"Ite missa est" hieß es früher am Ende eines katholischen Gottesdienstes. Das heißt einfach: "Es ist Entlassung", also: die Feier ist zu Ende. Aber daraus entstand der Name für das Ganze: die Messe. Aus "Hoc est corpus" ("Das ist mein Leib") machten die Leute das Zauberwort "Hocuspocus". Dass die meisten nicht verstehen, was der Priester sagt, ist für manche Katholiken aber kein Argument gegen ihre Sehnsucht nach der "alten Liturgie" - in Latein und mit Gebeten, bei denen der Priester dem Volk den Rücken zuwendet. Geordneter sei es damals gewesen, feierlicher, einheitlicher.
"Außerordentliche Ausdrucksform"
"Damals" endete in Deutschland 1970. Das Zweite Vatikanische Konzil (1962-1965) räumte der Volkssprache in seiner Liturgie-Reform den Vorrang ein, eine Synode in Deutschland regelte die neue Messform: deutsch, flexibler in der Gestaltung und mit einem Priester, der die Gläubigen anschaut. Das alte Messbuch des Konzils von Trient (16. Jahrhundert) durfte seither nur noch mit Ausnahmegenehmigung benutzt werden.
Bei einer kleinen Minderheit von Priestern und Gläubigen führte die Veränderung zum Protest. Die "Priesterbruderschaft Pius X.", die dem alten Ritus anhängt, wurde inzwischen aus der katholischen Kirche ausgeschlossen, weil sie den gesamten Reformkurs des letzten Konzils ablehnt. Den Liebhabern der alten Messe aber will der Vatikan nun möglichst entgegenkommen. Im Juli 2007 veröffentlichte Papst Benedikt XVI. einen Erlass, nach dem die lateinische Messe im alten römischen Ritus als "außerordentliche Ausdrucksform" wieder zugelassen werden soll - und zwar dort, wo "Gruppen von Gläubigen" das wünschen.
Bleibt alles beim alten Neuen?
Der Erlass "Summorum Pontificum" trat am 14. September in Kraft. Doch wie er umgesetzt wird, das bleibt auch nach den in Fulda beschlossenen Leitlinien eher vage: So wird offen gelassen, wie groß denn eine "Gruppe von Gläubigen" sein muss, um die Forderung nach der alten Messform durchsetzen zu können. In den Leitlinien heißt es lediglich, durch die lateinische Messfeier dürften bestehende Spannungen nicht verstärkt oder neue Spaltungen hervorgerufen werden. Sie könnte an Sonntagen gefeiert werden, dürfe aber nicht "die Messe in der ordentlichen Form ersetzen".
Offensichtlich geht es um eine Gratwanderung: Den Freunden des Latein entgegen kommen - aber die Mehrheit der Gläubigen nicht durch einen Ritus abschrecken, den sie gar nicht wollen. Die Bistümer dämpfen zurzeit eher die Erwartungen: Der Wunsch nach dem alten Ritus stagniere Umfragen zufolge, erklärte der Aachener Bischof Heinrich Mussinghoff. Ein Sprecher des Erzbistums Köln verwies darauf, dass man in Köln und Düsseldorf jeweils in einer Kirche schon regelmäßig den alten Ritus anbiete, das Bistum Aachen verweist auf solche Angebote in Aachen und Steinfeld. Für die meisten Katholiken bleibt also wohl alles beim Alten, das heißt hier: beim Neuen.
Priester aus Herzogenrath möchte alte Messe anbieten
Einzelne Priester möchten den alten Ritus gern wieder feiern. So hat etwa der Pfarrer der Gemeinde St. Gertrud in Herzogenrath (Bistum Aachen), Guido Rodheudt, angekündigt, ab dem Advent eine tridentinische Messe pro Woche anzubieten. Rodheudt, der das konservativ orientierte "Netzwerk katholischer Priester" gegründet hat, befürwortet die alte Liturgie, weil sie weniger "subjektiv" sei. "Er kann sie anbieten", sagt dazu ein Bistumssprecher. Wichtig sei, dass die Priester noch genügend Latein könnten. In den meisten Gemeinden fehlen sogar die alten Messbücher.
Antijüdische Tendenzen in alter Liturgie
Kritik am Erlass des Papstes kam vor allem aus Kreisen des christlich-jüdischen Dialogs. Dort befürchtet man, dass mit der alten Liturgie auch eine überwundene anti-jüdische Theologie transportiert wird. Denn die Messtexte wurden bei der Liturgiereform nicht einfach übersetzt, sondern teilweise auch modernisiert. Im alten Messbuch kommen zum Beispiel weniger Texte aus dem (jüdischen) "Alten Testament" vor. Außerdem wird im Karfreitagsgottesdienst für die Bekehrung der "in Finsternis befangenen" Juden gebetet. In der Neufassung dagegen lautet das gleiche Gebet, Gott möge das jüdische Volk "in der Treue zu seinem Bund bewahren". In Gemeinschaften, die den alten Ritus ganzjährig feiern, würde die alter Fassung wieder gesprochen, denn der Vatikan hat bisher erklärt, Eingriffe in das alte Messbuch werde es nicht geben.