Es ist etwas richtig schief gelaufen beim Vorzeige-Projekt der rot-grünen Landesregierung. Denn beim Stärkungspakt Stadtfinanzen wurden teils falsche und teils veraltete Daten als Grundlage für die Berechnung der Zuweisungen genommen. Bei mehreren teilnehmenden Kommunen werde mit falschen Zahlen agiert, die seit Monaten nicht korrigiert worden seien, kritisierte die CDU-Fraktion am Dienstag (16.10.2012) in Düsseldorf.
Insgesamt 350 Millionen Euro verteilt das Innenministerium seit 2011 in der sogenannten ersten Stufe des Stärkungspakts auf 34 klamme Kommunen. Wer wieviel von der Summe bekommt, berechnet sich aus Einwohnerzahl und der Höhe der strukturellen Lücke der Gemeinde - damit ist die Lücke gemeint, die zwischen Einnahmen und Ausgaben im Haushalt klafft.
Fehlerhafte Daten im Junkernheinrich/Lenk-Gutachten
Wie hoch das strukturelle Defizit der jeweiligen Gemeinde ist, wurde aus dem von der Landesregierung beauftragten Gutachten zum Schuldenabbau von Junkernheinrich/Lenk übernommen. Und hier liegt der Fehler. Für das Gutachten wurde auf die Jahresrechnungsstatistik des Landesbetrieb Information und Technik NRW (IT.NRW) aus den Jahren 2004 bis 2008 zurückgegriffen. Die verwendeten Daten sind aber weder besonders aktuell noch sauber. So wurden sie anscheinend fehlerhaft bis gar nicht von den Kommunen übermittelt, es wurden kommunale Sozialabgaben nicht mit einberechnet, Konten verwechselt oder auch simple Übertragungsfehler gemacht.
Das führt soweit, dass man sich bei der Stadt Dorsten beispielsweise um 19 Millionen Euro vertan hat. Den Fehler habe man schon im vergangenen Jahr bemerkt, so der Dorstener Kämmerer Hubert Große-Ruiken gegenüber WDR.de. Da sei man aber davon ausgegangen, dass die falschen Daten nur für das Gutachten und nicht als Berechnungsgrundlage für die Landeshilfen dienten. "Sonst hätten wir natürlich früher nachgefragt."
Das Gutachten bekommt neue Bedeutung
Denn im ursprünglichen Gesetzentwurf zum Stärkungspakt (vom 20. September 2011) war noch vorgesehen, dass die Jahresabschlüsse 2008/2009 als Berechnungsgrundlage dienen sollten. Erst im Änderungsantrag von SPD, Grünen und FDP (29. November 2011) stand, dass auf die Zahlenbasis des Gutachtens zurückgegriffen wird. Der Grund: Aktuellere Daten aus den Kommunen lagen zu dem Zeitpunkt noch nicht vor.
"Damit bekamen die Zahlen eine neue Bedeutung, weil sie auf einmal zur Ermessensgrundlage für die Zuweisungen wurden", erklärt Claudia Roth, Sprecherin vom Innenministerium NRW. Die Daten seien aber weder ausgedacht noch geschätzt, das IT.NRW habe auf die amtliche Statistiken der Kommunen zurückgegriffen. Dabei könne es aber zu Fehlern kommen.
CDU: Dorsten, Remscheid und Marl erwägen Klage
Mehrere Kommunen, darunter Dorsten, protestierten schon im Dezember 2011 gegen die Unstimmigkeiten. Daraufhin forderte das Innenministerium alle 61 Kommunen, die an der Stufe eins und zwei des Stärkungspaktes teilnehmen auf, die Daten noch einmal zu überprüfen.
Der überwiegende Teil dieser Kommunen hat laut Innenministerium jetzt wirklich Fehler entdeckt. Dem Innenministerium seien die Zahlen der letzten Stadt erst vor wenigen Tagen übermittelt, heißt es jetzt dazu in einer Pressemitteilung der SPD. Über den Stand der Dinge sei zudem im kommunalpolitischen Ausschuss mehrfach berichtet worden. Man sei dabei, die komplette Datenbasis zu korrigieren, dann muss neu gerechnet und verteilt werden. Wahrscheinlich ist, so Roth, dass ab dem Jahr 2013 nach dem richtigen Schlüssel ausgezahlt wird.
Bekommen die Einen mehr, müssen die Anderen abgeben
Doch dies wird den Kommunen, die zwei Jahre zu wenig Zulagen bekommen haben, schwierig zu vermitteln sein. Auch der Dorstener Kämmerer Große-Ruiken will durchsetzen, dass für seine Stadt rückwirkend, also für 2011 und 2012, die richtige Summe ausgezahlt wird. "Wir erwägen nun eine Klage", so Große-Ruiken. Laut CDU-Landtagsfraktion ist die Stadt Dorsten damit nicht allein - auch Remscheid und Marl seien klagewillig.
Setzen sich die Städte durch, die aufgrund der falschen Ausgangszahlen zu wenig Hilfen erhalten haben, könnte das andere Kommunen teuer zu stehen kommen. "Denn dann erhöht sich die Gesamtsumme der strukturellen Lücke. Bei einer gleich bleibenden Konsolidierungssumme von 350 Millionen Euro werden die anderen Kommunen weniger Landeshilfen erhalten", so die Kritik von Peter Biesenbach (CDU). Diese Umverteilung der Mittel könne die Haushaltssanierungspläne in vielen Kommunen "völlig entwerten."