Linke-Spitzenkandidatin Reichinnek: "Niemand muss Milliardär sein"

Stand: 11.01.2025, 06:30 Uhr

In der WDR-Reihe "Auf einen Döner mit ..." hat sich die Linke-Spitzenkandidatin Heidi Reichinnek für eine Enteignung von Milliardären starkgemacht.

Von Lukas Fegers

Noch 43 Tage, dann ist es so weit: Nach dem Ampel-Aus wird ein neuer Bundestag gewählt. Am 23. Februar entscheiden die Wählerinnen und Wähler in Deutschland darüber, welche Parteien fortan die Regierungsrolle übernehmen können und wer stattdessen in der Opposition landet.

Bis es so weit ist, liegt die heiße Phase des Wahlkampfs vor uns. Im Mittelpunkt dabei stehen vor allem drei große Themen, die dem Deutschlandtrend zufolge die meisten Menschen hierzulande aktuell besonders bewegen: Wirtschaft, Krieg und Frieden sowie Migration.

Wie positionieren sich die deutschen Spitzenkandidatinnen und Spitzenkandidaten bei den großen Fragen dieser Zeit? Antworten darauf geben sie in den kommenden Wochen - bei einem Döner.

Raus aus dem Büro, ran an den Döner

Das Setting: Der für die Reihe gestaltete Döner-Foodtruck in Osnabrück | Bildquelle: WDR/Claus Langer

Für die Reihe "Auf einen Döner mit ..." hat der WDR alle Spitzenkandidatinnen und Spitzenkandidaten der im Bundestag vertretenen Parteien eingeladen. Den Auftakt machte jetzt Heidi Reichinnek, die gemeinsam mit Jan van Aken für die Linken bei der Wahl antritt.

Zur Mittagspause stand die 36-Jährige an einem Foodtruck auf dem Osnabrücker Marktplatz den beiden Moderatoren des WDR Newspodcasts 0630 Robert Meyer und Florian Gregorzyk Rede und Antwort. "Ich bin die Kandidatin, die mit Leidenschaft und verdammt viel Feuer und Wut im Bauch in den Bundestag geht, weil ich Bock habe, etwas zu verändern", sagte sie zu Beginn des Gesprächs.

Stärkung während des Interviews | Bildquelle: WDR

Zeit, in ihren servierten Gemüse-Döner zu beißen, nahm sich Reichinnek anschließend allerdings kaum. Dafür umso mehr, um über politische Inhalte zu diskutieren. Hier ihre wichtigsten Aussagen.

Wirtschaft: Milliardärs-Abgaben rauf, Mehrwertsteuer runter

Eine der wirtschaftlichen Kernforderungen der Linkspartei ist eine stärkere Besteuerung von hohen Einkommen und großen privaten Kapitalvermögen. Dies bekräftige Reichinnek auch im WDR-Interview. Dabei legte sie sogar nahe, dass Milliardäre in Deutschland enteignet werden müssten.

"Ich persönlich habe gar kein Problem, wenn die Leute sich entsprechend beteiligen. Wir tun immer so, als ob sie das freiwillig machen. Dazu hatten sie die Chance, das machen sie nicht", antwortete die Linke-Politikerin auf die Frage, ob man Milliardären ein Großteil ihres Vermögens wegnehmen wolle:

"Eigentum verpflichtet, steht im Grundgesetz. Wir helfen gerne, dieser Verpflichtung nachzukommen." Heidi Reichinnek, Spitzenkandidatin der Linken

Niemand müsse Milliardär sein, argumentierte Reichinnek und sprach von leistungslosem Einkommen: "Diese Milliarden, die sich da anhäufen, das kommt über Erbschaften, die nicht vernünftig besteuert werden, das kommt über Ausbeutung von Arbeitenden."

Analog zum Parteiprogramm plädierte Reichinnek zudem für eine Abschaffung der Mehrwertsteuer auf Grundnahrungsmittel. Dies entlaste vor allem Menschen mit geringem und mittlerem Einkommen, weil diese "prozentual viel mehr für Lebensmittel ausgeben". Auch nannte sie eine Aufstockung des Mindestlohns auf 15 Euro als Ziel.

Heidi Reichinnek kritisierte die VW-Konzernspitze | Bildquelle: WDR/Claus Langer

Mit Blick auf die Sparpläne beim kriselnden Autokonzern VW verwies Reichinnek auf die Verantwortung der Konzernspitze. Denn der Vorstand habe darauf gesetzt, große und teure SUV zu bauen, weil dort die Gewinnmarge hoch sei. "Dann kann man halt viereinhalb Milliarden Dividende an die Aktionäre ausschütten. Jetzt fehlen diese Milliarden, jetzt soll die Belegschaft bluten und jetzt sollen die Werke geschlossen werden", so Reichinnek.

In diesem Zusammenhang forderte die Linke-Spitzenkandidatin, dass es mehr Beteiligung der Beschäftigten brauche. Die Belegschaft hätte "seit Jahr und Tag gesagt, wir müssen auf kleine kompakte E-Autos setzen, die die Menschen sich auch leisten können".

Krieg und Frieden: Mehr Diplomatie statt mehr Waffen

Sicherheitspolitisch machte sich Reichinnek dafür stark, dass sich Deutschland mittelfristig von der NATO in der jetzigen Form emanzipiere. "Wir hätten gerne ein Sicherheitsbündnis, das ein europäisches Sicherheitsbündnis ist", kündigte die 36-Jährige analog zum Wahlprogramm ihrer Partei an.

Die NATO führe laut Reichinnek Angriffskriege, "seien es die USA, sei es die Türkei. Und man muss auch sagen, dass die NATO jetzt nicht unbedingt eine Friedensrolle gespielt hat."

Einen Schritt in Richtung eines europäischen Verteidigungsbündnisses zu gehen, sei wichtig. Das heiße jedoch nicht, "dass wir von heute auf morgen aus der NATO raus wollen", so die Spitzenkandidatin.

Hinsichtlich des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine pocht Reichinnek auf mehr Diplomatie und mehr diplomatischen Druck. Denn:

"Diese ganze Logik der Abschreckung hat bisher nicht funktioniert und wird auch zukünftig nicht funktionieren, weil die Spirale geht immer weiter." Heidi Reichinnek, Spitzenkandidatin der Linken

In ihrem Wahlprogramm wendet sich die Linke grundsätzlich gegen Auslandseinsätze der Bundeswehr und gegen Rüstungsexporte. Zwar verurteilt die Partei ausdrücklich den russischen Angriffskrieg, lehnt aber auch Waffenlieferungen an die Ukraine ab.

Hinsichtlich des letzteren Punktes sagte Reichinnek, dass es "eine ganze Menge zwischen Nichtstun und Waffen liefern" gebe. Der Ukraine-Krieg werde nicht militärisch entschieden: "Und deswegen sagen wir, wir müssen aufhören, immer nur darüber zu diskutieren, wie viele Waffen wir noch liefern."

Migration: Humane Flüchtlingspolitik

In der Migrationsdebatte machte Reichinnek derweil deutlich, dass sie straffällig gewordene Asylbewerber nicht per se abschieben wolle.

"Strafrecht und Asylrecht sind zwei unterschiedliche Paar Schuhe und die möchte ich auch nicht vermischen." Heidi Reichinnek, Spitzenkandidatin der Linken

Wenn jemand straffällig geworden sei, werde er entsprechend verurteilt und müsse die Strafe in Deutschland absitzen oder zahlen - egal, woher er komme.

Robert Meyer und Florian Gregorzyk führten das Interview | Bildquelle: WDR/Claus Langer

Alle Verschärfungen des Asylrechts lehnen die Linken in ihrem Wahlprogramm ab. Auch im WDR-Interview zeigte sich die Spitzenkandidatin diesbezüglich empathisch. "Wir sagen: Alle, die Schutz brauchen, werden ihn hier finden. Wir müssen die Menschen unterstützen, wir müssen die Kommunen unterstützen", hob Reichinnek hervor und sprach von einer humanen Flüchtlingspolitik.

Klammen Kommunen müsse geholfen werden, ihre Schulden abzubauen. "Die bekommen immer mehr Aufgaben aufgedrückt und immer weniger Mittel von Ländern und Bund weitergeleitet. Da könnten wir helfen", so die Bundestagsabgeordnete.

Dadurch könnten Kommunen "ein bisschen Bewegungsfreiheit" erhalten und wieder mehr investieren - beispielsweise in dezentrale Unterbringungen.

Das komplette Interview zum Nachhören gibt es hier im WDR Newspodcast 0630:

Unsere Quellen:

  • Interview mit Heidi Reichinnek (Die Linke)
  • Tagesschau-Artikel zum Deutschlandtrend

Über dieses Thema berichtet der WDR am 11.01.2025 auch im Fernsehen: Aktuelle Stunde, 18.45 Uhr.