Unter der Adresse "loveparade.de" stehen seit Montagmorgen (30.08.10) mehrere Stunden ungeschnittenes Videomaterial zum Abruf bereit. Insgesamt ist Material von sieben Videokameras mit unterschiedlichen Standorten und Blickwinkeln verfügbar. Veröffentlicht sind ausschließlich Aufnahmen bis 16:40 Uhr am Unglückstag. Veranstalter Lopavent begründet diese Einschränkung mit "Rücksichtnahme auf die Opfer"- ab diesem Zeitpunkt hatte es die meisten Todesopfer auf der Zugangsrampe zum Festivalgelände gegeben. Zusätzlich ist auf der Loveparade-Homepage ein kurzer Film zu sehen. Dort wird mit Hilfe von Computer-Animationen und kurzen Ausschnitten aus den Überwachungsvideos dargestellt, wie sich das Unglück aus Sicht des Veranstalter zugetragen hat.
Viele Fragen bleiben offen
"Jeder soll sich ein eigenes Bild machen können", sagte eine Lopavent-Sprecherin auf Nachfrage, warum das Unternehmen zu diesem Zeitpunkt die Videos ins Netz gestellt habe. Der betont sachlich gehaltene Film begründet das Unglück ausschließlich mit Fehlern der Polizei: Eine verfehlte Steuerung der Besucherströme durch Polizeisperren habe zu der drangvollen Enge auf dem Zu- und Abgang zum Festivalgelände geführt - einem "Pfropf". Die Arbeit der Loveparade-Ordner kommt dabei nicht zur Sprache. Ebenso wird nicht begründet, wieso das Sicherheitskonzept nur einen zentralen Zu- und Ausgang - abgesehen von einem zweiten, kleinerer Ausgang - zum Gelände vorsah. Rainer Schaller erklärte jedoch hierzu im WDR-Interview: "Die Bilder zeigen sehr deutlich, dass das Ein- und Ausgangssystem die ersten dreieinhalb Stunden ohne gravierende Vorkommnisse funktioniert hat." Für ihn stelle sich nun die Frage, warum die Polizei ab 15:50 Uhr drei absperrende Ketten gebildet habe.
Staatsanwalt: "Beeinflussung gibt es immer"
"Aus strafrechtlicher Sicht gibt es an der Veröffentlichung nichts zu beanstanden", sagte der ermittelnde Duisburger Staatsanwalt Rolf Haferkamp WDR.de. Auch dass Zeugen durch die Veröffentlichung der Überwachungsvideos beeinflusst werden könnten, sei nicht wahrscheinlich. "Dann wäre das längst durch die Berichterstattung in den Medien geschehen. Beeinflussung gibt es in dieser Hinsicht immer." Ob die Veröffentlichung aus Gründen der Pietät verwerflich sei, das habe er nicht zu beurteilen. Am Wochenende hatte der Vorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft, Rainer Wendt, mitgeteilt, die Staatsanwaltschaft habe erfolglos versucht, die Veröffentlichung zu verhindern. Dies wollte die Staatsanwaltschaft allerdings nicht bestätigen. Wendt hatte die Öffentlichkeitsarbeit des Loveparade-Veranstalters scharf kritisiert: "Herr Schaller manipuliert und verdunkelt, wo er kann. Ihm geht es offenbar nicht um die Wahrheit, sondern nur darum, seinen eigenen Hals zu retten."
Kameras fielen aus
Am Sonntag (29.08.10) hatte das Magazin Westpol im WDR-Fernsehen neue Details zum Loveparade-Unglück veröffentlicht. In der kritischen Phase war es demnach im Lagezentrum von Veranstalter und Polizei nach Angaben einer Sicherheitsfirma zu technischen Störungen gekommen. Robert Ahrle von der Kölner Sicherheitsfirma "RAD Sicherheit", der sich zum Unglückszeitpunkt im Lagezentrum aufhielt, sagte: "Es gab Kamerabilder, die plötzlich verschwanden. Das heißt: In den Splitscreen-Monitoren verschwanden verschiedene Ausschnitte." Der Grund für die Störung war demnach, dass die Kameras von Loveparade-Besuchern bei ihrer Flucht aus der Menschenmenge unbeabsichtigt beschädigt wurden. Diese Darstellung bestätigte auch Veranstalter Lopavent auf seiner Homepage. Inwieweit und ob der Ausfall der Kameras Einfluss auf die weiteren Geschehnisse hatte, ist noch unklar.
Ministerium: Zuweg über die Autobahn war nicht möglich
Die Zeitungen der WAZ-Mediengruppe hatten am Montag (30.08.10) berichtet, schuld daran, dass sich die Organisatoren für den Tunnel als einzigen Zuweg entschieden haben, sei auch das NRW-Verkehrsministerium. Tatsächlich sei überlegt worden, die Besucherströme über die Autobahn 59 zu leiten. Dies habe das Ministerium als zu teuer abgelehnt. "Das ist so nicht richtig", sagte Ministeriumssprecherin Mirjam Grotjahn auf Anfrage. Vielmehr habe es zum Zeitpunkt der Loveparade auf der Autobahn eine Baustelle gegeben, die ein Sicherheitsritiko für die Feiernden bedeutet hätte. Außerdem hätte die Baufirma Schadenersatz fordern können, wenn sie ihre Arbeiten wegen einer kommerziellen Veranstaltung hätte unterbrechen müssen. Später sei die Autobahn als Zuweg für Rettungskräfte ausgewiesen worden. "Dafür wurde die A59 natürlich gesperrt. Die Genehmigung gab es problemlos."
Schaller nicht im Innenausschuss
Am Donnerstag (02.09.10) ist das Loveparade-Unglück erneut Thema im Innenausschuss des Landtages. Rainer Schaller wird nicht an der Sitzung teilnehmen. "Ich glaube, da ist es so technisch in die Tiefe gehend, dass da die Spezialisten ran müssen, um das ganze beantworten zu können", erklärte Schaller am Montag (30.08.10) gegenüber dem WDR. Das Düsseldorfer Innenministerium wollte sich am Montag zur Veröffentlichung der Videos nicht äußern. Erst werde der Innenausschuss informiert, dann die Öffentlichkeit, so Ministeriums-Sprecher Ludger Harmeier. Er verwies auf eine Aussage des Inspekteurs der NRW-Polizei, Dieter Wehe, in der dieser die Vorwürfe Schallers zurückweist. "Seine Aussagen werden nicht besser, nur weil er sie wiederholt. Der Veranstalter hat die Polizei um Hilfe gebeten, weil sein Sicherheitskonzept zusammen gebrochen war", so Wehe. Dem Innenausschauss werde er am Donnerstag "die Fakten vorlegen".