An diesem Donnerstag wären Hendrik Wüsts Worte in Bergheim wohl nicht mit Applaus bedacht worden. Abends zuvor war der Ministerpräsident zu Gast bei den Zukunftsgesprächen im benachbarten Düren.
"Wo, wenn nicht hier, soll Strukturwandel gelingen?", fragte der CDU-Politiker. Ein paar Kilometer weiter und einen Vormittag später, wäre er Wüst mit seiner rhetorischen Frage Satz nicht weit gekommen. Denn in Bergheim tagt die SPD-Landtagsfraktion. Das Format nennt sie Revierkonferenz.
Gewerkschaften fordern Priorisierung
In der Innenstadt tummeln sich hauptsächlich SPD-Abgordnete und -Mitglieder. Die ebenfalls eingeladenen CDU-Bürgermeister lassen sich überwiegend nicht blicken. Der Leidensdruck anwesender Gewerkschafter und Verbandsvertreter ist groß und sie machen sich Luft.
"Es muss Schluss damit sein, dass die Landesregierung die Mittel dafür nutzt, was so gewünscht ist", kritisiert die nordrhein-westfälische DGB-Chefin Anja Weber per Videobotschaft. Was sie damit meint? Fördergelder für Reitanlagen in Aachen zum Beispiel oder für das Hockey in Mönchengladbach, die mit Mitteln aus dem Strukturfördertopf bezahlt wurden.
Ihr Kollege von der Gewerkschaft Bergbau, Chemie und Energie (IGBCE) stimmt ein. Es gehe gerade um die Frage, wie die energieintensive Industrie überlebe, so Alexander Bercht aus dem Vorstand der Gewerkschaft. Man müsse jetzt schauen, wie man Beschäftigung sichert.
"Bergbaumuseum ist kein Stukturwandel"
"Die Mittel sind an Aufbau neuer industrieller Wertschöpfung und Arbeitsplätzen gekoppelt", so Bercht. Wenn nicht, bekäme man ein Glaubwürdigkeitsproblem mit dem Umgang von Geldern für einen solchen Strukturwandel.
Das meint auch SPD-Fraktionschef Jochen Ott: "Ein Bergbaumuseum und neue Bushaltestellen am Forschungszentrum Jülich sind kein Strukturwandel", sagt er zum Beginn der Veranstaltung. Dabei soll auch die Revierkonferenz eine gewisse Sinnsuche der Sozialdemokraten sein, wo man steht. Eine erster Termin im Frühjahr musste verschoben werden, jetzt trifft man sich im großen Kreis.
Beim Gang durch die Arbeitsgruppen, gespickt mit Professorinnen, Wirtschaftsvertretern und Kommunalpolitikern, geht es ums Grundsätzliche. Stehen Flächenpläne bis zur Kommunalwahl? Was macht eigentlich einen erfolgreichen Strukturwandel aus? Welche Probleme bereitet das Beihilferecht der EU?
Die Sinnsuche nach dem Wandel-Rezept
Es sind die grundlegenden Dinge, auf welche die SPD Antworten sucht. Immerhin: Eine Konferenz in ähnlicher Größenordnung war im politsichen Raum nach der Entscheidung für den Kohleausstieg bis 2030 bisher nicht zu finden.
"Niemals zuvor stand soviel Geld für einen Strukturwandel zur Verfügung und niemals wurde so wenig daraus gemacht”, sagt Jochen Ott. Und auch wenn da seine Kanzlerpartei SPD sicher einen Teil zu diesem Befund beizutragen hat, sagt der Landtags-Oppositionsführer: “Schwarz-Grün betreibt einen Phantom-Strukturwandel”. Fest macht er das daran, dass es bisher keinen eigenen NRW-Fördertopf für das Rheinische Revier gibt.
SPD fordert Revierbeauftragten
Am Ende steht eine Art Abschlusspapier, das die SPD-Linien der nächsten Jahre vorgeben soll. Vor allem mit der Erkenntnis, dass es die Arbeitsplätze sein sollen, die Vorrang haben beim Strukturwandel. "Wir brauchen außerdem einen zuständigen Revierbeauftragten", sagt die Kölner SPD-Abgeordnete Lena Teschlade, die verantwortlich für die Konferenz ist.
Auch, dass es ein Mehr an solchen Veranstaltungen braucht, sagt sie. Auch mit anderen Parteien und Verbänden zusammen. Dagegen, so Teschlade, werde man sich nicht sperren.