Die vielen spektakulären Projekte der Kulturhauptstadt 2010 verdecken zur Zeit eine Misere: Die Kassen der Kommunen im Ruhrgebiet sind klamm. Überall werden Zuschüsse gekürzt, alles kommt auf den Prüfstand. Auch die Kultureinrichtungen bleiben nicht verschont. In allen Städten der Region wird nach Lösungen gesucht, wie weniger Geld ausgegeben und mehr eingenommen werden kann. WDR.de stellt einige Beispiele vor.
Wirtschaftsberater sollen helfen
Die Stadt Essen, Zentrum der Kulturhauptstadt, gibt 80 Millionen Euro im Jahr für Kultur aus. 44 Millionen davon werden zum Ausgleich der Verluste der Theater- und Philharmonie Essen GmbH (TuP) verwendet. Zur TuP gehören die Sparten Musiktheater, Ballett, Philharmonie und Schauspiel. Bis 2013 soll dieser Zuschuss peu à peu auf knapp 38 Millionen Euro pro Jahr sinken. Wie der sinkende Zuschuss kompensiert werden kann, erarbeiten zur Zeit Wirtschaftsberater für die TuP. Der Essener Kulturdezernent Andreas Bomheuer beschreibt die Lage so: "Für den Fall, dass die Konsolidierung so nicht gelingt und auch keine anderen Wege gefunden werden, ist die Schließung einer oder mehrerer Sparten eine mögliche Option."
Höhere Gebühren, mehr Kooperation
Froh ist Bomheuer darüber, dass die Zuschüsse für Kulturinitiativen im aktuellen Etat nicht angetastet werden. Für die Volkshochschule ist der Kulturdezernent ebenfalls zuständig und erklärt, was sich ändert: "Die VHS muss mehr Drittmittel einwerben, zum Beispiel über Hauptschulabschlusskurse und Deutsch als Fremdsprache. Gleichzeitig muss sie Beiträge und Gebühren erhöhen. Das Gleiche gilt für die Musikschule." Und Ähnliches gilt für alle Volkshochschulen im Ruhrgebiet.
Mit Blick auf die Kulturhauptstadt sei wichtig, die künstlerische Vielfalt der Region zu erhalten, erklärt Andreas Bomheuer. Gleichzeitig plädiert er für mehr Kooperation zwischen den Städten: "Wir machen durch die Kulturhauptstadt zurzeit Erfahrungen mit Produktionsgemeinschaften, zum Beispiel bei Theaterprojekten. Da sehe ich eine Perspektive." Bomheuer ist in engem Kontakt mit seinen Kollegen in den umliegenden Städten. Er betont: "Es geht nicht um neue Institutionen, sondern um eine bessere Kooperation, die auch ökonomische Effekte erzielen muss."
Gemeinsames Theaterabonnement
Das Musiktheater im Revier (MiR), kulturelles Aushängeschild Gelsenkirchens, muss ab 2013 pro Jahr mit einer Million Euro weniger Zuschuss von der Stadt auskommen. "Das tut natürlich weh", sagt Geschäftsführer Dieter Kükenhöner, "aber wir wollen damit offensiv umgehen und schon jetzt unseren Eigenanteil steigern." Das bedeutet: Preiserhöhungen um zehn bis fünfzehn Prozent ab dem kommenden Herbst, mehr Aufführungen und weitere Maßnahmen wie ein gemeinsames Theaterabonnement mit dem Bochumer Schauspielhaus.
Weniger Personal geht nicht
Bereits in der Vergangenheit gab es erhebliche Personalreduzierungen, da sieht Kükenhöner keine weiteren Einsparmöglichkeiten: "Uns fehlt Personal in der Technik und in den Werkstätten. Wir haben noch nicht einmal genug Leute, um die Kulissenteile ins Lager zu fahren. Dadurch ist der Spielplan nicht sehr variabel." Das Repertoire ist eingeschränkt, gleichzeitig muss mehr gespielt werden. "Das ist die Quadratur des Kreises", seufzt der Geschäftsführer.
Für die Kulturhauptstadt macht das MiR auch einige Projekte. Aber Dieter Kükenhöner hätte sich gewünscht, dass die Bedeutung der Theaterlandschaft im Kulturhauptstadtjahr mehr herausgestellt wird: "Schließlich hat die Vielfalt der Theater maßgeblich dazu beigetragen, dass das Ruhrgebiet überhaupt Kulturhauptstadt geworden ist."
Kurzarbeit im soziokulturellen Zentrum
Der Bahnhof Langendreer in Bochum lockt mit seinen Angeboten vor allem ein jüngeres Publikum. Das soziokulturelle Zentrum gehört zur freien Szene und läuft als gemeinnütziger Verein. Ein solcher Verein darf keine Gewinne machen. Aber eben auch keine Verluste. Den Löwenanteil seines Etats muss der Bahnhof selbst erwirtschaften, der städtische Zuschuss beträgt ungefähr ein Viertel. Zehn Prozent davon sind nun weggefallen, das sind 34.000 Euro weniger allein in diesem Jahr.
Zwei Monate mussten die Mitarbeiter Kurzarbeit machen. "Das bedeutete weniger Veranstaltungen und weniger Service", erklärt Geschäftsführer Gerd Spieckermann, "Außerdem sind wir gezwungen, Programm da zu streichen, wo es sich nicht selber trägt, also zum Beispiel bei kultureller Bildung oder experimentellen Konzerten." Dabei bewirke das für die Haushaltslöcher der Stadt Bochum überhaupt nichts: "Selbst wenn man den Zuschuss für die gesamte freie Szene um zwanzig Prozent kürzt, ist man bei 300.000 Euro." Angesichts des kommunalen Defizits von mehr als 70 Millionen Euro für 2010 fällt das kaum ins Gewicht.
"Wir machen den Scheiß nicht mehr mit!"
Daher hat Spieckermann gemeinsam mit Kollegen von anderen soziokulturellen Zentren einen Aufruf gestartet: "Wir machen den Scheiß nicht mehr mit!" Die Initiatoren wehren sich mit deutlichen Worten dagegen, dass Bund und Länder immer mehr Aufgaben auf die Kommunen übertragen, ohne dass entsprechende Mittel zur Verfügung gestellt werden. Während die Kulturhauptstadt feiert, stehen die Kulturschaffenden mit dem Rücken an der Wand. "Eine absurde Gleichzeitigkeit", meint Spieckermann. Für das Ruhrgebietsimage sei die Kulturhauptstadt sicher gut, aber in der Regel hätten die Projekte keine nachhaltige Wirkung: "Was sollte von den Schachtzeichen oder dem Still-Leben auf der A40 übrig bleiben?"
Frisch renoviert, vielleicht bald geschlossen
Das Kunstmuseum Mülheim an der Ruhr ist in der ehemaligen Hauptpost untergebracht. Das historische Gebäude wurde im letzten Jahr noch renoviert - jetzt droht die Schließung. Die Stadt will ab 2013 jährlich eine Million Euro einsparen, in dem sie sich komplett aus dem Museum zurückzieht und ein privater Träger das Haus übernimmt. Dieser Sparvorschlag des Verwaltungsvorstandes, bestehend aus Oberbürgermeisterin, Kämmerer und Dezernenten, wird zurzeit öffentlich diskutiert.
In der Stadt regt sich Widerstand, da viele Bürger bezweifeln, dass ein privater Träger das Haus übernehmen wird. Daher gibt es Unterschriftenlisten, die sich gegen einen Rückzug der Stadt aus der Verantwortung für das Museum aussprechen. Ein Förderkreis will das Museum erhalten und überlegt, eine Stiftung zu gründen. "Für uns ist das im Moment eine sehr belastende und unsichere Situation. Wir können nicht planen", erklärt Beate Reese, Leiterin des Kunstmuseums. Ende Mai entscheidet die Stadt Mülheim, wo der Rotstift angesetzt wird.