen Lagerstätten - wie Ton-, Schiefer- und Mergelgesteinen oder in Kohleflözen - ist in Deutschland derzeit verboten. Nur Probebohrungen sind möglich.

Söder für und Habeck gegen Fracking

Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck will trotz der hohen Abhängigkeit von russischen Gaslieferungen nicht auf Fracking zurückgreifen. Dafür gebe es keine Pläne, sagte der Grünen-Politiker letzte Woche in Berlin. "Ich glaube, dass das nicht der Weg ist, den wir gehen sollten." Der Umstieg solle ja schnell gelingen. Die Errichtung von Fracking-Kapazitäten würde aber lange dauern. Unternehmen würden sich derzeit nicht um diese Technik bewerben, weder für Probebohrungen noch tatsächliche Durchführungen.

Bayerns Ministerpräsident und CSU-Chef Markus Söder will Fracking dagegen erlauben: "Wir dürfen Öl- und Gasgewinnung aus vorhandenen Kapazitäten in Deutschland nicht völlig ausschließen."

Über das Thema berichtet der WDR am 20. April 2022 fortlaufend in den aktuellen Sendungen des WDR Fernsehens und auf mehreren Wellen des WDR Hörfunks.