Der Abend beginnt mit seinem Sieger. Kaum haben die Moderatoren Sandra Maischberger und Kurt Krömer ihre Gäste zum Fernsehpreis 2010 im Kölner Coloneum begrüßt, übernimmt auch schon Stefan Raab das Mikro und den ersten Preis; dankt der Jury feixend für "Stil und Geschmack" und seine Auszeichnung für "Unser Star für Oslo". Eigentlich kann Raab gleich auf der Bühne bleiben, nur wenige Minuten später überreicht ihm sein Zögling Lena Meyer-Landrut mit einer tiefen Verbeugung den Preis des Entertainer für das Fernsehjahr 2010. Kaum hält er den zweiten Preis in der Hand, macht Raab sich allerdings Sorgen: "Zu viel Erfolg macht unsympathisch! Das sieht man am FC Bayern." Er verspricht vor den rund 1.000 geladenen Gästen: "Wir arbeiten jetzt an einem riesen Flop. Das wird der Hammer - Felix Magath hat schon unterschrieben."
Gala-Gleichung: Weniger Promis gleich weniger Glanz
Dann ist der Sport an der Reihe. Der Box-Weltmeister im Schwergewicht, Wladimir Klitschko, ist Laudator für die Kategorie "beste Sportsendung". Hier konnte sich das lässige Moderatoren-Duo Günther Jauch und Jürgen Klopp mit ihrer Fußball-WM-Berichterstattung gegen die Konkurrenz der anderen Sender durchsetzen. Doch weder Jauch noch Klopp kommen für die Ehrung nach Köln. Leider nicht die einzigen Stars, die charmant entschuldigt die Preisverleihung schwänzen. Veronica Ferres, Thomas Gottschalk oder Götz George glänzen mit Abwesenheit und die Gala wegen der fehlenden Stars ein bisschen weniger.
Förderpreisträgerinnen - keiner stammelt so charmant
Zeit und Chance für neue Gesichter. Den frischesten Auftritt legten die beiden jungen Förderpreisträgerinnen hin. Michelle Barthel und Carolyn Genzkow erhielten für ihre schauspielerische Leistungen in der ARD-Produktion "Keine Angst" den Fernsehpreis. "Plötzlich wurden wir nach vorne gerufen und wir konnten doch gar nichts sagen zu dem eigentlich wichtigen Thema", erzählt Carolyn nach ihrem Auftritt im Foyer und schaut immer noch etwas ungläubig auf den Plexiglas-Obolisken in ihrem Arm. "Wir dachten, das sei ein Witz! Wir haben das auch jetzt noch nicht verstanden, vielleicht Morgen beim Aufstehen", ergänzt Michelle neben ihr atemlos. Dann verschwinden die jungen Preisträgerinnen samt Auszeichnung auf die Toilette.
Eine Gazelle im Körper eines Nilpferdes
Im Saal präsentiert indes Friedrich Nowottny "das Salz der Fernsehsuppe", die Kategorie "Information" - hier gewinnt die ZDF und Ki.Ka-Kindernachrichtensendung "logo!". Federführend für die Veranstaltung in diesem Jahr ist der WDR. Maischberger und Krömer moderieren den 12. Fernsehpreis harmonisch und zügig. "Hier kommt eine Gazelle gefangen im Körper eines Nilpferdes", so kündigt Krömer Cindy aus Marzahn an. Ilka Bessin nimmt die Unverschämtheit gelassen, sie geht in der Kategorie "beste Comedy" leer aus - das Rennen macht hier die "heute-show" mit Oliver Welke.
Der erklärt mit Preis in der Hand die Anfänge seiner Nachrichtensatire: "Wir haben uns gefragt, kann politische Satire in Deutschland funktionieren? Zwei Jahre später wissen wir, mit der Regierung gehts." Cindy aus Marzahn bekommt im pinkem Paillettenkleid dann aber doch noch ihren Auftritt, sie ehrt Christian Rach für "Rach, der Restauranttester" und "Rachs Restaurantschule" (RTL) als bestes Dokutainment. "Das ist ne Informationsendung, wo der Zuschauer nicht sofort einpennt", erklärt Bessin die neue Kategorie.
Kriener und Bach sind die Besten
"Leute, wenn ich gewusst hätte, dass die Wechseljahre so einen Spaß machen!" Ulrike Kriener wird für ihre Rolle in "Klimawechsel" als beste Schauspielerin geehrt. Christoph Bach, der beste männliche Schauspieler 2010, freut sich etwas ruhiger. "Wow" sagt er als erstes ins Mikro. Nach der Preisverleihung will der Dutschke-Schauspieler mit grünem Parka und Preis bewaffnet entwischen, verrät an der Flügeltür aber noch schnell: "Ich freue mich total, dass dieser Film, der für experimentelles Fernsehen steht, gewonnen hat."
Ein Sturm der Zuschauer-Liebe
Die ARD-Soap "Sturm der Liebe" gewinnt mit großem Abstand den Publikumspreis. "Es haben die Zuschauer gewählt, für die wir Programm machen", erklärt die Produzentin Bea Schmidt. "Wir wollen einfach nur unterhalten, verführen, lachen oder weinen - am besten beides."
Mit dem Sonderpreis für die beste Information werden Volker Heise und Thomas Kufus für ihre rbb/Arte-Produktion "24h Berlin" ausgezeichnet. Einen Tag lang haben sie in Berlin gedreht, einen Tag lang gesendet. "Wir sind der Überzeugung, dass Fernsehen mehr kann, mehr Potential hat, das wir abrufen wollten", erklärt Heise. Fernsehen könne Grenzen sprengen.
In den weiteren Kategorien ist besonders die ARD stark vertreten. Der hr-Tatort "Weil sie böse sind" bekommt den Deutschen Fernsehpreis als bester Fernsehfilm. Auch die Serie "Im Angesicht des Verbrechens", eine ARD-Produktion und mitfinanziert vom Kultursender Arte, wird ausgezeichnet, und zwar in der Kategorie bester Mehrteiler. Die beste Serie nach Meinung der Jury ist bei Sat.1 zu sehen: "Danni Lowinski" mit Annette Frier als Kaufhausjuristin erhält die Anerkennung. Die beste Dokumentation, "Aghet - Ein Völkermord" (ARD) und die beste Reportage, "Somalia - Land ohne Gesetz" (ZDF), spielen beide im Ausland.
Kritik an Ehrenpreisträger und Reform der Kategorien
Für Unmut sorgt die Entscheidung der Stifter, ARD, ZDF, RTL und Sat.1, ihren Ehrenpreis der Fußballnationalmannschaft zu geben. Er bekomme ja auch nicht den Uefa-Pokal, erklärte Comedian Michael Kessler seine Vorbehalte. Ihre Spiele seien das Fernsehereignis des Jahres, verteidigten die Sender-Chefs ihre Entscheidung. Doch von der Elf keine Spur, Löw sendet einen Dank per Videobotschaft. Begleitet von Vuvuzelas nimmt Manager Oliver Bierhoff den Preis stellvertretend für die Mannschaft entgegen. Özil, Klose und Co. stecken mitten in der EM-Qualifikation, erklärt WDR-Intendatin Monika Piel. "Hätte die Mannschaft gegen die Türkei am Freitag (08.10.2010) verloren, hätten alle geschrieen, wenn sie zum Fernsehpreis gekommen wären, anstatt sich auf ihr nächstes Spiel gegen Kasachstan vorzubereiten."
Im Vorfeld hatte es außerdem Kritik von Schauspielern, Regisseuren und anderen Filmschaffenden gegeben, da die Auszeichnungen für Regie, Kamera, Musik, Ausstattung und Nebendarsteller gestrichen wurden. Viele der eingeladenen Gäste trugen daher einen silbernen Button mit der Aufschrift "Ich bin preiswert", der vom Bundesverband der Film- und Fernsehschauspieler ausgegeben wurde. Der im Vorfeld angekündigte Boykott der Medienszene blieb aber aus. Ob der Deutsche Fernsehpreis im kommenden Jahr in dieser Form noch stattfindet, scheint fraglich, Verbände und Sender wollen demnächst Gespräche über eine Neuausrichtung führen.