79 neu gewählte Abgeordnete nehmen heute an ihre ersten Sitzung im NRW-Landtag teil. Eine von ihnen: Norika Creuzmann. Für die 56-Jährige aus Paderborn schließt sich heute, an ihrem ersten Tag als Abgeordnete im Landtag, gewissermaßen ein Kreis. 2006 nahm sie an mehreren Demos vor dem Landtag teil, als Mitarbeiterin eines autonomen Frauenhauses. "Da gab es einen Regierungswechsel und es wurde eine Stelle gekürzt und da haben wir oft demonstriert", erinnert sie sich. "Irgendwann habe ich gedacht, ich kann nicht nur meckern, sondern muss mitgestalten und dann bin ich bei den Grünen gelandet."
Viele Akademikerinnen und Akademiker im Landtag
30 Jahre hat Creuzmann im Frauenhaus gearbeitet, nun zieht sie in den Landtag ein. Sie hat vier eigene Kinder und ein Pflegekind: Der Werdegang der Paderbornerin ist sicher ungewöhnlich, erst recht im Landtag. Denn fast 80 Prozent aller Abgeordneten haben studiert, ganz vorne bei den Top-Studiengängen liegt vor Betriebswirtschaftslehre und Politikwissenschaft mit großem Abstand Jura.
Ein Drittel der Abgeordneten ist weiblich
Jörg Geerlings, wiedergewählter CDU-Politiker, ist einer von 39 Abgeordneten, die Jura studiert haben. Außerdem liegt er mit seinen 49 Jahren ziemlich genau im Altersschnitt und ist ein weißer Mann. Und die sind im Landtag immer noch in der deutlichen Überzahl. Nur 66 Frauen sitzen im neuen Landtag, macht einen Frauenanteil von 33,8 Prozent, gerade einmal ein Drittel. Großen Anteil daran hat Geerlings CDU, in der nur 16 von 76 Abgeordneten weiblich sind (22,1 Prozent). Peinlich sei ihm das nicht, sagt er. "Aber ein Ausgleich von Männer und Frauen ist wichtig für ein Plenum, da werden sicher intensiv dran arbeiten, dass das besser wird."
Geerlings sieht einen Grund auch darin, dass die CDU viele Wahlkreise gewonnen habe und dort überwiegend Männer die Kandidaten gewesen seien. Die AfD schickt nur eine Frau in den Landtag, die FDP zwei: Dass überhaupt ein Drittel weiblich ist, liegt hauptsächlich an der SPD mit 42 Prozent Frauenanteil und vor allem an den Grünen mit knapp 59 Prozent.
Nur knapp 10 Prozent der Abgeordneten haben eine internationale Biografie
Überhaupt gleichen die Grünen viele Statistiken etwas aus: Sie sind jünger als der Rest (gut 42 Jahre), weiblicher – und auch bunter. Dass der Migrationsanteil im neuen Landtag überhaupt bei knapp zehn Prozent liegt, hängt vor allem mit den acht SPD-Abgeordneten und sieben Grünen-Abgeordneten mit Migrationshintergrund zusammen. Deswegen findet die Grüne Norika Creuzmann: "Der Landtag ist nicht so divers, wie er sein könnte. Aber da muss man nochmal differenzieren. Ich glaube schon, dass unsere Fraktion die Diversität besser widerspiegelt als der Landtag allgemein."
Besonderheiten im Landtag
Wo es Statistiken gibt, gibt es auch Personen, die besonders auffallen: Michael Röls, Jahrgang 1997, ist der jüngste Abgeordnete, Herbert Reul, Jahrgang 1952, der älteste. 22 Doktortitel sind im Plenum versammelt, mit Andreas Pinkwart (FDP) auch ein Professor. Eine Ausbildung haben immerhin 64 Abgeordnete gemacht, oft vor oder zusammen mit dem Studium. Vorne liegt hier der Bankkaufmann vor der Erzieherin. Über andere Merkmale der Diversität lässt sich hingegen wenig herausfinden, etwa Behinderungen oder sexuelle Orientierung, findet auch Diversitätsforscherin Andrea Bührmann.
"Das irritiert mich, dass es da kaum Informationen gibt", sagt sie. "Es gibt natürlich auch im Parlament Menschen mit Behinderungen oder chronischen Erkrankungen und es sind auch nicht alle Abgeordneten heterosexuell. Das scheint mir noch immer ein Tabu zu sein."
Viele Abgeordnete und Fraktionen machen hier auch auf Rückfrage keine Angaben. Die Grünen sagen, dass sieben Mitglieder ihrer Fraktion homosexuell seien, bei anderen wie CDU-Mann Christian Berger oder AfD-Mitglied Sven Tritschler erfährt man dies auf ihren Homepages. Wie divers der Landtag hier wirklich ist, lässt sich nicht final klären. Ähnliches gilt für Behinderungen: Hier könnte Rollstuhlfahrer Dennis Sonne von den Grünen aber in den nächsten Jahren womöglich ein Zeichen setzen – damit der Landtag in Zukunft noch diverser wird.