Trauerkultur
Trauerrituale weltweit: So wird der Tod gefeiert
Stand: 24.10.2024, 10:01 Von Ann Sandmeyer Glücksfunken
Von Ann Sandmeyer
Dialogbox
KommentierenDas Leben von Verstorbenen feiern wie in Jamaika. Geliebten Menschen mit einem Fest gedenken, wie beim Tag der Toten in Mexiko. Wir haben 5 Beispiele gesammelt, wie andere Kulturen mit Trauer und Gedenken umgehen.
Ghana und Jamaika: Hier ist die Beerdigung ein Fest
Die Bestattungskulturen sind weltweit sehr unterschiedlich. In Ghana zum Beispiel sind Begräbnisse große Feste, die oft mehrere Tage dauern und zu denen hunderte Gäste kommen, um das Leben der oder des Toten zu feiern. Sie sind sehr wichtig, um den Status der Familie zu zeigen: je eindrucksvoller die Beerdigung, desto größer das Ansehen. Eine Beerdigung ist für viele wichtiger als eine Hochzeit und kann sehr teuer sein. Viele Familien verschulden sich, um ihren Verstorbenen ein besonderes Begräbnis zu ermöglichen.
In Jamaika feiern Familien nach einem Todesfall das Nine-Night-Ritual. Neun Nächte lang wird der oder die Verstorbene mit Gebeten und Liedern geehrt. Die Seele soll in dieser Zeit vom Körper loslassen. Am neunten Abend gibt es dann eine große Party mit Musik und viel Rum. Freund:innen und Familie kommen zusammen, um den Übergang der Seele ins Jenseits zu feiern – oft bis in den Morgen hinein. Dieses Trauerritual ist ein fröhlicher Abschied, der den Tod als Teil des Lebens anerkennt.
Indonesien und Mexiko: Besuch bei den Verstorbenen am Tag der Toten
Zum Tod in anderen Kulturen gehört nicht nur die Beerdigung selbst, sondern darüber hinaus der Toten regelmäßig zu gedenken. Beim Volk der Toraja auf der indonesischen Insel Sulawesi besuchen die Toten ihre Zurückgelassenen – im wahrsten Sinne des Wortes.
Bei der Ma’Nene-Zeremonie holen die Trauernden die mumifizierten Körper ihrer Vorfahren aus den Gräbern. Sie reinigen sie, ziehen ihnen neue Kleidung an und machen Familienfotos. Diese Zeremonie findet in manchen Dörfern jedes Jahr statt, in anderen seltener. Es ist ein fröhliches Fest, bei dem die Familien zusammensitzen, essen und feiern. Angst vor den Toten hat hier niemand.
Der “Día de los Muertos“ in Mexiko ist ein buntes Fest, bei dem die Toten geehrt werden. Die Menschen ziehen in Kostümen durch die Straßen. Sie stellen auf den Friedhöfen oder Zuhause Altäre mit Kerzen, Fotos und Essen auf. So sollen die Geister der Toten nach einer langen Reise im Reich der Lebenden willkommen geheißen werden. Denn die Menschen glauben, dass die Seelen der Toten an diesen Tagen ihre Familien besuchen.
Halloween, Allerheiligen und Tag der Toten:
Es ist interessant, dass viele Trauerrituale weltweit im Herbst stattfinden. In verschiedenen Kulturen ist der Übergang von Oktober zu November eine Zeit, die eng mit dem Tod verknüpft ist. Schon die Kelten in Irland haben geglaubt, dass sie am 31. Oktober Kontakt mit den Toten aufnehmen können. Ihre Traditionen sind der Ursprung für das heutige Halloween.
In Deutschland wird am 02. November der Verstorbenen gedacht, am katholischen Feiertag Allerseelen. Ursprünglich wurde an diesem Tag Ablass geleistet, um die Seelen vor dem Fegefeuer zu bewahren. Der Tag der Toten in Mexiko wird meist vom 31. Oktober bis 02. November gefeiert. Das Fest geht auf die Zeit der Maya und Azteken zurück, die ihren Angehörigen mit den Ritualen bei der Reise in die Welt der Toten helfen wollten.
China: Der Trauer ihren Lauf lassen
In China gehört lautes Wehklagen zur Trauerkultur. Einige Familien engagieren sogar Trauer-Animateur:innen, die mit ihrem lauten Weinen und Klagen andere dazu ermutigen sollen, ebenfalls zu trauern. Diese „Klagefrauen“ werden dabei teilweise auch noch von einer Band begleitet. Eine lebhafte Trauer soll helfen, die Verbundenheit mit den Verstorbenen zu zeigen.
Deutschland: Könnten wir von den Trauerritualen weltweit etwas lernen?
Der Umgang mit dem Tod wird über Generationen erlernt. Dass Menschen in Deutschland eine ausgelassene Party feiern, wenn jemand stirbt, wirkt da nicht wahrscheinlich. Eine australische Studie aus dem Jahr 2021 zeigt aber, dass es hilfreich ist, sich mit dem Thema auseinanderzusetzen und darüber zu sprechen.
Was also wäre, wenn der Tod bei uns nicht so ein Tabu-Thema wäre? Vielleicht würden wir alle in “Letzte-Hilfe-Kursen“ lernen, wie wir Angehörige am Lebensende begleiten können. Wir würden offener mit dem Tod umgehen und vielleicht wäre es ganz normal, dass schon junge Menschen ihren Nachlass planen. Der Austausch mit anderen könnte helfen, Ängste abzubauen und Trauer besser zu verarbeiten. Denn schließlich gehört der Tod zum Leben dazu.
Dir hat unser Artikel gefallen? Dann werde Teil unserer Newsletter-Community und freu dich jede Woche auf ein neues Highlight von unserer Website in deinem Postfach!
Dich erwarten überraschende Lösungen zu den kleinen und großen Problemen des Alltags. Und in der Kolumne „Inspiration der Woche“ teilen unsere Autor:innen Erlebnisse und Erkenntnisse mit dir, die dich zum Lächeln bringen werden – exklusiv im Newsletter. Klingt spannend? Dann melde dich jetzt an!
Wenn die Stimme für immer bleibt ...
aus dem kugelzwei-Newsletter:
In letzter Zeit kam mir häufiger der Gedanke, dass ich gerne nochmal den Geschichten meiner Großeltern lauschen würde. Jetzt als Erwachsene würde ich besser zuhören und sie mehr zu schätzen wissen.
Sie sind vor einigen Jahren gestorben, hatten aber ein langes Leben. Ich besitze viele Dinge, die mich an sie erinnern, und trage viele Erinnerungen an gemeinsame Erlebnisse in meinem Herzen. Alles ist seinen normalen Weg gegangen. Ich konnte damit abschließen.
Warum ich momentan mehr darüber nachdenke? Vielleicht, weil ich letztens von dem Familienhörbuch erfahren habe. Mit diesem Spenden-basierten Projekt können unheilbar kranke Elternteile ihren Kindern ein Hörbuch aufnehmen, in dem sie Geschichten teilen oder ihnen Lebenserfahrungen für die Ewigkeit mitgeben.
Mit meinen Großeltern durfte ich viel Zeit verbringen und Erinnerungen sammeln. Eltern, die zu früh gehen müssen und junge Kinder hinterlassen, haben diese Zeit nicht. Sie können nicht all das erzählen, was sie ihnen vielleicht gerne erzählt hätten.
Ich finde die Idee des Familienhörbuchs daher sehr berührend. Schön, aber gleichzeitig auch traurig. Die Stimme bleibt den Kindern für immer erhalten und die Eltern bekommen die Möglichkeit, ihnen noch etwas ganz Persönliches mit auf den Weg zu geben.
Aber: Jede und jeder trauert anders. Deswegen ist das Familienhörbuch vielleicht nicht für alle das richtige Mittel. Trotzdem finde ich persönlich das Projekt sehr ergreifend.
Inspirationen wie diese kannst du jede Woche in unserem kugelzwei-Newsletter lesen. Jetzt anmelden:
Weiterführende Quellen:
Halloween: Was steckt hinter dem beliebten Brauch? (ndr.de)
Was wird an Allerheiligen und Allerseelen gefeiert? (br.de)
Weltspiegel: Totenkult auf Sulawesi (daserste.de)
SPIEGEL: Der Tod ist ein Fest (spiegel.de)
BR: Trauerrituale international (br.de)
Fluter (bpb): Tanz mit den Toten (fluter.de)
Trauer now: So trauert die Welt (trauer-now.de)
Tagesschau.de zu Letzte-Hilfe-Kursen (tagesschau.de)
Noch keine Kommentare