Nein, groß gefeiert werde nicht, sagt Lask, der eine oder andere Sektkorken aber könne im Borkener Rathaus möglicherweise knallen. Noch 1996 lastete ein Berg von fast 32 Millionen Euro Schulden auf der 40.000-Seelen-Gemeinde im westlichen Münsterland. Seit Donnerstag (16.02.2012) zeigt das Schuldenkonto der Stadt null Euro an. Gleichzeitig verfügt Borken über 50 Millionen Euro angesparte Rücklagen. Gelungen sei das vor allem durch "effizienten und sparsamen Personaleinsatz", erklärt Lask. Jeder Posten in der Stadtverwaltung werde immer wieder hinterfragt. Im Jahr 2009, berichtet er nicht ohne Stolz, habe das Gemeindeprüfungsamt festgestellt, dass Borken im Vergleich zu anderen, ähnlich aufgestellten Kommunen rund 19 Prozent weniger Personal einsetze und damit 2,5 Millionen Euro im Jahr einspare.
Aufgaben an Ehrenamtliche abgeben
"Wir prüfen, welche Aufgaben auch privatisiert oder ehrenamtlich abgedeckt werden können", so Lask weiter. So sei beispielsweise die Aufsicht im Stadtmuseum an ehrenamtliche Mitarbeiter des Borkener Heimatvereins übergeben worden, und auch die ehemalige Stadtbücherei werde längst von der Kirchengemeinde betreut, ebenfalls ehrenamtlich. Bereiche wie Gebäudereinigung, Müllentsorgung oder Straßenreinigung seien an private Dienstleister übertragen worden. Als weitere Sparstrategie nennt Lask das angewandte "Verursacherprinzip": Sämtliche Kosten, die zur Instandhaltung der Stadt nötig sind, werden konsequent den Bürgern in Rechnung gestellt. Dazu gehören die Ausgaben des kommunalen Baubetriebshofs ebenso wie die rund um das Thema Abwasser. Dennoch zählt Borken mit der Höhe der städtischen Gebühren zu den 20 günstigsten Kommunen NRWs.
Verschuldet oder schuldenfrei - schwer zu vergleichen
Zwar ist Borken nun schuldenfrei, ein Defizit von 3,5 Millionen Euro klafft aber dennoch im Haushaltsplan 2012 - notwendige Ausgaben, die sich durch die Einnahmen nicht decken lassen. Borken kann dieses Loch ohne weiteres aus den städtischen Rücklagen füllen, doch die meisten der übrigen 396 Kommunen NRWs sind weit entfernt davon. "Wenn eine Gemeinde keine Schulden hat, heißt das nicht, dass sie besser wirtschaftet als eine, die im Nothaushalt steckt", relativiert Martin Lehrer vom Städte- und Gemeindebund NRW. "Zur finanziellen Lage einer Gemeinde tragen sehr viele Faktoren bei, vergleichen lässt sich da schlecht." Wenn die eine Gemeinde eine hohe Zahl von Arbeitslosen zu verwalten und gleichzeitig kaum steuerzahlendes Gewerbe hat, sei deren Chance, schuldenfrei zu wirtschaften, deutlich geringer als die einer Stadt, die hohe Gewerbesteuereinnahmen und weniger Sozialkosten hat. "Problematische Klientel bedeuten für eine Stadt immer auch Mehrkosten - für Bildung, Gesundheit, Soziales."
Trotz guter Konzepte tief im Schuldenloch
Das erkläre auch, dass beispielsweise die Stadt Borken - mit nur 3,8 Prozent Arbeitslosigkeit - und ihre Nachbarstädte im westlichen Münsterland so gut da stehen. Erst am Dienstag (14.02.2012) hatte die 13.000-Einwohner-Gemeinde Velen im westlichen Münsterland bekannt gegeben, dass sie keine Schulden mehr hat. Währenddessen kommen viele Städte im Ruhrgebiet aus dem Schuldenloch nicht heraus, obwohl sie "sich noch so sehr abstrampeln mit guten Konzepten". Außerdem, erinnert Lehrer, basiere kommunale Selbstverwaltung immerhin weitgehend auf Ratsentscheidungen, und die würden häufig nicht unbedingt mit dem Ziel der Nachhaltigkeit getroffen, sondern auch nach politischer Ausrichtung. Kluge, langfristig geplante Entscheidungen bei Investitionen beispielsweise können sich auszahlen, würden aber nicht allerorts getroffen.
Keine Schulden gleich keine Zinsen
"Schuldenfreiheit muss sich jemand persönlich zum Ziel gesetzt haben, sonst funktioniert es nicht", sagt Heiner Klösger, Experte für öffentliche Haushalte beim Bund der Steuerzahler NRW. So sei es auch in anderen schuldenfreien Städten, wie Düsseldorf oder Langenfeld, einzelnen Personen zu verdanken, dass mehr Umsicht in die Verwaltungsgeschäfte Einzug gehalten habe. Als "uneingeschränkt positiv" bewertet Klösger den Erfolg der Borkener. "Keine Schulden bedeutet auch keine Zinszahlungen", allein das eröffne einer Gemeinde neue Handlungsspielräume.
Borken: "Prosit angebracht"
Dennoch müsse man in den schuldenfreien Kommunen genau hinsehen, bei welchen Investitionen gespart wurde, mahnt Lehrer vom Städte- und Gemeindebund NRW: Sind es solche, die die Bürger wirklich nicht brauchen, oder spart sich die Kommune beispielsweise das eigene Schwimmbad und lässt die Bürger zum Schwimmen in die Nachbarstadt fahren? Oder wurden, wie es in größeren Städten immer häufiger der Fall sei, städtische Aufgaben und damit auch mögliche Schulden an Tochtergesellschaften verschoben, um selber als schuldenfrei zu gelten. Doch dann fügt er hinzu: "Wenn es einer Verwaltung dennoch gelingt, ihre Schulden loszuwerden, ist ein Prosit allemal angebracht."
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