Rieske berichtete, dass viele Betroffene bis heute unter posttraumatischen Störungen und unkontrollierbaren Panikattacken leiden. Etliche Teilnehmer der verhängnisvollen Veranstaltung vom 24. Juli 2010, bei der 21 Menschen starben und mindestens 652 verletzt wurden, seien weggezogen oder hätten ihren Job aufgeben müssen. Ein ganz großes Problem der Überlebenden sei ihr Schuldgefühl gegenüber den Angehörigen der Opfer. Bei der Panik im dichten Gedränge hätten Menschen übereinander gelegen und miterlebt, wie neben oder unter ihnen andere starben.
"Ich habe erlebt, wie Ihr Sohn starb"
Laut Rieske haben an den regelmäßigen Treffen der Notfallseelsorger mit Verletzten bisher etwa 120 Menschen teilgenommen. Die Hälfte davon klage über Störungen, viele hätten Therapien begonnen. Wie viele Teilnehmer, Ersthelfer am Unglücksort, Rettungs- und Sicherheitskräfte traumatisiert worden seien, lasse sich kaum feststellen. Die Dunkelziffer sei sehr hoch. Nach Rieskes Schilderung hat es bei den Treffen ergreifende Begegnungen gegeben. So habe ein Überlebender zu der Mutter eines Todesopfers gesagt: "Ich habe erlebt, wie ihr Sohn starb." "Und ich will, dass du lebst", habe sie geantwortet und ihm Bilder ihres Sohnes gezeigt. Rieskes Resümee dieser Begegnungen: "Vergebung können einander nur die Betroffenen geben."
Der evangelische Landespfarrer erlebte auch, dass Betroffene beim nachträglichen Besuch des Unglücksortes zusammengebrochen seien. Sie berichteten, dass schon der Anblick eines Bauzauns, wie er an der Unglücksstelle gestanden hatte, bei ihnen bis heute Panik auslöst.
"Es geht um die Bewältigung"
Die politische Verantwortung für die Genehmigung der Loveparade und das Abwahlverfahren gegen den Duisburger Oberbürgermeister Adolf Sauerland (CDU) haben laut Rieske in den Gesprächen nur am Rande eine Rolle gespielt: "Es geht vor allem um die Bewältigung des Unglücks." Da weiter Hilfebedarf besteht, werden die regelmäßigen Treffen bis zum zweiten Jahrestag der Katastrophe im Juli 2012 fortgesetzt. Eine Selbsthilfegruppe für verletzte Überlebende soll bis mindestens Ende 2012 arbeiten. Auch das Beratungsangebot im Internet und eine Telefon-Hotline blieben vorerst bestehen.