Amoktaten: Gibt es Schutz vor psychisch kranken Tätern?

Stand: 12.06.2022, 16:00 Uhr

Berlin, Hamm, Dortmund: In den vergangenen Tagen hat es mehrere Fälle gegeben, in denen die mutmaßlichen Täter offenbar psychisch krank waren. Welche Möglichkeiten gibt es zu verhindern, dass solche Menschen sich oder andere gefährden?

In Nordrhein-Westfalen ist der Umgang mit psychisch kranken Menschen grundsätzlich klar geregelt - durch das Gesetz über Hilfen und Schutzmaßnahmen bei psychischen Krankheiten (PsychKG).

Für die akute stationäre Behandlung von Erwachsenen mit psychiatrischen Problemen gibt es in NRW 104 Fachkrankenhäuser und Fachabteilungen. Dazu kommen 156 Tageskliniken und psychiatrische Institutsambulanzen (PIA).

Akute Probleme – hier gibt es Hilfe

Wer akute psychische Probleme hat oder betroffene Angehörige, kann sich rund um die Uhr an die Notaufnahmen der Fachkrankenhäuser oder Fachstationen wenden.

Ob jemand mit psychischen Problemen dort stationär aufgenommen wird oder nicht, entscheiden die zuständigen Ärztinnen und Ärzte. Sie sind dazu verpflichtet, betroffene Menschen zu untersuchen – nicht aber dazu, sie aufzunehmen. Wer allerdings im Verdacht steht, sich oder Andere zu gefährden, muss stationär aufgenommen werden.

Prof. Borwin Bandelow, Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie Universitätsmedizin Göttingen | Bildquelle: Georg Wendt/dpa

Ob und wie gefährlich ein Patient ist, das ist aber auch für Experten nicht immer leicht zu beurteilen. "Das ist manchmal sehr unberechenbar. Die Ärzte haben manchmal keinen Anhaltspunkt, jemanden einzusperren. Man kann jemanden nur einsperren wenn er sich selbst gefährdet oder andere", sagt Professor Borwin Bandelow von der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie der Universitätsmedizin Göttingen.

Tat in Hamm wäre wohl kaum vermeidbar gewesen

Der mutmaßliche Täter von Hamm zum Beispiel hatte sich wegen Suizidgefahr freiwillig in Behandlung begeben, hatte sich dann aber selbst entlassen. Das war auch rechtens: Ist jemand freiwillig in einer psychiatrischen Klinik und nicht zwangsweise oder durch eine polizeiliche Anordnung untergebracht, gibt es keine rechtliche Grundlage, einen Menschen einzusperren.

Wäre die Tat in Hamm zu verhindern gewesen? "Wahrscheinlich nicht", sagt Prof. Borwin Bandelow. Menschen, die eine Tat planten, würden davon nicht vorher ihren Therapeuten erzählen

"Für Psychologen und Psychiater ist es oft schwer zu erkennen, ob eine Tat geplant ist. Für eine Schizophrenie zum Beispiel ist es typisch, dass eine Tat völlig unvorhersehbar geschieht. In den meisten Fällen ist das vorher nicht berechenbar."

Erkrankte Menschen müssen Behandlung wollen

Auch Fälle wie der aus Dortmund lassen sich offenbar nur schwer verhindern.

Das Problem ist nach Ansicht des Experten nicht, dass es zu wenig Behandlungsmöglichkeiten gibt, sondern, dass akut betroffene Menschen diese Möglichkeiten nicht nutzen. 

"Wenn Menschen einen Wahn haben und denken, man kann sie nicht behandeln, kann man sie nicht dazu zwingen", so Bandelow und er versichert: "Es mangelt sicher nicht an Therapieplätzen. Sie können innerhalb von 24 Stunden einen Kontakt zu einem Psychiater in einer Notfallklinik überall in Deutschland bekommen.“ 

Der mutmaßliche Täter aus Dortmund soll vergeblich versucht haben, bei einer psychischen Einrichtung Hilfe zu bekommen, heißt es aus dem Umfeld. Die Staatsanwaltschaft untersucht das gerade und auch, warum der Mann möglicherweise abgewiesen wurde.

Haben Sie Suizidgedanken? Hier gibt es Hilfe

Wer sich mit Suizidgedanken trägt, empfindet seine persönliche Lebenssituation als ausweglos. Doch es gibt eine Fülle an Angeboten zur Hilfe und Selbsthilfe, auch anonym.

Telefonseelsorge

Die Telefonseelsorge ist unter den Rufnummern 0800/111 0 111 und 0800/111 0 222 sowie 116 123 rund um die Uhr erreichbar. Sie berät kostenfrei und in jeder Hinsicht anonym. Der Anruf hier findet sich weder auf Ihrer Telefonrechnung noch im Einzelverbindungsnachweis wieder.

Menschen muslimischen Glaubens können sich an das muslimische Seelsorgetelefon wenden. Es ist ebenfalls kostenfrei und anonym 24 Stunden am Tag unter der Rufnummer 030/44 35 09 821 zu erreichen.

Chat der Telefonseelsorge

Die Telefonseelsorge bietet Betroffenen auch die Möglichkeit an, sich Hilfe per Chat zu holen. Dazu meldet man sich auf deren Webseite an.

E-Mail-Beratung der Telefonseelsorge

Menschen mit Suizidgedanken können sich auch an die E-Mail-Beratung der Telefonseelsorge wenden. Der E-Mail-Verkehr läuft über die Webseite der Telefonseelsorge und ist deshalb nicht in Ihren digitalen Postfächern zu finden.

Anlaufstellen für Opfer von häuslicher Gewalt

Das Hilfetelefon ist anonym, kostenfrei und rund um die Uhr unter 08000 116 016 erreichbar.

Der Weiße Ring bietet ebenfalls einen anonymen Telefondienst unter 116 006 sowie eine Online-Beratung.

Überblick auf Hilfsangebote

Darüber hinaus hat die Deutsche Gesellschaft für Suizidprävention (DGS) zahlreiche Informationen zu Beratungsstellen, Selbsthilfegruppen und sozialpsychiatrischen Diensten aufgelistet, an die sich Suizidgefährdete und Angehörige wenden können, um Hilfe zu erhalten. Entsprechende Informationen finden Sie unter nachfolgendem Link.