"Weltjugendtag für alle Generationen", "Fest des Glaubens", gar "eucharistischer Karneval": Die Gastgeber des fünftägigen Großereignisses in Köln, allen voran der Kölner Kardinal Meisner, haben in den vergangenen Wochen viele Namen für den Eucharistischen Kongress gefunden - oder besser: finden müssen. Denn selbst praktizierende Katholiken wie die Bonnerin Brigitte Linden, die weiß, was es mit dem Kongress auf sich hat, finden den Titel "total abschreckend. Da denkt man, wie langweilig, da sitzen ja alle nur rum." Ein Grund dafür, dass die Begeisterung für den Kongress nicht gerade groß zu sein scheint. 40.000 Anmeldungen gab es bis Dienstag (04.05.2013), gewünscht hatte sich Meisner 60.000. Linden, Pfarrgemeinderatsvorsitzende im Seelsorgebereich "Am Ennert", hat bis zuletzt um Mitpilger geworben. Jetzt bricht sie am Samstag auf - mit zwölf Gemeindemitgliedern.
"Sehr katholisch, sehr bischöflich, sehr liturgisch"
Dass der Kardinal die Kölner Sonntagskirchgänger per Erlass zum Abschlussgottesdienst ins RheinEnergie-Stadion beordern wollte, weil die Ränge sonst leer bleiben, bestreitet Projektleiter Hermann-Josef Johanns zwar. Er gibt aber zu: "Wir haben unterschätzt, wie stark wir die Marke bewerben mussten." Aber nicht nur der sperrige Name ist ein Problem. Es geht auch um die Ausrichtung, die bewusste Konzentration auf das Sakrament der Eucharistie. "Eine innerkatholische Reflexion über das, was für Katholiken Quelle und Gipfel sein soll", nennt das WDR-Religionsexperte Theo Dierkes. "Sehr katholisch, sehr bischöflich, sehr liturgisch - aber das können Katholiken so machen."
Schärfere Worte findet Ulrich Harbecke, der der Initiative "Kirche von unten" nahe steht, die die Amtskirche kritisch hinterfragt. Er findet es eigentlich gut, dass die Eucharistie gefeiert wird, aber: "Das ist eine Flucht ins Sakrale", der Versuch des Kardinals, die Gläubigen "wie immer in seine frömmelnde Puppenstube zu ziehen".
Der Kardinal polarisiert
Gerade Meisner scheint das andere Problem zu sein. Der Kongress gilt als seine letzte große Amtshandlung - und wurde schon vorab als "Meisners Festspiele" verspottet. "Das schadet der Veranstaltung", sagt Dierkes. Zwar gilt der Kardinal manchen als Garant für die Rechtgläubigkeit. Aber vielen Katholiken hat er auf die Füße getreten, vielen Kirchenfunktionären und sogar Bischöfen. Ob "Pille danach", der Umgang mit Kritikern, das Verhältnis zu Protestanten und Juden: Meisner polarisiert. Zuletzt hatte er für Aufruhr gesorgt, weil er sich nicht am Dialogprozess der Kirche nach den sexuellen Missbrauchsfällen beteiligen wollte. Wenn man Projektleiter Johanns danach fragt, ob der Kongress deswegen so wenig Zulauf hat, wehrt er ab: "Das halte ich für Ausreden." Die Bonnerin Brigitte Linden bleibt dabei: "Ich fahre bestimmt nicht wegen Meisner dahin. Ich fahre trotzdem."
Audios und Bilder
Nicht diskutieren, zelebrieren
Manche Themen, die ihr am Herzen liegen, wird sie dort nicht finden. Gemeinsames Abendmahl, Weihe von Frauen, die Zulassung Wiederverheirateter zur Kommunion - Fehlanzeige. WDR-Experte Dierkes: "Hier wird Katholizismus nicht diskutiert, sondern zelebriert." Eine Gegenveranstaltung zu den meinungsfreudigen Katholikentagen, auf denen Meisner zufolge "zuviel verbalisiert und zuwenig gebetet" wird, sei der Kongress trotzdem nicht, betont Projektleiter Johanns: "Wir sehen das als Ergänzung." Er betont auch, dass die Ökumene sehr wohl stattfindet, mit Pilgerweg und Vesper im Dom. Das ist der "Kirche von unten" aber zu wenig: Auf ihrer Homepage weist sie auf eine "Eucharistiefeier für alle mit offener Kommunion" hin. "Keine Gegenveranstaltung, eine Ergänzung", wie Harbecke anmerkt.
Kein Impuls, keine Strahlkraft?
Bleibt die Frage, was von dem Kongress in Erinnerung bleibt. Die Organisatoren wünschen sich einen "geistlichen Ruck", hoffen auf ein Signal des Aufbruchs nach dem "Jahr des Schreckens und der Schmerzen", wie Meisner die Zeit seit Januar 2010 nennt, als erste Serien von Missbrauchsfällen aufgedeckt wurden. Der Weltjugendtag mit seinen Hunderttausenden von jugendlichen Pilgern, die erst die Innenstadt in eine riesige Feiermeile verwandelten und dann mit neuer Euphorie nach Hause reisten, ist der Maßstab. Da ist Linden skeptisch: "Es wird bestimmt nicht der ganz große Schwung wie damals." Und Harbecke, der sich selbst als "freilaufenden Katholiken" bezeichnet, glaubt: "Das ist milieubetontes Zusammensein, ohne irgendeine Strahlkraft nach draußen." Die Gläubigen fänden hier nicht das, was sie brauchten, sagt er: "Das wird ein Fest, nach dem man sich einsamer fühlt als zuvor."