"Glorreiche Taten" von Ferdia Lennon

Stand: 05.04.2024, 12:00 Uhr

Der libanesisch-irische Autor Ferdia Lennon lässt in seinem Debütroman "Glorreiche Taten" Griechen in der Gefangenschaft in Syrakus Euripides-Dramen aufführen – ein praller Spaß. Eine Rezension von Dirk Fuhrig.

Ferdia Lennon: Glorreiche Taten
Aus dem Englischen von Thomas Überhoff.
Rowohlt, 2024.
336 Seiten, 25 Euro.

"Glorreiche Taten" von Ferdia Lennon Lesestoff – neue Bücher 05.04.2024 05:16 Min. Verfügbar bis 05.04.2025 WDR Online Von Dirk Fuhrig

Download

Syrakus im Jahr 412 vor unserer Zeitrechnung. Zwei junge Männer genießen den Sieg ihrer Stadt über das griechische Heer, das den Peloponnesischen Krieg gegen den Erzfeind Sparta bis nach Sizilien ausgeweitet hat.

"Sie schauen zurück. Einer salutiert. Arrogant, diese Spartaner, aber ach, was geht’s mir gut. ,Nieder mit Athen!’ Jetzt salutieren zwei, aber schwunglos. Sie sehen müde und traurig aus, wie Gelon. ,Ich sage, Perikles ist ein Arsch!’ ,Perikles ist tot, Lampo.’ ,Ja, klar, sag ich doch, Perikles ist ein toter Arsch!’"

Gelon und Lampo heißen die beiden Syrakuser Helden. Der dialogische Jugendsound, in dem sie sich lässig unterhalten, prägt das gesamte Buch.

"Diesmal lachen zwei der Spartaner, und alle vier salutieren. Ach, und ich fühl mich so glücklich heute. Ich kann’s nicht erklären, aber was ist das für eine Stimmung! Das sind immer die besten. Die, die du dir nicht erklären kannst, dabei haben wir noch nicht mal die Athener gefüttert."

Diese "Fütterung" ist nahezu wörtlich zu nehmen. Denn Tausende Soldaten aus Athen sind in einem Steinbruch interniert. Sie liegen in Ketten, werden zu Tode gehungert. Die griechische Invasionsarmee – und Athen als dominierende Supermacht – wurde in Syrakus vernichtend geschlagen.

Und so drängt unter dem burschikosen Halbstarken-Plauderton eine finstere Geschichte von Folter, Demütigung und Gewalt nach oben. Man weiß nicht ganz genau, warum: Aber mit einem Mal kommen die zwei jungen Müßiggänger auf die Idee, ein Theaterstück zu inszenieren. Aber klar: Was hatte man sonst so zu tun als Freizeitbeschäftigung in der antiken Welt: Gab’s keine Belagerungen mit Trojanischen Pferden oder Olympisches Nackt-Wettrennen – dann eben eine Bühnenshow. Um’s Geld ging’s auch damals schon beim Theater.

",Wir brauchen einen Voranschlag.’ ,Einen Voranschlag?’ ,Für die Kostüme und Masken. Wir brauchen einen Kostenvoranschlag, damit wir, wenn wir später zurückkommen, wissen, was wir aushandeln müssen.’"

"Medea" von Euripides soll es sein. Gelon und Lampo kümmern sich um die Regie, die Darsteller werden aus den todgeweihten Athenern rekrutiert – die auch nahezu begeistert mitmachen. Denn in ihnen schlummert eine Ahnung von Poesie, von der Zivilisation, die Athen, neben der Kriegskunst, hervorgebracht hat. Die griechischen Dichter stehen auch bei den kulturell noch leicht unterbelichteten Feinden hoch im Kurs. Und so fiebert alles auf die Premiere hin:

"Seit dem Krieg waren nicht mehr so viele Syrakusaner und Athener zusammen an einem Ort. Die Syrakusaner haben sich halbkreisförmig verteilt, beinah wie in einem richtigen Theater, und auf Steinen Platz genommen, auch auf den bereits erwähnten improvisierten Gräbern. Die Menge schweigt. Ihr Schweigen ist unheimlich. Sie glotzt mit verstörender Spannung."

Ein bisschen zynisch ist das bei genauerem Lesen schon, dieser antike Gefangenenchor aus ausgezehrten Häftlingen. Vermutlich wollte der studierte Altertumsforscher Ferdia Lennon in seinem Debütroman der berüchtigten kathartischen Wirkung des Theaters huldigen.

Die Bühnenkunst bringt hier keine besseren, moralischeren Menschen hervor. Aber sie bringt die Feinde jedenfalls an einem Ort, dem Theater zusammen, in dem sie das "Mitleiden", die Katharsis, erspüren.

Über die erzählerischen Längen dieses mehr als 300 Seiten dicken Antiken-Schwanks liest es sich dank des flapsigen Stils – gelenkig übersetzt von Thomas Überhoff – flott hinweg. Das Ganze hat ein wenig die Anmutung, als sei es der Idee eines altphilologischen Oberseminars für die Semesterabschlussfeier entsprungen.

"Meine Stimme klingt furchtbar schrill, aber jetzt Augen zu und durch! ,Wir haben heute ein Kracher-Stück für euch, also wirklich, da könnt ihr euch auf was gefasst machen.’"

…so kündigt der Regisseur die Premiere an. Ferdia Lennon lässt es in seinem Roman auch so richtig krachen. Das ist sprachlich pointiert, hemmungslos überzeichnet, grotesk und durchgeknallt. Kein literarisches Meisterwerk – aber eine reizende Komödie. Antiken-Comedy.