Trotz überlasteter Justiz: NRW will Referendarsstellen kürzen

Stand: 03.06.2024, 20:58 Uhr

In NRW sollen ab Juli weniger Juristen ausgebildet werden. Der Grund sei die Haushaltslage des Landes. Das Vorhaben sorgt schon jetzt für Kritik.

Von Philip Raillon

Das NRW-Justizministerium verkleinert seine Ausbildungskapazitäten. Das bestätigte das Ministerium auf WDR-Anfrage. Konkret geht es mittelfristig um rund 750 der Referendarsstellen für Juristinnen und Juristen - Lehramtsstudierende sind davon nicht betroffen. Beim Deutschen Richterbund und der FDP-Opposition sorgt das Vorhaben für Irritation und Kritik.

Wer sein Jura-Studium in Deutschland beendet hat, meldet sich in der Regel zeitnah zum Referendariat an. Diese zweijährige Zusatzausbildung mit abschließendem Staatsexamen ist Voraussetzung, um später als Anwalt, Richter oder Staatsanwalt arbeiten zu können.

Künftig 20 Prozent weniger Referendarsstellen in NRW

Ende vergangenen Jahres hatte die NRW-Justiz knapp 3.770 Referendare in ihren Reihen. Nach und nach sollen es nun weniger werden: Anfang 2025 noch 3.300, danach 3.000. Das bedeutet eine Kürzung von etwa 20 Prozent. Im Vergleich zu Coronazeiten, wo das Land NRW deutlich mehr Rechtsreferendare gleichzeitig beschäftigte, liegt der Unterschied gar bei einem Drittel.

"Die beabsichtigte Reduktion der Zahl der Ausbildungsplätze muss gestoppt werden", heißt es vom Deutschen Richterbund NRW. Die Sorge: Schon jetzt seien zahlreiche Stellen in den Staatsanwaltschaften unbesetzt, die Justiz finde immer weniger Nachwuchs. Auch die Zahl der unerledigten Ermittlungsverfahren stieg in NRW zuletzt stark an.

Durch weniger Referendarsstellen kämen dann auch weniger fertige Juristen auf den Arbeitsmarkt und das Personalproblem könne sich verschärfen, sagt Gerd Hamme, Geschäftsführer des Richterbundes in NRW, dem WDR. Derzeit sind bei den Staatsanwaltschaften in NRW etwa 110 Stellen unbesetzt, für etwa 60 ist aktuell noch keine Personallösung absehbar.

FDP-Fraktion fordert Bericht der Landesregierung

Dr. Werner Pfeil, FDP Aachen | Bildquelle: WDR/privat

In die gleiche Kerbe schlägt die FDP-Fraktion im Landtag. Werner Pfeil (FDP), rechtspolitischer Sprecher und Vorsitzender des Rechtsausschusses, will deshalb am Dienstag von der Landesregierung einen schriftlichen Bericht zu den Plänen fordern. Demnach hätten die Kürzungen schon konkrete Auswirkungen, da Referendare nun längere Wartezeiten genannt bekämen als ihnen zuvor schriftlich mitgeteilt worden sei.

In NRW können Juristinnen und Juristen ihr Referendariat bislang in jedem Kalendermonat beginnen - an unterschiedlichen Standorten. Das ist ein Vorteil im Vergleich zu anderen Bundesländern, wo teils nur in manchen Monaten des Jahres eingestellt wird.

Abgesehen von einigen besonders begehrten Ausbildungsorten, wie etwa Köln oder Düsseldorf, können Interessenten ihr Referendariat in der Regel zeitnah beginnen. Das dürfte sich bald ändern, räumt auch das Ministerium ein. Es könnten sich längere Wartezeiten ergeben, so ein Sprecher des Ministeriums.

Minister: Haushaltslage ist Grund für die Einsparung

Das Justizministerium erklärt die Einsparung mit der Haushaltslage des Landes, sie geschehe vorsorglich "um nicht schon heute für das Jahr 2025 umfangreiche haushaltswirksame Verpflichtungen zu treffen", so ein Sprecher. Das Land NRW zahlt jedem Rechtsreferendar derzeit grundsätzlich 1.375 Euro Brutto im Monat.

"Wir müssen verantwortungsbewusst handeln und wir müssen schauen, wie wir mit dem Geld, was wir haben, umgehen können", sagt Justizminister Benjamin Limbach (Grüne) im WDR-Interview. Er wolle aber weiter sicherstellen, dass genügend Referendare für den Arbeitsmarkt ausgebildet werden - trotz der geringeren Ausbildungsplätze.

Unsere Quellen

  • WDR-Interview mit Justizminister Benjamin Limbach
  • Stellungnahme NRW-Justizministerium
  • WDR-Interview mit dem Deutschen Richterbund
  • Offener Brief des Deutschen Richterbundes an Ministerpräsident Wüst
  • FDP-Fraktion im Landtag

Über dieses Thema berichtet der WDR auch am 03.06.2024 im Hörfunk in den Nachrichten.