Es sind inzwischen gewohnte Bilder: Verzweifelte, wütende und traurige Bewohner müssen ein Pflegeheim verlassen. Kurzfristig, weil plötzlich die Konten des Heims leer sind. Das Pflegeheim "Am Kattewall" in Rheinberg ist bereits die vierte Einrichtung in NRW, die so endet. Bei allen Einrichtungen war der Aachener Pflege-Unternehmer und Ex-Präsident von Alemannia Aachen, Ralf Hochscherff, involviert.
In Rheinberg war es Ende August so weit. Innerhalb von vier Tagen musste das Heim geräumt sein. Am Montag (26.08.) erfuhren zuerst die Angehörigen davon, einen Tag später die Bewohner. Vor allem für demente Menschen ist jeder Umzug eine Katastrophe. Innerhalb so kurzer Zeit ist es nochmal schlimmer.
Konten geplündert
Wie konnte es so weit kommen? Die Konten des Heims waren geplündert und die Angestellten bekamen kein Geld mehr und kamen deshalb nicht mehr zur Arbeit. So einen Fall, sagt der Sozialdezernent des Kreises Wesel, Ralf Berensmeier, habe es hier noch nicht gegeben und so eine Situation wünsche er niemanden. Innerhalb einer halben Stunde habe seine Heimaufsicht Personal organisieren müssen, um den Betrieb aufrecht zuerhalten.
Wie bei den anderen Heimen ist auch in Rheinberg der Aachener Unternehmer Hochscherff involviert. Er hatte das Heim Anfang vergangenen Jahres über seine Gesellschaft Regis Residenzen GmbH übernommen und erst im April dieses Jahres wieder verkauft. Doch es gibt viele Ungereimtheiten zu diesem Verkauf. Bereits Anfang Juni hatten wir darüber berichtet, dass dahinter möglicherweise sogar ein Geschäftsmodell steckt.
Dubioser Käufer
Es ist derselbe Käufer, der auch andere Heime von Hochscherff übernommen hat. Alle mussten kurze Zeit später schließen, zum Beispiel in Bonn. Auch hier fehlten mehr als 140.000 Euro auf dem Heimkonto. Niemand hat ihn je gesehen oder mit ihm gesprochen. Ob es ihn überhaupt gibt oder ob er untergetaucht ist, das ist unklar.
Doch trotz all dieser Ungereimtheiten macht Hochscherff weiter. In Rheinberg lässt er sich kurz nach Bekanntwerden der Schließung des Heims blicken und soll nach Westpol-Informationen angeboten haben, eine neue Gesellschaft zu gründen, um das Pflegeheim am Kattewall zu übernehmen. So wollte er die Schließung des Heims verhindern, teilt sein Anwalt schriftlich mit. Auch sei es unmöglich, dass Hochscherff Gelder vom Heim umgebucht habe, denn er habe gar keine Kontovollmacht gehabt, weil er nur Gesellschafter gewesen sei.
Ob das stimmt, ist fraglich. Nach Westpol-Informationen hatte er bei anderen Heimen sowohl als Geschäftsführer als auch als Gesellschafter Zugriff auf die Heim-Konten.
Hochscherff weiter aktiv
Zuletzt war die Hochscherff-Gesellschaft bei zwei Pflegeheimen in Hessen und Bayern eingestiegen. Wie kann es sein, dass ein Mann, gegen den die Staatsanwaltschaft seit 15 Monaten wegen Insolvenzverschleppung, Bankrott und Betrug ermittelt, weiter Pflegeheime übernehmen kann?
Möglich macht das die Gesetzeslage. Wenn eine Gesellschaft ein Pflegeheim übernimmt, wird nur die Eignung der Heimleitung und der Pflegedienstleitung überprüft, nicht aber des Gesellschafters. Wer in Rheinberg neuer Gesellschafter geworden sei, konnte die Heimaufsicht des Kreises Wesel nicht wissen, sagt Sozialdezernent Berensmeier.
Schleppende Ermittlungen
Die Staatsanwaltschaft Aachen spricht auf WDR-Anfrage von komplexen Ermittlungen und erklärt, dass allein die Aufklärung der Gesellschafts- und Vermögensverhältnisse des Hochscherff-Netzwerks noch einige Zeit in Anspruch nehmen werde. Eine Durchsuchung habe es allerdings bislang nicht gegeben, so die Staatsanwaltschaft. Wichtige Zeugen sind nach Westpol-Informationen bislang auch noch nicht befragt worden.
Aufsichtsbehörde ist das Gesundheitsministerium NRW. Hier heißt es, dass man erst die staatsanwaltlichen Ermittlungen abwarten wolle, ehe man sich zum Fall äußere. Auch als wir Minister Karl-Josef Laumann (CDU) im Landtag konfrontieren, dass es hier doch darum ginge, dass Pflegeheime geplündert würden, stellt der klar, dass er sich erst nach Abschluss der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen äußern wolle.
Ehemaliger Heimleiter schockiert
Dabei könnte die Landesregierung solche mutmaßlich kriminellen Handlungen durch strengere Vorschriften verhindern. Das Gesundheitsministerium betont, dass die Unschuldsvermutung gelte. Erst wenn die Ermittlungen ein strafbares Verhalten ergeben, wolle man die Gesetzeslage neu bewerten. Die Staatsanwaltschaft ermittelt aber bereits seit 15 Monaten und kommt kaum voran. Ob der Sachverhalt überhaupt aufgeklärt werden kann, ist fraglich. Solange können Hochscherff und das von ihm begründete Firmengeflecht einfach weitermachen.
Besonders bitter ist das für Menschen wie Horst Thuro. Der war in Siegburg Leiter des inzwischen geschlossenen Visitatis-Heims. 2023 hatte er bis zuletzt mit seinen Mitarbeitern versucht den Heimbetrieb fortzuführen. Auch hier waren die Konten geplündert, auch hier war Hochscherff involviert. Deshalb hatte Thuro damals Anzeige gegen den Aachener Unternehmer gestellt. Dass auch nach mehr als einem Jahr die Ermittlungen kaum vorangekommen sind, schockiert ihn. Es gehe schließlich darum, solche Fälle für die Zukunft zu verhindern.
Über dieses Thema berichten wir im WDR am 15.09.2024 auch im Fernsehen: Westpol, 19.30 Uhr.