Auf dem Bild ist eine Illustration des Bestatter Luis Bauer zu sehen.

Interview Luis Bauer

Warum gehört der Tod auch auf TikTok, Luis Bauer?

Stand: 27.10.2023, 10:43 Glücksfunken

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Luis Bauer arbeitet als Bestatter, seit er 15 Jahre alt ist. Heute klärt er als TikTok-Star über das Sterben auf. Er sagt: „Sprecht über den Tod“.

kugelzwei: Luis, du hast heute schon einen Arbeitstag hinter dir. Wie sah der aus?

Luis Bauer: Heute war es eigentlich ruhig. Ich habe mit einer Praktikantin einen Verstorbenen aus dem Krankenhaus abgeholt und habe ihn dann anschließend gleich versorgt, also gewaschen, angekleidet, in den Sarg eingebettet. Dann stand noch eine Fahrt zum Friedhof an und dann bin ich auch schon heimgegangen und habe bis jetzt gerade noch Videos geschnitten, also TikToks.

Über Luis Bauer

Luis Bauer ist 2005 geboren und einer der jüngsten Bestatter Deutschlands. Hauptberuflich versorgt er im Unternehmen seines Vaters in Fürth Verstorbene, seit er 16 ist. Mit Clips über seinen Berufsalltag erreicht er auf TikTok ein Millionenpublikum. Auf Social Media spricht er offen über den Tod, Trauer und Abschied und will so über das Sterben aufklären.

kugelzwei: Ist das ein normaler Arbeitstag für dich? Wie viel hast du an einem durchschnittlichen Tag zu tun?

Luis Bauer: Meinst du mit Bestattung oder Social Media? Erstmal arbeite ich als Bestatter. Bestattungsdienstleistungen, Verstorbene abholen, Verstorbene waschen, Verstorbene versorgen, einbalsamieren, von A nach B fahren, Trauerfeiern und so was. Danach habe ich dann entweder frei oder mache was für Social Media, heißt Videos schneiden et cetera, wenn es die Zeit zulässt.

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Aber ich sage auch immer wieder: Das Bestatten oder die Arbeit als Bestatter ist das, was mir am meisten Spaß macht. Und wenn ich mich entscheiden müsste, würde ich mich dafür entscheiden.

kugelzwei: : Wie bist du dazu gekommen, Bestatter zu werden?

Luis Bauer: Meinem Vater gehört eine Firma, Bestattungen Burger. Das bedeutet, ich bin damit aufgewachsen und bin halt auch mit reingewachsen. Ich habe früh schon mitbekommen, was man so macht als Bestatter. Ich war immer schon mit dabei. Dann bin ich älter geworden und habe dort einen Minijob gemacht, weil ich mir ein bisschen Geld nebenbei verdienen wollte.

In dem Minijob ist mir aufgefallen, wie viel Spaß mir das tatsächlich macht. Und dann habe ich mich dazu entschieden, nach der zehnten Klasse runterzugehen vom Gymnasium. Das ist, würde ich sagen, einfach wirklich durch die Familie gekommen.

kugelzwei: Wie war das für dich als Kind? Hattest du da keine Angst vor den Toten?

Luis Bauer: Das war eher Interesse. Ich habe zum ersten Mal einen Verstorbenen gesehen, da war ich im Kindergarten oder in der Grundschule. Das ist so ein bisschen, wie wenn jemand mit einem Hund aufwächst. In der Familie war immer ein Hund dabei. Dann wird die Person mit hoher Wahrscheinlichkeit keine Angst vor Hunden haben, wenn sie älter ist.

So ist das vielleicht auch ein bisschen bei mir. Dadurch, dass ich damit aufgewachsen bin, musste ich nie über so eine Schwelle gehen zu sagen: „Nee, das ist jetzt komisch“ oder „Boah, jetzt muss ich raus aus dem Raum, weil jetzt haut‘s mich um“. Das gab es nicht und das ist irgendwann mehr und mehr Interesse geworden.

kugelzwei: Was ist denn für dich das Schöne an diesem Job?

Luis Bauer: Ich glaube für mich macht am meisten aus, dass es eine bunte Mischung ist. Also du hast einen sehr abwechslungsreichen Alltag. Du hast eine Mischung, einmal aus der emotionalen Arbeit für die Angehörigen. Da sein, die Leute betreuen, wirklich für Menschen da sein, in einer schwierigen Lebenssituation.

Das, gemischt mit technischer Arbeit, bei der man sich einfach sachlich auf einen Ablauf konzentrieren muss, den man lernen muss, bei der man Skills haben muss. Das ist eine Kombination, die den Job für mich reizvoll macht.

Ich glaube, wenn man sich in einem gesunden Maß mit dem Tod auseinandersetzt, kann man einfach besser damit umgehen, wenn es einen selber mal betrifft. Luis Bauer

kugelzwei: Der Tod ist ein Thema, mit dem sich die meisten eher weniger oder nicht so gerne beschäftigen. Warum rätst du dazu, das zu tun?

Luis Bauer: Ich glaube, wenn man sich in einem gesunden Maß damit auseinandersetzt, kann man einfach besser damit umgehen, wenn es einen selbst mal betrifft. Ich höre ganz oft den Satz „Ah ja, so schlimm ist es eigentlich gar nicht. Das habe ich mir anders vorgestellt.“ Und ja, genau. Woher soll man es auch wissen, wenn man es nicht einmal gesehen hat?

Das höre ich auch von ganz, ganz vielen Angehörigen. Wenn die wissen, was passiert und wie es weitergeht; wenn die eine Sicherheit haben, nimmt das schon ganz viel Last weg. Die Trauer natürlich nicht, das ist ja logisch. Aber man kann besser damit umgehen.

kugelzwei: Du hast auf TikTok mehr als 1 Million Follower:innen. Warum, glaubst du, funktioniert das Thema Tod so gut auf Social Media?

Luis Bauer: Ich glaube, das funktioniert so gut, weil es das vorher so noch nicht gab. Also es hat nicht wirklich jemand in dem Ausmaß, wie ich es mache, hinter die Kulissen schauen lassen. Das Thema betrifft jeden.

Wenn man das Video sieht oder wenn man das Thema hört, dann schwingt irgendwie immer mit: „Okay, ja, ich bin ja auch irgendwann mal dran.“ Vielleicht noch nicht greifbar, aber man schaut dann doch vielleicht hin, wenn man dann Sarg sieht und merkt „Oh krass, da geht es ja um das Thema Tod“. Das betrifft jeden und die wenigsten wissen darüber Bescheid.

kugelzwei: Welche Fragen erreichen dich durch die Menschen, die dir folgen?

Luis Bauer: Das kann man nicht pauschalisieren. Das ist alles. Also zum Beispiel: Wie riecht der Tod? Wie kalt ist es in der Kühlung? Dauert es länger, jemand Korpulenteres im Ofen zu verbrennen, als jemanden, der dünner ist? Kann man sein verstorbenes Haustier mit in den Sarg nehmen? Machst du Gelnägel von Toten ab? Was kann in den Sarg mit rein? Einfach alles.

kugelzwei: In einem deiner Videos klärst du beispielsweise darüber auf, dass Toten vor der Bestattung der Mund zugenäht wird. Welche Reaktionen bekommst du darauf?

Luis Bauer: Sehr gemischt. Die einen finden es eher spannend und bewundern dann das Handwerk und sagen: „Ey, Respekt, was ihr da leisten müsst“. Andere Leute wiederum finden das eher komisch und zu krass und eklig. Wieder andere finden das super und sagen „Ey, cool, dass ihr das macht. Mein Bestatter hat's nicht gemacht und meine Oma lag mit offenem Mund im Sarg. Ich kriege das Bild nicht mehr aus dem Kopf“. Das ist wirklich ganz gemischt.

kugelzwei: Trauerfeiern sind bei uns eher steif – in anderen Kulturen wird aber richtig Party gemacht. Was hast Du schon für Trauerfeiern erlebt?

Luis Bauer: Hauptsächlich ist es was Trauriges. Gedrückte Stimmung, ein trauriges Event. Aber manche Trauerfeiern stechen schon raus. Gerade wenn jemand Jüngeres stirbt, will die Familie das einfach ein bisschen anders gestalten. Die sagen, wir haben keinen Bock drauf, dass das so klassisch gemacht wird. Kommt doch bitte alle in bunter Kleidung und wir hören einfach noch mal die Lieblingslieder.

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Wir haben auch schon Biertische am Grab aufgebaut, dann hat jeder noch mal angestoßen, mit einem Glas Sekt. Aber die Regel würde ich sagen, also die Standard-Trauerfeier in Deutschland, ist schon einfach das traurige Event, wie du es gerade beschrieben hast.

kugelzwei: Glaubst du, dass es Menschen guttun würde, ein bisschen mehr zu feiern?

Luis Bauer: Das ist eine gute Frage. Vielleicht ändert sich das, wenn die jüngere Generation dann auch älter wird. Ich kann dir bloß sagen, wenn man das jetzt einfach mal auf die Dorfbewohner anwenden würde und vorschlagen würde, dann würdest du da gegen Mühlen laufen. Da ist schon sehr viel Tradition drin und die Branche bewegt sich ganz langsam, bis da mal was passiert. Aber ich würde schon sagen, dass es individueller wird und sich was ändert. Gerade, wenn die Jüngeren nachkommen.

kugelzwei: Du hast jeden Tag mit trauernden Menschen zu tun. Wie grenzt du dich privat davon ab?

Luis Bauer: Ich kann mich zum Glück gut abgrenzen. Muss man auch können, wenn man in dem Beruf arbeitet. Du darfst nicht mittrauern. Wenn du tatsächlich jeden Trauerfall mittrauern würdest, dann wärst du falsch in diesem Beruf.

Ich fühle schon mit und es sind auch wirklich oft Gänsehautmomente. Aber es ist auch nicht mein Leid. Mir geht es dann darum, meine Arbeit gut zu machen. Dass das für die Familie in der Situation angemessen ist. Wie ich das mache, kann ich dir ehrlich gesagt gar nicht sagen. Ich habe da keine Anleitung für.

kugelzwei: Gibt es Momente für dich, die dich an deine Grenze gebracht haben?

Luis Bauer: Es ist immer was anderes, wenn man die Person kennt, die vor einem liegt. Das würde ich als Grenze beschreiben. Das hatte ich auch schon. Zum Glück nicht ganz eng. Aber ein alter Schulfreund, mit dem war ich in der fünften oder sechsten Klasse befreundet, der ist gestorben und da wollte ich mich dann auch selbst drum kümmern.

Dann zieht das nicht mehr, was ich dir gerade gesagt habe: Dass das nicht mein Leid ist. Denn wenn ich die Person kenne, dann habe ich da natürlich einen Bezug zu und das war schon schwer. Aber es hat mir dann im Nachhinein auch geholfen, würde ich sagen, weil ich es selbst gemacht habe.

kugelzwei: Wie stehst du persönlich zum Tod?

Luis Bauer: Also ich habe da keine Angst vor. Das kommt sicher auch mit dem Alltag und mit der Routine, weil ich einfach ganz genau weiß, was passiert; zumindest auf der irdischen Seite. Aber ich habe keine Idee von meiner eigenen Trauerfeier. Das sollen dann die machen, die übrig bleiben. Ich denke da gar nicht so viel nach.

Ich habe keine Angst vor dem Tod. Das ist vielleicht die Ironie daran, dass ich Bestatter bin und gar nicht so viel über den eigenen Tod nachdenke. Luis Bauer

Das ist vielleicht auch die Ironie daran, dass ich Bestatter bin und gar nicht so viel über den eigenen Tod nachdenke. Natürlich gibt es Situationen, wenn man gerade einen heftigen Fall hat und sich denkt: „Ey, scheiße, wie schnell kann es wirklich vorbei sein.“ Aber das war es auch.

kugelzwei: Du gibst auch Tipps, wie man mit Trauer umgehen kann. Was würdest du sagen, ist ein guter Weg?

Luis Bauer: Das ist eine sehr schwierige Frage. Tatsächlich eine der schwierigsten. Auf jeden Fall ist es wichtig, das nicht zu verdrängen. Du musst realisieren, dass das wirklich wahr ist. Deswegen empfehlen wir auch immer einen Abschied und die Person wirklich nochmal zu sehen.

Manchen Leuten empfehle ich auch Rituale. Man kann zum Beispiel Erinnerungssteine kaufen. Der eine Stein kommt zur verstorbenen Person in den Sarg oder vielleicht sogar in die Hand und den anderen hat man immer dabei. Dann hat man eine Verbindung.

Was ich gerade bei der jüngeren Generation schon oft gehört habe, ist, dass man einfach mit der Person weiter Nachrichten schreibt. Man erzählt einfach, wie der Tag war, weil das die letzten fünf Jahre auch immer so war. Aus diesen Sachen muss sich jeder was rauspicken.

Luis Bauer über eine gute Zukunft und inspirierende Ideen

Luis Bauer: Dann würde sie für mich so aussehen, dass es nicht so viel Hass gäbe. Dann gäbe es nicht so viele Kriege und wir könnten alle Weltprobleme wie Hunger und den Klimawandel beseitigen. Auch, wenn das sehr unwahrscheinlich ist. Und es wäre so, dass jeder Mensch das machen kann, was ihn glücklich macht.

Luis Bauer: Das sind andere Video-Creator, die auf ganz verschiedenen Ebenen und Plattformen ganz unterschiedliche Leute erreichen. Ich finde es faszinierend, wie manche Leute wie zum Beispiel Knossi viele Menschen auf unterschiedliche Ebenen begeistern können und denen was mitgeben können.

Das hat mich inspiriert.

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