Der NSU-Untersuchungsausschuss hat sich viel vorgenommen: Er will Licht in das verworrene Geflecht von organisiertem Rechtsextremismus und dem Versagen bei den Ermittlungen bringen. Es bestand die Hoffnung, dass die geladenen Zeugen wesentliches dazu beitragen können. Aber bereits der erste Zeuge, der Kölner Ex-Oberstaatsanwalts Hans-Bernhard Jansen zeigte die Grenzen auf. Nach all den Jahren berief sich der 76-Jährige auf Erinnerungslücken in Bezug auf den Bombenanschlag in der Kölner Probsteigasse.
Damals war die 19-Jährige Tochter des iranisch stämmigen Inhabers eines Lebensmittelgeschäfts schwer verletzt worden: "Einzelheiten zu diesem Fall kann ich Ihnen nicht sagen", gab er zu Protokoll. Als Abteilungsleiter habe nicht er die Ermittlungen geführt, sondern ein inzwischen verstorbener Staatsanwalt. Zwar habe er täglich um neun Uhr mit seinen Kollegen die aktuellen Fälle besprochen. Aber Details seien ihm nicht mehr präsent, er sei schon zwölf Jahre im Ruhestand. "Ich erinnere mich nur daran, dass kein Täter ermittelt wurde."
"Fremdenfeindlichkeit war kein Thema"
Aufhorchen ließ jedoch seine Behauptung: "Fremdenfeindlichkeit war für uns damals kein Thema, das gab es damals in dieser Form nicht." Erstaunt wies Joachim Stamp, FDP-Obmann im Ausschuss, den Zeugen Jansen auf die rassistischen Anschläge 1992 in Mölln und 1993 in Solingen hin: "Trotzdem sind Ihnen mögliche politische Gründe nicht bewusst gewesen?!" Jansen ging darauf jedoch nicht ein. Bereits zuvor hatte er erklärt: "Ich bin schon von Grund auf ein unpolitischer Mensch." Er habe immer versucht, politische Fälle, anderen Kollegen zu übertragen.
Den Anschlag in der Probsteigasse spielte er herunter: "Dieser Fall war für uns eigentlich nichts Außergewöhnliches." In der Abteilung, in der er arbeitete, war die Tat als "Explosionsfall" angesiedelt. Von einem fremdenfeindlichen Hintergrund sei er nicht ausgegangen. Für die Einschätzung des Falles spiele es aus seiner Sicht keine Rolle, ob der Besitzer des Ladens Ausländer sei. "Wir hatten von den Fakten am Tatort auszugehen", so Jansen.
Vorwürfe gegen den Kollegen
Dem nach ihm folgenden Zeugen, der ebenfalls pensionierte Kölner Staatsanwalt Karl-Heinz Schlotterbeck, machte Jansen Vorwürfe: Es sei "fahrlässig" gewesen, das Verfahren schon nach fünf Monaten einzustellen. Er habe damit aber nichts zu tun gehabt: "Ich bin damals über die Einstellung nicht informiert worden." Dass die Beweismittel zudem bereits 2006 vernichtet wurden, nannte er ebenfalls einen "groben Fehler". Die Vernichtung hatte sein Kollege Schlotterbeck zu verantworten. Der 66-Jährige war nicht selbst in die Ermittlungen eingebunden, sondern kam erst 2003 als Ersatz für seinen verstorbenen Vorgänger in die Abteilung von Jansen.
Im Unterschied zu seinem ehemaligen Chef konnte sich Schlotterbeck gut an den "ungewöhnlichen Fall" erinnern: "Sprengstoffdelikte sind selten." Er habe 2006 die Akten geprüft. Da keine neuen Ermittlungsergebnisse vorhanden waren, habe er die sogenannten Asservate vernichten lassen. Ein Schritt, den er auch heute noch für richtig hält, auf der Basis der damaligen Kenntnisse. Mehrere Ausschuss-Mitglieder äußerten ihre Unzufriedenheit. SPD-Obmann Andreas Kossiski formulierte sein Unverständnis angesichts der "sehr blassen Rolle der Staatsanwaltschaft."
Der dritte Zeuge
Der dritte Zeuge des Tages war der frühere Kölner Kriminalhauptkommissar Edgar Mittler. Er war der damalige Ermittlungsleiter im Probsteigassen-Fall. Er hat Erfahrungen mit Aussagen zu diesem Thema: Er sagte sowohl im Münchener NSU-Prozess aus als auch vor dem NSU-Untersuchungsausschuss des Bundestages. Die Abgeordneten konfrontierten ihn vor allem mit seinen dort getätigten Aussagen, in der Hoffnung mehr zu erfahren. Doch sie kamen nicht wirklich weiter. Auf die Frage, was er heute anders machen würde, antwortete er mit einem ernüchternden "Nichts!"