Der Fall sorgte landesweit für Aufsehen: Im September vergangenen Jahres griffen Besucher des Essener Elisabeth-Krankenhauses das Klinik-Personal an, nachdem ein zuvor in die Notaufnahme eingelieferter Patient verstorben war.
Als die Ärztin der Familie die Todesnachricht überbrachte, wurde sie mit Schlägen und Tritten attackiert. Die Familie stürmte und verwüstete das Behandlungszimmer, insgesamt sechs Klinikmitarbeiter wurden verletzt. 20 weitere Personen fühlten sich nach Angaben der Klinik danach psychisch belastet und nahmen entsprechende Hilfsangebote in Anspruch.
Auch am Klinikum in Dortmund kennt man derartige Vorfälle - und greift nun zu drastischen Mitteln: Das Klinik-Personal soll dort künftig mit Bodycams ausgestattet werden. "Wir wollen ausprobieren, ob die Bodycams im Krankenhaus die gleiche Wirkung haben wie bei Polizei und Ordnungsbehörden", erklärt Arbeitsdirektor Michael Kötzing gegenüber dem WDR. Zuvor hatte sich die Klinik von der Polizei entsprechend beraten lassen. "Die Einschätzung von Stadt Dortmund und auch vom Polizeipräsidium in Dortmund ist, dass Bodycams deeskalierend auf mein Gegenüber wirken", so Kötzing.
Wie bei der Polizei auch sollen die Kameras grundsätzlich ausgeschaltet sein. "Sie werden nur in einem eskalierenden Fall eingeschaltet", erklärt Michael Kötzing die Pläne. "Denn genau das 'Ich werde ab jetzt aufgenommen' ist der deeskalierende Teil, den wir uns durch diese Bodycams erhoffen."
Datenschutzbeauftragte: "Keine dauerhafte Aufzeichnung"
Für die NRW-Datenschutzbeauftragte Bettina Gayk wäre der Einsatz von Bodycams auch nur unter dieser Voraussetzung denkbar, also eine Aufzeichnung nur im Einzelfall. "Ich könnte mir vorstellen, dass sich eine anlassbezogene Aufzeichnung im Rahmen der bestehenden Gesetze realisieren lässt", führt Gayk aus. "Ansonsten habe ich ja dauernd die Patienten im Bild, zeichne damit kranke Menschen auf. Dafür sehe ich keine Rechtsgrundlage."
Die Klinik betont unterdessen den Pilotcharakter der Maßnahme: "Wir werden danach feststellen, ob es funktioniert oder nicht. Aber den Versuch ist es uns wert", so Arbeitsdirektor Michael Kötzing.
Permanente Überwachung in der Notaufnahme?
Videoüberwachung gibt's auch am Elisabeth-Krankenhaus in Essen, allerdings nicht am Körper des Personals, sondern nur in sensiblen Bereichen der Notaufnahme.
Doch auch das sieht Datenschutzbeauftragte Gayk kritisch. Grundsätzlich halte ich eine dauerhafte Aufzeichnung von Notaufnahmeräumlichkeiten für unzulässig", betont Gayk. Es müsse stets dafür gesorgt werden, dass "nicht völlig unbetroffene Kranke mit aufgezeichnet werden." Allerdings kann die Datenschützerin auch nicht in jedem Fall tätig werden. "Für kirchliche Einrichtungen bin ich nicht zuständig", erklärt sie.
In Essen setzt die Klinikleitung allerdings nicht nur auf Videoüberwachung, sondern auf viele Maßnahmen. Dort gibt's nachts und am Wochenende einen Sicherheitsdienst, Deeskalationstrainer in der Notaufnahme oder auch Erklärfilme zur Überbrückung von Wartezeiten.
Bereits vor dem Angriff im September 2024 hatte das Krankenhaus zudem eine Kooperation mit dem Verein für psychosoziale Unterstützung "PSU Akut e.V." gestartet, um Mitarbeiter bei besonderen Belastungssituationen unterstützen zu können.
Emotionale Belastung in Notaufnahme
"In Einrichtungen der medizinischen Akutversorgung steigt die Wahrscheinlichkeit einer Gewalteskalation schneller", erklärt Simone Sturm, Pflegedirektorin der Essener Klinik, in einer Stellungnahme an den Landtag. In der Notaufnahme seien die Menschen etwa durch die lebensbedrohlichen Krisensituationen emotional stärker belastet. "Treffen diese Stressoren auf Menschen mit zusätzlichen Risiken und damit verminderter Einsichtsfähigkeit, bzw. fehlenden Bearbeitungsstrategien, steigt das Gewaltpotential", führt Simone Sturm aus.
Anhörung im Landtag
Am Mittwoch wird sich der Landtag mit ihrer Stellungnahme zum Thema Gewalt im Gesundheitswesen befassen. Im Gesundheitsausschuss werden daneben auch Sachverständige mehrerer Verbände angehört, unter anderem der Hausärzteverband Westfalen-Lippe oder die Kassenärztlichen Vereinigungen in NRW.
Laut ihren vorab veröffentlichten Stellungnahmen sind sich die Experten weitgehend einig, dass Gewalt im Gesundheitswesen nicht toleriert werden dürfe. Sie unterstützen deshalb unter anderem die Förderung von baulichen Sicherheitsmaßnahmen in den Kliniken sowie eine Verschärfung des Strafrechts.
Unsere Quellen:
- Gespräch mit Michael Kötzing vom Klinikum Dortmund
- Gespräch mit Bettina Gayk, NRW-Landesbeauftragte für Datenschutz
- Stellungnahme des Elisabeth Krankenhaus Essen im Landtag
- Stellungnahmen weiterer Verbände zum Thema
Über dieses Thema berichten wir am 13.1.2025 auch im WDR Fernsehen: Aktuelle Stunde, 18.45 Uhr.