Die Angriffe auf Politiker in Dresden, Nordhorn und Essen werfen einen Schatten auf den EU-Wahlkampf. In den vergangenen Tagen kam es gehäuft zu Attacken auf Parteibüros und Wahlkampfstände. Wahlplakate wurden abgehängt und beschädigt, Wahlkampfhelfer aller Parteien bei ihrer Arbeit beschimpft und beleidigt.
Einen Anstieg der Zahlen belegen Daten der Bundesregierung, die auf eine kleine Anfrage der AfD hin veröffentlicht wurden. Demnach haben vor allem Attacken auf Politiker und anderen Repräsentanten der Parteien im vergangenen Jahr zugenommen. Nach den bislang vorläufigen Zahlen der Bundesregierung für 2023 war ihre Zahl nur im Jahr 2021 höher, dem zweiten Jahr der Corona-Pandemie.
Dabei muss jedoch unterschieden werden, ob es sich bei den Angriffen um Beleidigungen und Pöbeleien oder um Gewaltdelikte wie die Angriffe auf den Dresdener SPD-Politiker Matthias Ecke oder den dritten Bürgermeister aus Essen Rolf Fliß (Grüne) handelt, die in der Statistik noch nicht enthalten sind.
Denn vor allem die Grünen wurden im vergangenen Jahr Opfer vom Beschimpfungen, Drohungen und Beleidigungen. Schaut man jedoch auf die Zahl der Gewaltdelikte wie unter anderem Körperverletzung, wurden vor allem Politiker der AfD angegriffen.
Auch die Parteien in NRW sind wegen dieser Entwicklungen alarmiert. "Auch wenn wir solches Verhalten schon vom EU-Wahlkampf vor fünf Jahren oder der Landtagswahl 2022 kennen, beunruhigen uns die aktuellen Ereignisse", sagt Sercan Karaagac, der Co-Vorsitzende der Kölner Jusos.
Kölner SPD-Wahlkampfleiter: "Keiner geht allein"
Der ehrenamtliche Wahlkampfleiter der Kölner SPD ist selbst häufiger unterwegs und hängt Plakate für die EU-Wahl auf. "Das Problem ist, dass man den Beschimpfungen und Pöbeleien ausgeliefert ist, wenn man mit Bollerwagen und Leiter durch die Stadt zieht", sagt er im Gespräch mit dem WDR. Dabei beobachte er, dass die Anfeindungen immer häufiger persönlich sind. "Es geht dann nicht mehr um politische Inhalte, sondern die Wahlkampfhelfer werden direkt angegangen."
Damit diese dem etwas entgegensetzen können, schult sie die SPD seit einiger Zeit, wie sie die Situation deeskalieren können. "Wenn das nicht hilft und die Stimmung komplett kippt, raten wir ihnen sich zurückzuziehen", sagt Karaagac. "Und natürlich gibt es die Grundregel, dass niemand alleine Plakatieren geht."
Abgehängte Wahl-Plakate der AfD
Diese Methode wendet auch die NRW-AfD an. "So kann einer der Wahlkampfhelfer versuchen, die Situation zu beruhigen, während der andere im Notfall die Polizei alarmiert", sagt der Sprecher des Düsseldorfer AfD-Kreisverbands Elmar Salinger. Meist trauten sich die Passanten aber nur aus der Ferne zu pöbeln. Angriffe wie im Landtagswahlkampf 2022, als Helfer in Düsseldorf mit einem Besen attackiert worden seien, gebe es aktuell nicht.
Dafür würde aber der Ton bei den Beschimpfungen rauer. "Und da muss man sagen, sind wir schon einiges gewohnt", so Salinger im Gespräch mit dem WDR. "Beleidigungen wie 'Scheiß Nazis' zeige ich schon gar nicht mehr an." Trotzdem bremsten die Angriffe die Partei im Wahlkampf, wie Salinger sagt: "Vor allem, dass unsere Wahlplakate nicht nur beschädigt, sondern teilweise systematisch abgehängt werden."
Aufkleber mit Rasierklingen bei den Grünen in Gelsenkirchen
Auch für Dennis Nawrot, Kreisvorsitzender der Grünen in Gelsenkirchen, sind solche Angriffe mittlerweile Alltag. Erst am Samstagabend schlugen Unbekannte am Parteibüro eine Scheibe ein. Regelmäßig würde an ihre Scheiben gespuckt oder Aufkleber mit Rasierklingen darunter an den Scheiben angebracht.
"Ich kenne aber wirklich niemanden bei uns, der jetzt sagt, er macht deswegen weniger oder traut sich nicht raus", sagt Nawrot gegenüber dem WDR. Trotzdem müssten sich gerade die jüngeren und weiblichen Mitglieder Sorgen machen, weil auch körperliche Angriffe nicht mehr undenkbar seien.
FDP-Spitzenkandidatin will sich nicht einschüchtern lassen
Davon entmutigen lassen wollen sich trotzdem weder AfD noch SPD oder Grüne. "Natürlich macht das, was in Dresden passiert ist, Angst, aber es lähmt uns nicht", sagt Karaagac. "Alle, mit denen ich bei der SPD darüber geredet habe, sind noch motivierter für die Demokratie einzutreten."
Ähnlich sieht das die Spitzenkandidatin der FDP für die Europawahl, Marie-Agnes Strack-Zimmermann aus Düsseldorf. "Meine Kolleginnen und Kollegen, die speziell in Düsseldorf unterwegs sind, lassen sich davon - ich sage mal hoffentlich - nicht beeinflussen", sagt sie im Gespräch mit dem WDR. "Denn das wollen die Antidemokraten – genau das wollen die erreichen."
Unsere Quellen:
- Interview mit Sercan Karaagac (SPD)
- Interview mit Elmar Salinger (AfD)
- Interview mit Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP)
- Interview Dennis Nawrot (Grüne)
- Nachrichtenagentur dpa
Über dieses Thema berichtet der WDR am 5. Mai 2024 unter anderem auch im Fernsehen in der Aktuellen Stunde um 18.45 Uhr.