Bis zum Wahltag hatte sich das "Duisburger Bündnis Abwahl" - eine Gemeinschaft aus Bürgern, Gewerkschaftsvertretern, SPD, Grünen und Linkspartei - in demonstrativer Zurückhaltung geübt: Möglichst keine personellen oder parteilichen Spekulationen darüber, wer die Nachfolge Sauerlands antreten könnte, bis klar ist, ob er überhaupt zu Fall gebracht wird. Selbst die Duisburger SPD, für die der Sieg der CDU bei der letzten OB-Wahl das schmerzliche Ende einer über 50-jährigen Macht bedeutete, hatte sich alle Mühe gegeben, fair und selbstlos zu erscheinen. Doch mit soviel Anstand könnte es bald vorbei sein.
"Wahlsieger sind die Bürger"
Spekulationen über mögliche Kandidaten gibt es zurzeit viele, doch konkrete Namen möchte am Morgen nach dem überraschenden Abwahl-Erfolg niemand nennen. Beim "Bündnis Abwahl", das die Abwahl Sauerlands initiiert hatte, erwartet man vor allem Glaubwürdigkeit: "Wir brauchen jetzt eine integere Person, die die tiefe Spaltung der Stadt überwinden kann, die für Offenheit und Aufklärung steht", sagt Werner Hüsken, Sprecher der Initiative und auch Organisator der Bürgerinitiative "Neuanfang für Duisburg". Der "unselige" Parteienstreit, der vor allem die CDU und das rot-rot-grüne Regierungsbündnis seit dem Unglück spaltet, müsse endlich beigelegt werden, "im Sinne der Stadt und im Sinne des Loveparade-Unglücks". Die Parteizugehörigkeit, sagt der Aktivist, sei dabei ohne Bedeutung. Denn: "Sieger dieses Abwahl-Verfahrens ist nicht eine der politischen Parteien dieser Stadt, gesiegt haben die Bürger." Ziel müsse sein, einen OB zu finden, der "von allen unterstützt wird".
Schwere Aufgaben für zukünftigen OB
Auch bei der Duisburger SPD übt man sich in Diplomatie: Man sei durchaus offen für einen parteiübergreifenden OB-Kandidaten, sagt Geschäftsführer Jörg Lorenz zu WDR.de. Noch für diese Woche seien Gespräche mit sämtlichen Bündnispartnern - Grüne, Linkspartei und Bürgerinitiative "Neuanfang für Duisburg" - verabredet, um zu sondieren, wer für den Posten in Frage käme. "Voraussetzung kann allerdings nicht nur eine hohe moralische Integrität sein", betont Lorenz, denn der zukünftige Duisburger Oberbürgermeister sei schließlich auch Dienstherr über 6.000 Mitarbeiter, Vorsitzender des Stadtrats und Oberhaupt einer Stadt, die praktisch pleite ist und bis zu 70 Millionen Euro jährlich einsparen müsse. Diese Aufgabe sei "ohne großen Beraterstab" zu schultern, denn auch dafür fehle das Geld.
"Ein Job also, der nicht gerade vergnügungssteuerpflichtig ist", fasst Lorenz zusammen, "da reicht es nicht, 'nur' nach einem wertvollen Menschen zu suchen". Begehrlichkeiten bei der SPD, die langjährige Herrschaft über die Stadt zurückzuerobern, will Lorenz zwar nicht von der Hand weisen. "Zumindest umgekehrt aber werden wir nicht akzeptieren, dass ein Kandidat nicht in Frage kommt einzig aufgrund seiner SPD-Mitgliedschaft."
Eigener Kandidat der Bürgerinitiative?
Die Bürgerinitiative "Neuanfang für Duisburg" kann sich grundsätzlich vorstellen, einen eigenen Kandidaten ins Rennen zu schicken. "Wir warten aber ab, was Ralf Jäger als Chef der Duisburger SPD für einen Personalvorschlag präsentiert", sagte Initiativensprecher Theo Steegmann zu WDR.de. Danach werde über das weitere Vorgehen entschieden. Wer von der Bürgerinitiative zur Verfügung steht, wollte er nicht sagen: "Namen nennen wir nicht, aber es gibt mögliche Kandidaten."
CDU: "Keinen Plan B"
Bei der Duisburger CDU müsse man das Wahlergebnis "erstmal sacken lassen", erklärt Fraktionssprecher Christian Kleerbaum. "Es gibt bisher keinen Plan B", sagt er, die Abwahl Sauerlands sei für die Partei "schon überraschend" gekommen. Weitere Gespräche seien noch nicht geplant. Natürlich, fügt er dann hinzu, werde man sich "einer konstruktiven Zusammenarbeit nicht verschließen".
Sauerlands reguläre Amtszeit wäre noch bis 2015 gelaufen. Jetzt muss innerhalb von sechs Monaten ein Nachfolger gewählt werden. Die Neuwahl des Oberbürgermeisters könnte im Juni noch vor den Sommerferien stattfinden. Stadtsprecher Frank Kopatschek sagte, als Termin komme der 17. Juni in Frage. Eine Stichwahl zwischen den beiden bestplatzierten Kandidaten könnte dann für den 1. Juli angesetzt werden. Der neue Oberbürgermeister wird für eine komplette Amtszeit von sechs Jahren gewählt. Bis dahin arbeitet die Stadt vorübergehend mit einer Doppelspitze. Die repräsentativen Aufgaben des Oberbürgermeisters übernimmt der erste Bürgermeister Benno Lensdorf (CDU), Verwaltungschef wird Stadtdirektor Peter Greulich (Grüne).
Wann die Ermittlungen der Duisburger Staatsanwaltschaft zum Loveparade-Unglück abgeschlossen sind und ob Anklage erhoben wird, ist derzeit noch offen.