Finanzkrise der Städte und Gemeinden spitzt sich zu

Kommunen fordern Schuldenfonds

Stand: 18.02.2010, 11:29 Uhr

Wirtschaftskrise, geringere Steuereinnahmen, steigende Sozialausgaben: Die Kommunen in NRW brauchen finanzielle Hilfe. Heute (18.12.09) forderten sie einen Fonds für ihre Altschulden, an dem sich Bund und Länder beteiligen sollen - aber auch die Bürger sollen ran.

Von Petra Blum

Kein angenehmer Termin für NRW-Finanzminister Helmut Linssen (CDU). Fast zwei Stunden lang stellte er sich den zahlreich aus dem Ruhrgebiet und dem bergischen Land angereisten Oberbürgermeistern und Kämmerern, um über ein verfahrenes Thema zu diskutieren, denn es geht um viel Geld: Die Kommunen fordern das Land auf, ihnen bei ihren Altschulden, insbesondere den Kassenkrediten von insgesamt mehr als 10 Milliarden Euro, zu helfen. Kassenkredite sind vergleichbar mit dem Dispo eines Girokontos, und die Kommunen in NRW haben sie über Jahre angehäuft. 19 Städte von Bottrop bis Leverkusen haben sich aus diesem Grund zum Aktionsbündnis "Raus aus den Schulden" zusammen geschlossen, um auf ihre Not aufmerksam zu machen. Werde ihnen nicht geholfen, so erklärte Wuppertals Kämmerer Johannes Slawig am Freitag (18.12.09), würden die Schulden endgültig außer Kontrolle geraten, nächstes Jahr werden es insgesamt 20 Milliarden Euro sein, bis 2015 könnte der Berg auch auf 30 Milliarden anwachsen.

Mit dem Kopf unter Wasser

"Wir sind mit dem Kopf unter Wasser", erklärte Wuppertals Bürgermeister Peter Jung (CDU) stellvertretend für die anderen Kommunen des Aktionsbündnisses. Wuppertal war gleich zweifach, mit Bürgermeister und Kämmerer, beim Treffen mit dem NRW-Finanzminister vertreten. Die Finanznot der Stadt ist exemplarisch für viele Mitglieder des Aktionsbündnisses: Wuppertal hat einen Kassenkredit von mehr als einer Milliarde Euro, die Gesamtschulden belaufen sich auf fast zwei Milliarden Euro. Die Wirtschaftskrise, das betont Bürgermeister Jung mehrmals, verschärfe die Situation, das Problem habe aber vorher schon bestanden. "Der Bund überträgt uns immer mehr Aufgaben, die wir nicht mehr finanzieren können." Gemeint ist damit die dauerhafte Unterfinanzierung vor allem der steigenden Soziallausgaben die Städte, die sie aus ihren laufenden Einnahmen nicht mehr decken können. Allein die Hälfte der Deckungslücke der Kommunen, so errechneten Experten, entstehe durch Sozialleistungen wie beispielsweise Unterkunftskosten von Langzeitarbeitslosen sowie die Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung.

"Alles versilbert, was wir konnten"

Wuppertal droht die Überschuldung | Bildquelle: dpa

Nicht zuletzt deswegen erwirtschaften die Kommunen Jahr für Jahr ein Minus und nehmen jedes Jahr mehr Kredite auf. In Wuppertal beträgt dieses Minus - genannt strukturelles Defizit - stattliche 250 Millionen Euro. Auch durch das einmalige Verkaufen von Eigentum könnten sich die Kommunen nicht mehr selbständig entschulden. "Wir haben doch schon alles versilbert, was wir versilbern konnten", betonte Johannes Slawig. Wuppertal hat sein Krankenhaus und Aktienpakete verkauft. Allein die Stadtwerke will die Kommune behalten, denn die Einnahmen daraus decken das Minus aus dem Betrieb des öffentlichen Nahverkehrs. Jetzt plant Wuppertal, sein Schauspielhaus dicht zu machen. "Wir müssen jetzt zu Maßnahmen greifen, die schon weit über die Schmerzgrenze hinaus gehen", erklärte Jung stellvertretend für seine Amtskollegen.

800 Millionen nicht tragbar

Um das Problem zu lösen, forderten die Kommunen das Land am Freitag auf, einen Entschuldungsfonds einzurichten, in den sämtliche Kassenkredite übertragen werden. Aus der Landeskasse wollen sie 800 Millionen Euro, um die Städte bei den Zinsen, die auf die im Fonds gesammelten Schulden fällig würden, zu entlasten.

NRW-Finanzminister Linssen signalisierte Verständnis für die Forderungen der Kommunen an das Land. Gleichzeitig machte er aber klar, dass 800 Millionen Euro aus der Landeskasse nicht tragbar seien. Und: "Wir müssen erst sehen, wie die Beteiligung der anderen Ebenen, also des Bundes und der Bürger, aussehen können."

Aufschlag auf Grundsteuer denkbar

Denn die Bürger sollen in Mitverantwortung genommen werden - da sind sich die Kommunen des Aktionsbündnisses einig: "Denkbar wäre beispielsweise ein Aufschlag auf die Grundsteuer für alle Bürger in NRW", erklärte Wuppertals Kämmerer Slawig. Es solle aber keine versteckte langfristige Steuer durch die Hintertür sein, sondern eine temporäre Abgabe, die die Bürger zu zahlen hätten.

Zwar konnte Finanzminister Linssen den Kommunen am Freitag kein grünes Licht für den Entschuldungsfonds geben - er kündigte allerdings an, das Problem auch auf Bundesebene zum Thema zu machen. Derweil stürzt das von der schwarz-gelben Bundesregierung auf den Weg gebrachte Wachstumsbeschleunigungsgestz die Kommunen in weitere Finanznot: Durch die im Gesetz beschlossenen Steuererleichterungen kommen auf die Kommunen in NRW laut Berechnungen des Städtetages 350 Millionen Euro zusätzliche Einnahmeausfälle zu. "Das macht allein für meine Stadt sechs Millionen Euro aus", erklärte Kämmerer Slawig. "Das kann so nicht weitergehen. Wer die Musik bestellt, soll sie auch bezahlen."