Er kassierte Reisekosten und Vorschüsse für Sitzungsgebühren in Höhe von mehr als 200.000 Euro vom Staat: Rechtsanwalt Ralph W. vertrat im NSU-Prozess vor dem Münchner Oberlandesgericht zweieinhalb Jahre lang Meral Keskin, die beim Anschlag vor einem Friseursalon in der Kölner Keupstraße 2004 verletzt worden sein soll. Im Oktober 2015 wurde bekannt: Die Frau existiert gar nicht.
W. wird deshalb nun wegen Betrugs in besonders schwerem Fall angeklagt. Das erklärte am Donnerstag (29.03.2018) das Landgericht Aachen. Schon Ende Oktober war der Anwalt von der Justizkasse Bayerns dazu aufgefordert worden, das Geld zurückzuzahlen. Ob er dies mittlerweile getan hat, ist unklar.
Provision für Vermittlung der Mandantin
W.s Anwalt Peter Nickel hatte eine Aussetzung der Zahlung beantragt: Sein Mandant habe geglaubt, dass Meral Keskin wirklich existiere. Ein anderer, inzwischen verstorbener Nebenkläger im NSU-Prozess habe Keskin erfunden und ihm als Mandantin vermittelt, um dafür Provision zu kassieren. W. habe mit Keskin immer nur über diesen Mann kommuniziert. Eigentlich sei er deshalb das Opfer. "Er ist da ja auch zwei Jahre lang hingefahren und hatte ja auch die Auslagen, die er geltend gemacht hat", so sein Anwalt.
Auch Zugang zu Loveparade-Prozess erschlichen?
Allerdings ist W. auch in einem anderen Fall wegen Urkundenfälschung und Anstiftung zu falscher Versicherung an Eides statt angeklagt: Er soll versucht haben, sich mit falschen Angaben zum Gesundheitszustand eines Mandanten den Zugang als Nebenklagevertreter im Prozess um die tödliche Loveparade-Katastrophe erschlichen zu haben. Ein anderes Loveparade-Opfer soll er dazu überredet haben, ihm eine Blankovollmacht auszustellen, die er dann einem Kollegen zuschanzte.