Die Sondersitzung des Innenausschusses begann am Mittwochmorgen (04.08.10) mit einer Schweigeminute für die 21 Todesopfer der Loveparade. Wer sich anschließend neue Erkenntnisse über den Hergang des Unglücks erhoffte, wurde enttäuscht. Stattdessen wurden die gegenseitigen Schuldzuweisungen in der viereinhalb stündgigen Sitzung von Stadt und Land schärfer. In einer umfangreichen Stellungnahme lehnte die Stadt jede Verantwortung für die Tragödie ab, machte aber stattdessen der Polizei Vorwürfe.
Das Innenministerium hatte den 32-seitigen Bericht bei der Stadt Duisburg angefordert, den sie gemeinsam mit externen Juristen erarbeitet und erst am späten Dienstagabend per Boten dem Innenministerium zugestellt hatte. Darin heißt es, dass keine Erkenntnisse dafür vorlägen, "dass Mitarbeiter der Stadt Duisburg ihre gesetzlichen Pflichten verletzt hätten". Aus dem Bericht geht zudem hervor, dass der Veranstalter die Baugenehmigung für das Gelände der Loveparade erst am 23. Juli 2010 erhalten hat, weil Unterlagen und Informationen fehlten, darunter eine vollständige so genannte Fluchtanalyse und ein Brandschutz-Konzept, das erst am 22. Juli 2010 vorlag.
Die Stadt wirft der Polizei vor, Einsatzwagen auf der Rampe zum Veranstaltungsgelände geparkt und damit einen Fluchtweg versperrt zu haben. Damit sei gegen die Baugenehmigung verstoßen und der Durchlass deutlich reduziert worden, so die Stadt. Vermutlich hätten "Dritte gegen Vorgaben und Auflagen der Genehmigungen der Stadt Duisburg verstoßen", heißt es weiter.
Innenminister stellt sich vor die Polizei
Diese Vorwürfe wies NRW-Innenminister Ralf Jäger (SPD) zurück und stellte sich demonstrativ vor die Beamten. "Ich werde es nicht zulassen, dass die Polizei als Sündenbock für die Fehler und Versäumnisse anderer herhalten muss." Der Polizeieinsatz auf dem Festivalgelände sei nur deshalb notwendig geworden, weil das Sicherheitskonzept des Veranstalters und der Stadt Duisburg versagt habe. Der Veranstalter habe sein eigenes Sicherheitskonzept offenbar von Anfang an nicht eingehalten. Des Weiteren sei die Anweisung, die Tunnel zu sperren, nicht umgesetzt worden. Stattdessen hätten die Ordner durch das Entfernen von Zäunen im kritischen Zeitraum den Zustrom von Menschen noch erhöht, statt ihn zu stoppen. Dem Veranstalter und der Stadt Duisburg warf Jäger vor, bei der Aufklärung der Ursachen für die Katastrophe auf der Loveparade nicht mitzuarbeiten. Es werde gemauert.
Kritik am Verhalten von Stadt und Veranstalter
Indirekt deutete der Innenminister aber an, dass es auch auf Seiten der Polizei zu Fehlern gekommen sein könnte: "Es ist unwahrscheinlich, dass ein Einsatz dieser Dimension fehlerfrei verläuft", wenn das Sicherheitskonzept des Veranstalters zusammenbricht. Er versprach, alle Vorwürfe gegen die Polizei beim Einsatz in Duisburg aufzuklären. Das fordert auch der CDU-Innenpolitiker Peter Biesenbach. Er stellte die Frage in den Raum, warum die Polizei nicht die Regie übernommen habe, als klar wurde, dass der Veranstalter nicht mehr Herr der Lage war.
Für Biesenbach ist bisher nicht ausreichend geklärt, wie die Lage für die Polizeieinsatzleitung an dem Unglückstag zwischen 15 und 17 Uhr genau aussah und ob sie die Gefahr hätte erkennen können. Sollten diese Fragen nicht ausreichend geklärt werden, rücke ein Parlamentarischer Untersuchungsausschuss für seine Fraktion "näher", so der innenpolitische Sprecher der CDU. Ein Untersuchungsausschuss wird erst eingesetzt, wenn ein Fünftel der 181 Landtagsabgeordneten sich dafür aussprechen. Dazu sagte der innenpolitische Sprecher der FDP, Horst Engel: "Der ist lange noch nicht vom Tisch." Für ihn seien durch die Sitzung mehr Fragen aufgetaucht als noch am Anfang der Sitzung.
Bessere Qualitätsstandards für Sicherheitsfirmen gefordert
Gegenüber den Ausschussmitgliedern forderte Innenminister Jäger bessere und verbindliche Qualitätsstandards für Sicherheitsfirmen bei Großveranstaltungen. Bundesweite Vorgaben sollten verhindern, dass auf Kosten der Sicherheit gespart werde. Jäger regte außerdem an, mit den kommunalen Spitzenverbänden Richtlinien für Städte und Gemeinden zu entwickeln, die Großveranstaltungen ausrichten möchten.
"Wir werden Wege finden müssen, zu unterbinden, dass an der Sicherheit gespart wird", kündigte Jäger an. Hierzu hatte schon Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) am Dienstag (03.08.10) vorgeschlagen, den Bundesländern bei der Planung von Großveranstaltungen mehr Rechte einzuräumen. Sie sollten in die Organisation eingreifen können, wenn sie den Eindruck hätten, die Kommune sei mit der Aufgabe überfordert.
Einladungen an Stadt und Veranstalter
Der Innenausschuss wird nun am 2. September 2010 das nächste Mal tagen. "Wir werden an der Aufarbeitung der Geschehnisse weiterarbeiten", sagte die Vorsitzende des Gremiums, Monika Düker (Grüne). Bisher sei die zentrale Frage nicht beantwortet: "War diese Veranstaltung in dieser Situation richtig?" Der Bericht der Stadt beantworte diese Frage bisher nicht. Deshalb will der Innenausschuss für die nächste Sitzung Vertreter der Stadt Duisburg und des Veranstalters Lopavent einladen. Auch Innenminister Jäger wird wieder einen Bericht abgeben.