Das Pflegeheim "Haus Elisabeth" in Solingen nennen die verbliebenen Mitarbeiter mittlerweile "das Geisterhaus". Vor drei Wochen noch haben hier 32 Pflegebedürftige gelebt. Jetzt ist das Altenheim leer. Laut Vermieter wurde seit Monaten keine Miete für das Haus bezahlt. Die fristlose Kündigung folgte. Innerhalb von nur wenigen Wochen mussten die alten Menschen ausziehen.
Ein Schock für Pflegebedürftige und Angehörige
Elisabeth Porysiak arbeitet in der Verwaltung des Altenheims. Sie musste den betagten Menschen die schwierige Situation erklären. "Ein Bewohner ist blind. Er hat viele Jahre hier gelebt. Als ich ihm sagte, er muss ausziehen, liefen ihm nur noch die Tränen runter. Das war schlimm", sagt Elisabeth Porysiak.
Marion Geißler brauchte für ihren dementen Mann schnellstmöglich eine Alternative. Zwar hat sie einen neuen Heimplatz gefunden. Ihr Mann aber fragt ständig, wann er wieder zurück ins Haus Elisabeth kann.
Betreiber lässt Mitarbeiter im Unklaren
Offenbar hat der Betreiber des Hauses Elisabeth finanzielle Schwierigkeiten. Ein Umbau im Heim wurde nicht fertiggestellt. Die Heimaufsicht verhängte einen Aufnahmestopp. Zuletzt sei die Auslastung unter 80 Prozent gewesen, sagen die Mitarbeiter. Das gilt für Pflegebetriebe als nicht wirtschaftlich.
Die Mitarbeiter fühlen sich alleingelassen. Das letzte Gehalt sei bisher nicht gezahlt worden. Die Arbeitsverträge seien aber nicht gekündigt worden. Auf WDR-Nachfrage teilt der immer noch eingetragene Geschäftsführer telefonisch mit, dass er das Haus verkauft habe und nicht mehr zuständig sei. Auf schriftliche Fragen zur wirtschaftlichen Situation der Einrichtung antwortet er nicht.
Weitere Pflegeeinrichtung insolvent
Derselbe Mann betreibt mehrere Pflegeheime in Deutschland. In Aachen ist er bekannt: Ralf Hochscherff, Präsident des Fußballclubs Alemannia Aachen. Ein Altenpflegeunternehmen, das er hier geführt hatte, musste Anfang des Jahres wegen Zahlungsunfähigkeit Insolvenz anmelden. Das scheint ihn nicht abzuschrecken. Mündlich hat Ralf Hochscherff mitgeteilt, weitere Pflegeeinrichtungen bauen, kaufen und betreiben zu wollen.
Ganze Branche leidet unter Kostendruck
Eine ganze Branche leidet gerade unter dem hohen Kostendruck und Fachkräftemangel. Die Energiepreise belasten die Altenpflege-Einrichtungen weiter. Wer nicht genügend Pflegepersonal vorhält, kann Betten nicht belegen. Einnahmeeinbußen sind die Folge. Sie treffen kommunale, gemeinnützige und private Träger gleichermaßen.
Dazu kommt: Seit vergangenem Jahr gilt eine Tarifpflicht für Pflegekräfte und Betreuer in der Altenpflege. Das treibt vor allem viele private Einrichtungen in die Enge, die nun höhere Gehälter zahlen müssen. Einen „toxischen Cocktail“ nennt das Bernhard Rappenhöner vom Bundesverband privater Anbieter sozialer Dienste (bpa).
Mehr als Zweidrittel der Einrichtungen in Existenznot
Mehrere große Pflegeketten wie Curata, Convivo und die Dorea-Familie haben seit Anfang 2023 Insolvenz angemeldet und sind von der Schließung bedroht. Insgesamt sind davon hunderte Pflegeheime betroffen mit tausenden Plätzen für pflegebedürftige Menschen.
Laut Zahlen des NRW-Gesundheitsministerium zeigt sich dieser Trend auch hier im Land. In den ersten drei Monaten dieses Jahres hat es in der Pflegebranche schon mehr Insolvenzen (27) gegeben als im gesamten Jahr 2022 (25).
Und es könnte noch schlimmer kommen. Eine Umfrage des Bundesverbandes bpa hat ergeben, dass bundesweit 70 Prozent der 2500 befragten Pflegeunternehmen Existenznöte haben.
System droht „zusammen zu brechen“
Dabei wird die Zahl der Menschen, die Pflege benötigen, demografisch bedingt weiter steigen, auch in NRW. Der Sozialdezernent der Städteregion Aachen, Michael Ziemons, ist besorgt. Er muss eigentlich sicherstellen, dass es ausreichend Pflegeplätze für die Bürgerinnen und Bürger gibt.
Nur seien auch in der Städteregion Aachen bereits weitere Einrichtungen von der Insolvenz bedroht. "Jedem ist klar, der in diesem Feld unterwegs ist, dass dieses System auf jeden Fall zusammenbrechen wird in der Zukunft", sagt Ziemons. Der Sozialdezernent hält es für zwingend, Lösungen zu finden, damit alte Menschen möglichst lange zuhause gepflegt werden können.
Brandbrief der Wohlfahrtsverbände
In einem Brandbrief an NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) machen die Wohlfahrtsverbände erneut auch auf ihre kritische Situation aufmerksam. Viele Angebote, auch in der Pflege, seien nicht ausreichend refinanziert. Es brauche finanzielle Hilfen von der Landesregierung und einen Stabilitätspakt. Das lehnt das Land bisher ab.