Etwa zehn Millionen Menschen nutzen das Deutschlandticket nach nur sechs Monaten und schon jetzt gibt es Statistiken, laut denen die Fahrgastzahlen bei Bussen und Bahnen steigen. Von allen Seiten wird deshalb von einem Erfolg gesprochen. Doch statt sich darüber zu freuen, dass der Politik in diesen Tagen auch mal etwas gelingt, wird seit Wochen über die Zukunft des 49-Euro-Tickets gestritten. Die Fronten sind verhärtet. Am Donnerstag drohten die Verkehrsminister der Bundesländer mit dem Aus für für die Nahverkehrs-Flatrate, wenn der Bund nicht mehr Geld zusichert.
Streit um die "Nachschusspflicht"
Nach einer virtuellen Sondersitzung forderten die Länderminister eine unverzügliche Finanzierungszusage des Bundes bis Ende 2025. Der Bundesverkehrsminister war nicht zugegen. Ohne diese Zusage aus Berlin, wäre schon im kommenden Jahr eine "deutliche Preissteigerung" erforderlich, heißt es in einem Beschluss der Minister, der einstimmig angenommen wurde. Die Fortführung des Deutschlandtickets sei ab dem Jahr 2024 "ernsthaft gefährdet", heißt es weiter. Entscheidungen müssten noch im Oktober getroffen werden.
Vor dem Start des Tickets im Mai hatten sich Bund und Länder geeinigt, dass sie von 2023 bis 2025 jeweils 1,5 Milliarden Euro zahlen. Mit den insgesamt drei Milliarden jährlich sollen die Verkehrsunternehmen die Verluste ausgleichen, die bei ihnen durch das Deutschlandticket entstehen. Denn andere Tickets, die bisher verkauft wurden und deutlich teurer sind, werden jetzt nicht mehr nachgefragt. Es fehlen also Einnahmen.
Zusätzlich zu den jährlich drei Milliarden wurde für 2023 vereinbart, dass mögliche Mehrkosten, die darüber hinaus gehen, in diesem Jahr zur Hälfte von Bund und Ländern geteilt werden. Doch diese "Nachschusspflicht" ist von 2024 an offen. Laut dem Verband Deutscher Verkehrsunternehmen geht es um 1,1 Milliarden Euro im kommenden Jahr. Die Länder wollen, dass sich der Bund auch 2024 an diesen Mehrkosten beteiligt und weiterhin geteilt wird. Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) lehnt das aber ab. Er spielt den Ball zurück an die Länder und sagt, dass sie für den Regionalverkehr zuständig seien.
Höhere Preise oder komplettes Aus?
Das Ergebnis ist ein seit Monaten andauerndes politisches Hickhack, das auf dem Rücken der ÖPNV-Kunden ausgetragen wird. Denn die wissen nicht, wie es demnächst mit dem Deutschlandticket weitergeht. Bislang wurde damit gedroht, dass der Preis ab 2024 steigt, wenn es zwischen Bund und Ländern keine Einigung gibt. Von 59 statt 49 Euro war öfters die Rede. Unklar ist, was das für die Verkaufszahlen bedeuten würde. Wie viele Kunden des Deutschlandtickets springen dann wieder ab?
Bei denjenigen, die das Deutschlandticket benutzen, stößt all das auf Unverständnis. Das zeigte am Donnerstag eine WDR-Straßenumfrage in Düsseldorf. "Ein reiches Land wie Deutschland sollte eigentlich in der Lage sein, das zu finanzieren", sagte Sabine Ahlers, die jeden Tag von Krefeld in die Landeshauptstadt pendelt. Ihre eigene Schmerzgrenze liege bei einem Preis von 75 Euro. "Aber es gibt viele Leute, die können sich nur dieses 49-Euro-Ticket leisten." Und Student Moritz Plenk sagte zu einem möglichen Aus für das Ticket: "Das wäre auf jeden Fall kein gutes Signal in die Richtung der Verkehrswende."
Lösung frühestens im Oktober
Doch wie geht es nun weiter? Der Verband Deutscher Verkehrsunternehmen hatte vor einigen Tagen gefordert, dass Bund und Länder bis Ende September eine Lösung präsentieren müssten. Die Verkehrsunternehmen könnten sich sonst nicht auf 2024 vorbereiten. Doch danach sieht es nicht aus. Erst am 11. und 12. Oktober findet die reguläre Herbstsitzung der Verkehrsministerkonferenz statt, an der dann auch Wissing teilnehmen dürfte. In dieser Zeit tagt auch die Ministerpräsidentenkonferenz. Mindestens bis dahin dürfte noch munter weitergestritten werden über die Zukunft des Deutschlandtickets.
VRR erhöht auch wegen Deutschlandticket die Preise
Der Verkehrsverbund Rhein-Ruhr (VRR) hat schon am Donnerstag reagiert und eine Erhöhung der Preise für andere Tickets zum 1. Januar 2024 beschlossen. Als Grund werden allgemein steigende Kosten für Personal und Energie genannt – aber nicht nur. "Auch für den finanziellen Schaden, der den Verkehrsunternehmen durch geringere Einnahmen seit Einführung des Deutschlandtickets entstanden ist, ist die Tariferhöhung nötig", heißt es.
Semesterticket bleibt weiter unsicher
Auf der Sondersitzung des Verkehrsminister ging es auch um ein bundesweites Semesterticket auf Basis des Deutschlandtickets gehen. Die bisherigen Semestertickets gelten nur regional, das Deutschlandticket bundesweit. Der preisliche Unterschied zwischen ihnen ist aber gering. Die Länder wollen ein bundeseinheitliches Semesterticket für monatlich 29,60 Euro. Und auch dieser Streit mit dem Bund schwelt weiter.
Unsere Quellen:
- Ministerium für Verkehr des Landes Nordrhein-Westfalen
- Verkehrsverbund Rhein-Ruhr
- Nachrichtenagenturen dpa und AFP