Seit September darf er es, jetzt im Advent tut er es: Pfarrer Guido Rodheudt feiert die Heilige Messe im sogenannten tridentinischen Ritus, der in der katholischen Kirche bis 1969 galt, danach aber offiziell abgeschafft war - bis ihn Benedikt XVI. jetzt wieder als "außerordentliche Ausdrucksform" zuließ. Gut fünfzig Gläubige sind Rodheudts Einladung an diesem Adventsabend gefolgt, viele von ihnen kommen nicht aus dem Ort, sondern aus der weiteren Umgebung, denn bisher machen nur ganz wenige Gemeinden von der neuen Freiheit zum Alten Gebrauch. Rodheudt kündigt die Premiere vor dem Beginn des Gottesdienstes denn auch mit einigem Pathos an: Der alte Ritus habe sich jahrzehntelang "in einer Art Gefangenschaft" befunden, und was man jetzt hier beginne, sei eine "Selbstreinigung" der Kirche.
Das Heiligste nur in den Mund
Danach geht es eine halbe Stunde lang recht still zu. Orgel und Gesang fehlen nämlich, weil es für die lateinischen Choräle noch an geschulten Musikern mangelt, wie Rodheudt erklärt. So wird denn vorn, wo der Priester am Altar steht und den Anwesenden den Rücken zuwendet, leise gemurmelt und hinten geschwiegen - oder gelesen. (Denn ein ausgelegtes Heftchen bietet die Messtexte lateinisch - deutsch.) Nur die Lesungen aus der Bibel werden auf deutsch vorgetragen. Gegen Ende des Gottesdienstes teilt der Priester die Kommunion aus - das Brot, das nach katholischer Lehre in den Leib Christi verwandelt wurde. Die Gläubigen erhalten es an diesem Abend nicht in die Hand ausgeteilt - wie heute üblich - sondern gleich in den Mund. Auch das gehört zum alten Ritus. "Es bezeugt größere Ehrfurcht", sagt Rodheudt. In seiner schriftlichen Erklärung - die gedruckt in der Kirche ausliegt - fügt er noch eine weitere Begründung hinzu: So werde "die Verunehrung von kleinen Partikeln des Allerheiligsten vermieden".
Neugier und Schulerinnerungen
Was hat die Besucher an diesem Gottesdienst angezogen? "Ein großes Stück Neugier", sagt Herr Reinartz. Und Herr Hardt erinnert sich daran, dass er schon in der Schule gern Latein gelernt hat. Aber für beide hat der alte Ritus auch mit "dem Ursprung des Glaubens" zu tun. Irgendwie käme man dem so näher als in den modernen Formen. Reinartz und Hardt engagieren sich auch in den Gremien der Gemeinde, der eine im Kirchenvorstand, der andere im Pfarrgemeinderat. Unruhe und Bedenken habe es da schon gegeben, als der Pfarrer seine Pläne bekannt gab, erzählen sie - aber einen direkten Konflikt nicht. Schließlich sei die lateinische Messe nur ein Zusatzangebot, zunächst nur in der Woche, bei gutem Zuspruch vielleicht auch hin und wieder am Sonntag. "Wenn die alte Form wieder allgemein eingeführt werden sollte, dann würde es wohl Widerstand geben", meint Hardt. Seine Tochter zum Beispiel könne nun gar nichts damit anfangen.
Wahlfreiheit oder neue Einheitlichkeit?
So erscheint der alte Ritus an diesem Abend in Herzogenrath als ein Stück katholischer Wahlfreiheit, als eine Ergänzung innerkirchlichen Pluralismus. Ob seine Freunde das so wollen, ist jedoch zweifelhaft. Rodheudt kritisiert an der Entwicklung der modernen Gottesdienste, dass es zu viel "Missbrauch" und "Subjektivismus" gebe. Im alten Ritus sieht er "einen einheitlichen Ausdruck des gemeinsamen Glaubens", wozu auch die sakrale Sprache gehöre, wie bei den Juden das Hebräisch oder im Islam das Arabische. Auch außerhalb des Gottesdienstes warten auf die Katholiken in Herzogenrath Impulse mit deutlicher Tendenz: Das örtliche kirchliche Bildungsprogramm für 2008 fragt nach dem "Untergang des Abendlandes" und ruft nach "neuen Müttern". Stargast ist Fürstin Gloria von Thurn und Taxis, die sich von der Punk-Adligen zur Verteidigerin alter Werte gewandelt hat. Ihr Thema in Herzogenrath: "Vom Adel des Christentums."