S. wird immer bleicher auf seinem Platz auf der Anklagebank des Oberlandesgerichts (OLG) Düsseldorf. Der 24-Jährige scheint vor innerem Druck fast zu zerbrechen. Richter Ottmar Breidling führt detailliert aus, warum das Mitglied der "Sauerland-Gruppe" zwölf Jahre ins Gefängnis muss. Mit diesem Urteil wurde die Hoffnung von S. zunichte gemacht, dass das Gericht annehmen würde, er sei noch vor seinem 21. Geburtstag zum Terroristen geworden.
Vergebliche Hoffnung für Angeklagte
Doch die Juristen setzten den Schwerpunkt seiner Verbrechen auf die Zeit danach. Ihr Argument: S. habe zwar den Treueschwur abgegeben, aber erst in Deutschland erfahren, um welche konkreten Pläne es eigentlich gehen soll und diese auch erst dann mitgetragen. "Die Taten liegen nicht darin begründet, dass der Angeklagte mit 19 Jahren zum Islam konvertierte, sondern dass er mit 21 Jahren die Taten in Deutschland plante", sagt Breidling. Das mildere Jugendstrafrecht wird deshalb nicht angewendet. Erst als sein Anwalt kurz zu S. an die Trennscheibe kommt, scheint der Mann endlich wieder durchatmen zu können.
Schwerpunkt
Auch die anderen muslimischen Angeklagten hatten vergeblich gehofft. Ungläubig blicken sie durch die Glasscheibe, als sie ihr Urteil hören. Doch während G., S. und S. geschockt wirken, blickt Y. schon wenige Sekunden nach den Schuldsprüchen grimmig zu seinen Mitstreitern. Der 31-Jährige schüttelt den Kopf und ruft den anderen drei Männern etwas zu. Doch keiner von ihnen reagiert.
Treueschwur führt ins Gefängnis
G., Y. und S. werden der Mitgliedschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung, Verabredung zum Mord, Herbeiführung einer Sprengstoffexplosion, Vorbereitung eines Explosionsverbrechens und Nötigung von Verfassungsorganen schuldig gesprochen. G. wird zu einer Haftstrafe von zwölf Jahren, Y. zu elf Jahren und S. zu zwölf Jahren verurteilt.
Im Fall von S. kommt hinzu, dass er sich des versuchten Mordes gegenüber einem Polizisten strafbar gemacht hat, als er fliehen wollte. S. wird wegen Unterstützung einer ausländischen terroristischen Vereinigung zu fünf Jahren Haft verurteilt. Der 25-Jährige hat Zünder für die nie gebauten Bomben besorgt und hatte als einziger nicht der Terrororganisation Islamische Dschihad Union (IJU) Treue geschworen.
Richter: Wir haben nichts zu verschenken
"Wegen der kriminellen Energie hat das Gericht nichts zu verschenken", sagte Richter Breidling bei der Urteilsverkündung. Das Gericht habe zwar die umfassenden Geständnisse strafmildernd berücksichtigt. "Aber die Beweislage war erdrückend. Dem Gericht wurde so nur Zeit gespart", sagte Breidling am 65. Hauptverhandlungstag.
Dass Ermittler das Quartett bereits seit Monaten im Visier hatten und die Fässer mit Wasserstoffperoxid, das in Verbindung mit Mehl zu Sprengstoff werden sollte, ausgetauscht hatten und die Sprengzünder zum größten Teil untauglich waren, habe ebenfalls keine große Rolle gespielt. Doch dass alle - mit Ausnahme von Y. - dem bewaffneten Kampf für sich abgeschworen hatten, milderte die Strafe.
"Sauerland-Gruppe" wollte Amerikaner in Deutschland töten
Die "Sauerland-Gruppe" wurde bekannt, als drei der vier Mitglieder im September 2007 im Sauerland festgenommen wurden. Sie hatten ein dort Ferienhaus gemietet, um Autobomben herzustellen, mit denen US-Soldaten in Deutschland getötet werden sollten. Weil ihnen Ermittler seit längerem auf der Spur waren, konnten die Taten verhindert werden. S. wurde wenig später in der Türkei festgenommen.
Die vier Männer, drei Deutsche und ein Türke, hatten sich in Pakistan von der Islamischen Dschihad Union (IJU) "ausbilden" lassen und waren dort beauftragt worden, in Deutschland Anschläge zu verüben. G., so das Gericht, war der Chef der Gruppe, der die Verbindung nach Pakistan hielt und die Befehle gab. Noch vor der Verlängerung des ISAF-Mandats im Oktober 2007 durch den Bundestag sollten, so der Plan, die Bomben vor von Amerikanern besuchten Discos, Pubs und eventuell auch deutschen Flughäfen explodieren.
Urteil gegen G. ist noch nicht rechtskräftig
Um 13.17 Uhr ist am Mittwoch (04.03.2010) der Prozess gegen die "Sauerland-Gruppe" vorbei. Zumindest Y., S. und S. haben zu diesem Zeitpunkt schon ihr Urteil jeweils angenommen. Weil auch der Bundesanwalt Volker Brinkmann auf Rechtsmittel verzichtet hat, sind die Urteile damit gegen sie rechtskräftig. Y., der sein Geständnis sechs Wochen nach Beginn des Prozesses mit "Langeweile" begründet hatte, sagte grinsend und mit süddeutschem Akzent: "Ich nehme das Urteil an." Nur G. gibt keine Erklärung ab. Bevor sie getrennt abgeführt werden, klopft Y. S. noch einmal aufmunternd auf die Schulter.